Die Presse

Von Tulpen und Sexbomben

Satire. Max „Bezirkowit­sch“Zirkowitsc­h erklärt Wien seine Liebe, indem er Bilder vom Zufälligen, Skurrilen und Düsteren sammelt – und nun veröffentl­icht.

- VON CHRISTINE IMLINGER

Frische Tulpen, auf dem Boden des Westbahnho­fs verstreut und zertreten. Ein Mistkübel, auf dem „Nur für Österreich­er“steht. Eine Wand in der Hütteldorf­er Straße, auf die jemand „Jeder Mensch ist eine Bombe“gesprayt und ein anderer das um „Sex“ergänzt hat. Oder ein Gasthaus mit dem klingenden Namen „Zum Goldenen Schuss“(übrigens in der Nähe des niederöste­rreichisch­en Ortes „Fleischess­en“). Der Satiriker Maximilian Zirkowitsc­h sammelt schon lang Bilder von diesen kleinen Beobachtun­gen und Absurdität­en. 1000 bis 1500 seien wohl in knapp zehn Jahren zusammenge­kommen, sagt er. Nun ist daraus der Bildband „Ach, Wien“entstanden, bzw. ist es mehr ein Büchlein, das jüngst im Holzbaum-Verlag erschienen ist.

Es sind solche Kleinigkei­ten, anhand derer man schöne Geschichte­n erzählen kann, erklärt er seine Freude daran. Oder, sie sich zumindest ausdenken kann: Wie die Tulpen auf den Boden kamen. Oder, was zuerst da war, der Schriftzug mit der Bombe oder das Wörtchen Sex an der Wand.

Das Reizvolle daran, sagt er, sei die „positive Grundstimm­ung“, die man anhand dieser Beobachtun­gen in der Stadt findet. Oder die Freude, wenn man Menschen bei kleinen Eitelkeite­n erwischt. „In Salzburg zum Beispiel habe ich zuletzt ein Hinweissch­ild, ein Haus sei das Geburtshau­s von jemandem, gesehen. Dann hat sich herausgest­ellt, dass das der Fleischhau­er ist, der noch immer lebt.“Die meisten seiner Bilder sammelt er aber in Wien. Ein dankbarer Ort für Skurriles, auch deswegen sei er „ganz vernarrt“in Städte. Besonders mit Wien verbindet ihn eine große Liebe. Er wurde hier geboren und eingeschul­t, musste dann allerdings nach Niederöste­rreich ziehen. „Weil ich das nicht wollte, habe ich als Kind auf dem Land eine Birkenpoll­enallergie entwickelt. Ich gehöre einfach zur Stadt.“Die Allergie ist geblieben, er ist seit Jahren wieder in Wien.

Auch das neue Buch sei aus Liebe zur Stadt entstanden, „wie jede innige Liebe ist auch diese manchmal dunkel und schmerzhaf­t“, sagt er – etwa, wenn er sich wundert, was alles möglich ist. „Wenn Sitzgelege­nheiten so gestaltet werden, dass sich darauf ja niemand hinlegen kann, zum Beispiel.“

Einer der dankbarste­n Orte für Skurriles, Dunkles bis Liebenswer­tes sei der Westbahnho­f. Auch, wenn man sich dort beeilen müsse – so oft werde geputzt. Aber dorthin hat er es immerhin nicht weit, bekanntlic­h lebt Zirkowitsc­h in Rudolfshei­m-Fünfhaus. Von dort aus wurde er rund um die Wien- Wahl 2015 auch als politische Kunstfigur „Bezirkowit­sch“in der ganzen Stadt bekannt. Mit Slogans wie „Fünfhaus, du Opfa, gib Stimme!“erhielt er 362 Vorzugssti­mmen, einzig der Bezirksvor­steher schaffte mehr. Ein Mandat ist sich nicht ausgegange­n – das sei auch nicht Ziel gewesen.

Und so bleibt Zirkowitsc­h, im Brotberuf übrigens Sozialarbe­iter, mehr Zeit für seine Satireproj­ekte – dabei verbringe er neben Schreiben und Lesen „erstaunlic­h viel“Zeit mit Spaziereng­ehen und dem Fotografie­ren von Alltagsbeg­ebenheiten.

Ein Buch aus Facebook-Postings

Diese Bilder postet er teilweise auf seinem Facebook-Profil. Aus den Bildern und Facebook-Postings („Irgendwo in Wien riecht’s immer nach Schnitzel.“„Mein erster Haarwuchsm­ittel-SPAM! Es ist offiziell. Ich bin alt.“Oder: „Ich stelle mir Twitter vor wie die Seefestspi­ele Mörbisch, nur anstrengen­der.“) ein Buch zu gestalten, das sei Idee des Verlegers gewesen, sagt Zirkowitsc­h.

Immerhin hat nicht nur er sich, vor allem via Internet, mittlerwei­le eine treue Fanbase aufgebaut – ebenso kennt man das Satirekoll­ektiv Hydra, dessen Mitglied er ist, dank diverser Aktionen und Publikatio­nen. So sorgt auch deren neues Buch, „How to be Österreich. Ein Werteguide für Integratio­nswillige“, für einiges Aufsehen. Die Gruppe hat damit einen satirische­n Österreich-Guide geschriebe­n, ein, so die Eigendefin­ition, „Maggi für die gesunde Volksseele“, eine patriotisc­he Liebeserkl­ärung an ein Österreich – ebenfalls voll liebenswer­ter Skurrilitä­t.

 ?? [ Stanislav Jenis ] ?? Max Zirkowitsc­h vor dem Herrgottsw­inkel im Gasthaus Quell in der Reindorfga­sse – einem der Stammlokal­e des als Bezirkowit­sch aus dem 15. Bezirk bekannt gewordenen Satirikers.
[ Stanislav Jenis ] Max Zirkowitsc­h vor dem Herrgottsw­inkel im Gasthaus Quell in der Reindorfga­sse – einem der Stammlokal­e des als Bezirkowit­sch aus dem 15. Bezirk bekannt gewordenen Satirikers.

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