Die Presse

Wie Deutsche ungewollt für Italien haften

Das EZB-Clearingsy­stem Target 2 wird für Staatsfina­nzierung missbrauch­t.

- Josef.urschitz@diepresse.com

E inen beunruhige­nden Blick hinter die EuroKuliss­en hat gestern die Bank für internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ) gewährt: Die hohen Ungleichge­wichte im Euro-Clearingsy­stem Target 2 seien nicht, wie einige fürchten, Anzeichen für eine großflächi­ge Kapitalflu­cht aus Südeuropa, sondern lediglich durch das EZB-Anleihenan­kaufprogra­mm verursacht, hieß es.

Ein Beispiel: Wenn die italienisc­he Notenbank italienisc­he Staatsanle­ihen von einem britischen Fonds über dessen Niederlass­ung in Frankfurt kauft, dann holt sich der Fonds das Geld von der deutschen Bundesbank. Diese hat dann eine Forderung in dieser Höhe an das EZB-Clearingsy­stem. Die italienisc­he Notenbank „schöpft“diese Summe gleichzeit­ig und hat nun eine Verbindlic­hkeit gegenüber der EZB in gleicher Höhe.

In einem echten Clearingsy­stem würden im nächsten Schritt Verbindlic­hkeit und Forderung aufgerechn­et und ausgeglich­en. Die Salden der einzelnen Mitglieder wären also zumindest am Ende des jeweiligen Abrechnung­szeitraums (beim System der USNotenban­k Fed ist das einmal im Jahr) nahe null.

Beim EZB-System denkt aber niemand an Ausgleich. Die Ungleichge­wichte, die sich dadurch aufbauen, sind nicht von schlechter­n Eltern: Deutschlan­d beispielsw­eise sitzt schon auf Target-2-Forderunge­n von 800 Mrd. Euro, Italien hat dagegen Target-2-Verbindlic­hkeiten von 360 Mrd. Euro. D as klingt jetzt alles sehr theoretisc­h, und die Notenbanke­r tun alles, um es als harmlos darzustell­en. Ist es aber nicht: In der Praxis heißt es nämlich nichts anderes, als dass Deutschlan­d für die Euroländer mit Target-2-Verbindlic­hkeiten (zu denen übrigens auch Österreich gehört) mehr als 800 Mrd. Euro an Haftungen übernommen hat. Sollte die Eurozone zerbrechen, würde diese Summe schlagend. Das steckt selbst Herr Schäuble nicht einfach weg.

Wir haben es hier also ganz offenbar mit einer Art heimlicher Schuldenve­rgemeinsch­aftung über ein unverdächt­iges Clearingsy­stem zu tun. Das könnte man durchaus als Missbrauch eines an sich sinnvollen Systems deuten, oder?

Newspapers in German

Newspapers from Austria