Die nächste Fatwa, bitte!
Die Islamische Glaubensgemeinschaft provoziert mit ihrem Kopftuchgebot interne Kritik.
D arauf hat man gewartet. Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat ein Rechtsgutachten vorgelegt, eine Fatwa. In Österreich ist dies extrem ungewöhnlich. Daher einige Grundsätze: 1. Es ist das Recht jeder Glaubensgemeinschaft, Gebote für Mitglieder auszusprechen. Nur totalitäre Staaten gewähren das Recht auf freie Religionsausübung nicht, dazu zählen, nebenbei bemerkt, häufig muslimisch geprägte Staaten. 2. Es ist das Recht jeder Gesellschaft, sich zu derartigen Geboten zu äußern. Freie Gesellschaften haben es an sich, von der Möglichkeit des freien Diskurses intensiv bis exzessiv Gebrauch zu machen. Für alle Religionsgemeinschaften, auch die islamische, sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, Standpunkte zu erklären und (weshalb nicht?) zu verteidigen. 3. Derartige Gebote können in einem Spannungsverhältnis zu Gesetzen des Staates stehen. Dann haben in einem demokratisch organisierten Gemeinwesen die staatlichen Gesetze befolgt zu werden – ohne Wenn und Aber. Glaubensgemeinschaften können gegen Gesetze antichambrieren, argumentieren, mobilisieren. Finden sie keine Mehrheit, müssen sie dies akzeptieren. D ies gesagt habend kommen wir zum nächsten Punkt: Die Fatwa, mit der das Tragen eines Kopftuchs für Frauen nach der Pubertät als religiöses Gebot definiert wird, hat auch innermuslimisch eine Diskussion ausgelöst. Das ist gut so, sehr gut sogar. Widerspruch äußerte am Dienstag Carla Amina Baghajati, Frauenbeauftragte der Islamischen Glaubensgemeinschaft und, pikant genug, deren Exsprecherin. Offen ausgetragene Konflikte und daraus zu erhoffende Klärungen/Korrekturen tragen dazu bei, den Islam (wieder) mit Europa zu versöhnen und in das Heute zu transferieren. Wie schwierig das sein wird, zeigt die auf konservativer Auslegung des Koran basierende Fatwa.
Darüber hinaus dürfen wir nun von der Islamischen Glaubensgemeinschaft weitere Fatwas erwarten. Wann wird endlich ein Gutachten zur Stellung der Frau im Islam publiziert? Wann folgt eine Erklärung über das Verhältnis zu anderen Religionen? Es ist doch nicht ernsthaft anzunehmen, dass sich der theologische Beratungsrat nur mit der Frage Kopftuch beschäftigt. Oder?