Der schwarze Opernbass mit der schneeweißen Seele
Nachruf. Zum Tod des rheinländischen Opernstars Kurt Moll, der in den großen Opernmetropolen von New York bis Mailand, von Wien bis Salzburg jahrzehntelang als Idealbesetzung für Mozarts Sarastro, Richard Strauss’ Ochs auf Lerchenau und Wagners Gurnemanz
Ein typischer Bassist war er nicht. Im Gegenteil. Die dröhnende Attitüde seiner Kollegen war ihm zeitlebens völlig fremd. Eher wirkte Kurt Moll wie ein gutmütiger Märchenbär – weshalb Partien wie der Hagen aus der „Götterdämmerung“für ihn nie infrage kamen; nicht, weil er sie nicht hätte singen können. Die Stimme war gewaltig, konnte orgeln und machtvoll tönen. Ein Komtur wie dieser nötigte selbst dem beherztesten Don Giovanni schon auf der Friedhofsszene zumindest Respekt ab, wenn er ihm nicht wie dem Publikum metaphysische Schauer über den Rücken jagte.
Doch waren es nicht die Bösewichte, die furchteinflößenden Gestalten, die das Repertoire dieses 1938 in der Nähe von Köln geborenen Künstlers beherrschten. Am nachhaltigsten blieben wohl Figuren wie der Sarastro aus Mozarts „Zauberflöte“und der komödiantisch-hintergründige, menschlich-allzumenschliche Ochs auf Lerchenau aus Hofmannsthals/Straussens „Rosenkavalier“im Gedächtnis der internationalen Musikgemeinde. In diesen Partien brillierte Moll drei Jahrzehnte lang im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts.
Für Karajan wie für Carlos Kleiber war er die selbstverständliche „Rosenkavalier“Wahl, für jeden Intendanten zwischen New York, Mailand, London, München und Wien galt das erste Telefonat ihm, wenn es darum ging, zentrale Partien des Bassregisters, voran etwa den Gurnemanz in Wagners „Parsifal“, zu besetzten. Den Ton dieses „Bühnenweihfestspiels“traf Kurt Moll wie kein andrer – selbst wenn er von den Ekstasen des Gralswunders oder auch vom erotischen Zauber des „furchtbar schönen Weibes“Kundry berichtete, mangelte es seinem Gesang niemals an Noblesse.
Dabei schwang durchaus das bedrohliche Gewaltpotenzial mit, wenn er als Hunding seinem Gegner Siegmund in der „Walküre“die Auseinandersetzung für den kommenden Tag ankündigte. Solche Töne waren ihm nicht fremd, wenn er auch vermutlich mit weitaus größerem Engagement Otto Nicolais „Als Büblein klein an der Mutterbrust“anstimmte – sein Falstaff in den „Lustigen Weibern“galt sogleich als Referenz; wie die meisten seiner auf Schallplatten verewigten Interpretationen.
Gottlob gibt es im reichen TonträgerErbe Kurt Molls auch genügend Beispiele für die Kunst des Liedgesangs. Meist mit seinem Klavierpartner Cord Garben verewigte der Sänger eine bewegend schlichte Interpretation von Schuberts „Winterreise“, widmete sich aber mit der gebotenen Natürlichkeit auch Liedern und Balladen des längst beinah völlig vergessenen Carl Loewe – und sichert diesen Kleinodien immerhin ein tönendes Nachleben, das CD-Sammler genießen dürfen.
Das internationale Musikleben verliert mit Kurt Moll, der nach langer Krankheit am 5. März im 78. Lebensjahr gestorben ist, einen Giganten. Allein in Wien hat er seit seinem Debüt als König Marke in Wagners „Tristan“im Jänner 1973 den Ochs 31 Mal, den Sarastro 23 Mal und den Veit Pogner in den „Meistersingern“immerhin 13 Mal verkörpert, bei den Salzburger Festspielen war er häufig zu Gast; den Sarastro gestaltete er dort bereits 1970 unter Wolfgang Sawallisch, der ihn in der Folge eng an die Bayerische Staatsoper zu binden wusste. (sin)