Die Presse

Dies Wachstum ist auf Sand gebaut

Konjunktur. Die globale Erholung ist zu stark vom privaten Konsum getrieben, warnt die BIZ. Nachhaltig sei ein Aufschwung nur dann, wenn Investitio­nen und Exporte mitziehen.

- VON KARL GAULHOFER

Wien. Die Weltwirtsc­haft erholt sich, langsam, aber doch. An den Unternehme­n liegt es kaum, sie halten sich mit Investitio­nen sehr zurück. Auch die Exporte laufen fast nirgends rund, weil sich der internatio­nale Handel so schwach entwickelt. Und den meist hoch verschulde­ten Staaten fehlt der Spielraum zum Geldausgeb­en. Aber gottlob gibt es ja noch die privaten Haushalte, die kräftig konsumiere­n und damit den Aufschwung tragen. Eifrig befeuert von niedrigste­n Zinsen, für die schon seit fast zehn Jahren alle großen Notenbanke­n sorgen.

Es ist eine grimmige Ironie, dass nun ausgerechn­et die „Zentralban­k der Zentralban­ken“vor dieser Entwicklun­g warnt: Wachstumsp­hasen, die stark vom privaten Konsum getrieben sind, fallen deutlich schwächer und kürzer aus als solche, an denen auch Investitio­nen und Ausfuhren ihren Anteil haben – wenn sie nicht überhaupt in platzenden Blasen und Abstürzen enden. Zu diesem Schluss kommen Ökonomen der Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich im aktuellen BIZ-Quartalsbe­richt, nachdem sie die Daten seit 1991 für 19 Industrien­ationen ausgewerte­t haben. In hoch entwickelt­en Volkswirts­chaften ist der Privatkons­um zwar immer die stärkste Stütze, im Schnitt mit 56 Prozent. Aber von ihm getrieben ist eine Erholung nur dann, wenn er stärker wächst als das BIP in Summe. Die Zahl solcher „Konsumboom“-Länder in der Auswahl stieg seit 2012 von sieben auf zwölf. Dazu gesellten sich etwa die USA und Großbritan­nien. Aber auch Schwellenl­änder wie China folgen dem Trend. Und die Vergangenh­eit zeigt: Das ist kein gutes Zeichen.

Aber was ist hier Ursache, was nur Folge? Private Haushalte glätten ihre Ausgaben über die Zeit. Selbst in (kürzeren) Rezessio- nen geht ihr Konsum kaum zurück, sie brauchen dann eben ihr Erspartes auf. Deshalb tragen sie auch einen schwachen Aufschwung, in dem die Investitio­nen nicht anziehen, weil Firmen wenig Chancen sehen, ihr Geschäft auszubauen. Natürlich bleibt dieses Wachstum dann schwach. Und es wird noch schwächer, wenn die Inflation anzieht, Zinsen steigen und die Kaufkraft sinkt.

Ehrenrettu­ng für Vorkrisen-Boom

Zur echten Ursache künftiger Rückschläg­e kann sich der Konsumboom auswachsen, wenn ihn überzogene­s Kreditwach­stum begleitet, wie nun in China. Dazu braucht es gar keine Finanzkris­e: Leben auf Pump treibt drei bis vier Jahre das Wachstum, dann überwiegt die Spätfolge des drückenden Schuldendi­enstes. Kürzer ist das Strohfeuer bei steigenden Immobilien­preisen. Ein schwach negativer Effekt zeigt sich später auch hier: Haushalte fühlen sich zwar erst reicher, weil ihr Eigenheim mehr wert ist, erkennen aber bald den Trug, wenn ihre Einkommen nicht mit anziehen – und bremsen sich ein. Zudem rächt es sich, wenn zu viele Mittel in den wenig produktive­n Häusermark­t fließen.

War die Zeit vor der Finanzkris­e ein „böser Boom“? Hier überrasche­n die BIZ-Forscher: Von 2004 bis 2007 war das Wachstum viel gleichmäßi­ger auf Konsum und Investitio­nen verteilt als heute. Des Rätsels Lösung: Die Autoren bilden nur ein ungewichte­tes Mittel aus ihrem Länder-Sample. Amerika zählt also nicht mehr als Österreich. Was daran erinnert, dass der damalige Aufschwung vielerorts durchaus „gesund“war. Blasen platzten am Ende nur in wenigen Staaten: USA, Spanien, Irland – und steckten alle an.

Was kann die Politik aus all dem lernen? Nicht auf gute Konjunktur­zahlen vertrauen, wenn nur Konsum die Basis ist – und alles tun, um die Exporte zu stärken und Investitio­nen wieder attraktiv zu machen.

 ?? [ Bloomberg ] ?? Nur mit Shoppen die Wirtschaft stärken? Funktionie­rt auf Dauer nicht, warnt ein BIZ-Quartalsbe­richt.
[ Bloomberg ] Nur mit Shoppen die Wirtschaft stärken? Funktionie­rt auf Dauer nicht, warnt ein BIZ-Quartalsbe­richt.

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