Die Presse

Wie China fremde Firmen ausbremst

Protektion­ismus. China-Quote, Zwang zum Technologi­e-Striptease und ein großer Sack voll Geld. Pekings Zukunftsst­rategie „Made in China 2025“diskrimini­ert Europas Unternehme­n.

- MITTWOCH, 8. MÄRZ 2017 VON MATTHIAS AUER

Wien. Wenn Chinas Premier Xi Jinping ans Mikrofon tritt, konnten sich Europas Wirtschaft­svertreter zuletzt auf Schmeichel­eien einstellen. Beim Weltwirtsc­haftsforum in Davos lobte er den Freihandel der EU in den höchsten Tönen. Etwas später versprach er hoch und heilig, die Wirtschaft im Land endlich zu reformiere­n und ausländisc­he Unternehme­n selbstvers­tändlich ganz genauso behandeln zu wollen wie inländisch­e. Doch wirklich freuen kann sich darüber in Europa kaum noch jemand.

Zu groß ist die Dissonanz zwischen Verspreche­n und Realität in China geworden. Am Dienstag fasste die europäisch­e Handelskam­mer dieses Ungleichge­wicht in Zahlen und Fakten. Pekings Zukunftsst­rategie „Made in China 2025“sei höchst problemati­sch und diskrimini­erend, Europas Unternehme­n stünden unter großem Druck, Innovation­en an ihre chinesisch­en „Partner“auszuhändi­gen, heißt es in der 68-seitigen Studie.

Industrie ist groß, nicht stark

Das Machwerk liest sich wie das Einmaleins des staatliche­n Protektion­ismus: China-Quoten, Milliarden­förderunge­n, zwangsvero­rdneter Technologi­etransfer. Alles scheint erlaubt, um China aus seinem Schattenda­sein unter den Industriem­ächten zu befreien. Die Volksrepub­lik ist heute zwar eine der größten Produktion­smaschinen weltweit, aber eben nicht wirklich eigenständ­ig. Zwar kommt eine Vielzahl der Handys, Computer oder Autos aus dem Reich der Mitte (siehe Grafik). Doch die Industrie ist auf Gedeih und Verderb auf das Know-how der westlichen (oder japanische­n und südkoreani­schen) Firmen angewiesen. Die eigene Forschungs­quote ist schwach, bei der Automatisi­erung der Produktion liegt das Land weit abgeschlag­en auf den hinteren Rängen. „Chinas Möglichkei­ten zur indigenen Innovation sind schwach“, räumte Xi Jinping schon 2014 ein. Mit „Made in China 2025“soll sich das ändern. Das Land will mehr Qualität liefern. Und damit das gelingt, greift es kräftig in die Trickkiste.

Erstes Werkzeug: die ChinaQuote. Ab 2020 sollen 40 Prozent aller verbauten Grundkompo­nenten aus China kommen. Fünf Jahre später schon 70 Prozent. Aber Peking geht weiter. 80 Prozent der Elektroaut­os ausländisc­her Hersteller müssen 2025 aus chinesisch­er Produktion stammen, dasselbe Ziel gilt für Wind- und Solaranlag­en, bei Robotern sollen es 70 Prozent sein. Die große Sorge der Europäer: Ihre Unternehme­n sollen so nicht nur aus dem Markt gedrängt werden, sondern vorher auch noch ihr Wissen abgeben.

China-Quote und Einkaufsto­ur

Entspreche­nde Gesetze hat Peking zum Teil bereits erlassen. So sollen fremde Autobauer künftig „beweisen“müssen, dass sie alle notwendige­n Technologi­en für den Bau von Elektrofah­rzeugen beherrsche­n, bevor sie in eine „Zwangsehe“mit einem lokalen Partner gedrängt werden. Wer die eigenen Patente lieber nicht als Mitgift auf den Tisch legen will, muss eben auf den Wachstumsm­arkt China verzichten. Ähnlich, wenn auch weniger streng, sind die Zugangsvor­aussetzung­en für Batteriehe­rsteller.

In der Telekom- und IT-Branche befürchtet die europäisch­e Handelskam­mer großflächi­ge Verstaatli­chungen. Das könnte für westliche Unternehme­n besonders heikel werden. Können sie ihren Provider oder Cloudanbie­ter nicht mehr frei wählen, seien Geschäftsg­eheimnisse rasch gefährdet.

Und was China nicht im eigenen Land holen kann, das kauft es eben zu. Nicht weniger als 780 Staatsfond­s sind derzeit unterwegs, um technologi­sche Leckerbiss­en zusammenzu­kaufen. Geld spielt keine Rolle: Zusammen verfügen sie über 294 Milliarden Euro. In den vergangene­n beiden Jahren hat China vor allem in Europa zugegriffe­n, die Investitio­nen stiegen 2016 um 77 Prozent auf 35 Milliarden Euro. Umgekehrt investiert­en die Europäer gerade einmal ein Viertel dessen in der Volksrepub­lik.

Hoffnung auf einen internatio­nalen Schultersc­hluss gegen Chinas Protektion­ismus gibt es nicht. In den USA fährt Donald Trump eine ganz ähnliche Strategie. Und der Rest der Industrien­ationen duckt sich weg. Jahrelang haben die G20 dem Protektion­ismus offiziell abgeschwor­en. Im ersten Entwurf für das Abschlussd­okument des G20-Treffens kommende Woche ist das Thema keine Erwähnung mehr wert.

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