Von Tulpen und Sexbomben
Satire. Max „Bezirkowitsch“Zirkowitsch erklärt Wien seine Liebe, indem er Bilder vom Zufälligen, Skurrilen und Düsteren sammelt – und nun veröffentlicht.
Frische Tulpen, auf dem Boden des Westbahnhofs verstreut und zertreten. Ein Mistkübel, auf dem „Nur für Österreicher“steht. Eine Wand in der Hütteldorfer Straße, auf die jemand „Jeder Mensch ist eine Bombe“gesprayt und ein anderer das um „Sex“ergänzt hat. Oder ein Gasthaus mit dem klingenden Namen „Zum Goldenen Schuss“(übrigens in der Nähe des niederösterreichischen Ortes „Fleischessen“). Der Satiriker Maximilian Zirkowitsch sammelt schon lang Bilder von diesen kleinen Beobachtungen und Absurditäten. 1000 bis 1500 seien wohl in knapp zehn Jahren zusammengekommen, sagt er. Nun ist daraus der Bildband „Ach, Wien“entstanden, bzw. ist es mehr ein Büchlein, das jüngst im Holzbaum-Verlag erschienen ist.
Es sind solche Kleinigkeiten, anhand derer man schöne Geschichten erzählen kann, erklärt er seine Freude daran. Oder, sie sich zumindest ausdenken kann: Wie die Tulpen auf den Boden kamen. Oder, was zuerst da war, der Schriftzug mit der Bombe oder das Wörtchen Sex an der Wand.
Das Reizvolle daran, sagt er, sei die „positive Grundstimmung“, die man anhand dieser Beobachtungen in der Stadt findet. Oder die Freude, wenn man Menschen bei kleinen Eitelkeiten erwischt. „In Salzburg zum Beispiel habe ich zuletzt ein Hinweisschild, ein Haus sei das Geburtshaus von jemandem, gesehen. Dann hat sich herausgestellt, dass das der Fleischhauer ist, der noch immer lebt.“Die meisten seiner Bilder sammelt er aber in Wien. Ein dankbarer Ort für Skurriles, auch deswegen sei er „ganz vernarrt“in Städte. Besonders mit Wien verbindet ihn eine große Liebe. Er wurde hier geboren und eingeschult, musste dann allerdings nach Niederösterreich ziehen. „Weil ich das nicht wollte, habe ich als Kind auf dem Land eine Birkenpollenallergie entwickelt. Ich gehöre einfach zur Stadt.“Die Allergie ist geblieben, er ist seit Jahren wieder in Wien.
Auch das neue Buch sei aus Liebe zur Stadt entstanden, „wie jede innige Liebe ist auch diese manchmal dunkel und schmerzhaft“, sagt er – etwa, wenn er sich wundert, was alles möglich ist. „Wenn Sitzgelegenheiten so gestaltet werden, dass sich darauf ja niemand hinlegen kann, zum Beispiel.“
Einer der dankbarsten Orte für Skurriles, Dunkles bis Liebenswertes sei der Westbahnhof. Auch, wenn man sich dort beeilen müsse – so oft werde geputzt. Aber dorthin hat er es immerhin nicht weit, bekanntlich lebt Zirkowitsch in Rudolfsheim-Fünfhaus. Von dort aus wurde er rund um die Wien- Wahl 2015 auch als politische Kunstfigur „Bezirkowitsch“in der ganzen Stadt bekannt. Mit Slogans wie „Fünfhaus, du Opfa, gib Stimme!“erhielt er 362 Vorzugsstimmen, einzig der Bezirksvorsteher schaffte mehr. Ein Mandat ist sich nicht ausgegangen – das sei auch nicht Ziel gewesen.
Und so bleibt Zirkowitsch, im Brotberuf übrigens Sozialarbeiter, mehr Zeit für seine Satireprojekte – dabei verbringe er neben Schreiben und Lesen „erstaunlich viel“Zeit mit Spazierengehen und dem Fotografieren von Alltagsbegebenheiten.
Ein Buch aus Facebook-Postings
Diese Bilder postet er teilweise auf seinem Facebook-Profil. Aus den Bildern und Facebook-Postings („Irgendwo in Wien riecht’s immer nach Schnitzel.“„Mein erster Haarwuchsmittel-SPAM! Es ist offiziell. Ich bin alt.“Oder: „Ich stelle mir Twitter vor wie die Seefestspiele Mörbisch, nur anstrengender.“) ein Buch zu gestalten, das sei Idee des Verlegers gewesen, sagt Zirkowitsch.
Immerhin hat nicht nur er sich, vor allem via Internet, mittlerweile eine treue Fanbase aufgebaut – ebenso kennt man das Satirekollektiv Hydra, dessen Mitglied er ist, dank diverser Aktionen und Publikationen. So sorgt auch deren neues Buch, „How to be Österreich. Ein Werteguide für Integrationswillige“, für einiges Aufsehen. Die Gruppe hat damit einen satirischen Österreich-Guide geschrieben, ein, so die Eigendefinition, „Maggi für die gesunde Volksseele“, eine patriotische Liebeserklärung an ein Österreich – ebenfalls voll liebenswerter Skurrilität.