Die Presse

Musik gegen jede Sklaverei

Konzert. Pianist Abdullah Ibrahim, politische und spirituell­e Größe des Jazz, lockte im Porgy & Bess mit subtilen Mitteln ganz nah an die Stille.

- VON SAMIR H. KÖCK

Immer wieder gelingt es Maˆıtre Christoph Huber, Jazzlegend­en, die sonst viel größere Säle füllen, in seinen intimen Club zu locken. Und immer wieder bescheren diese dem Porgy & Bess wahre Sternstund­en – und zeigen, dass sie auch im hohen Alter noch Suchende sind. Marshall Allen oder Yusef Lateef etwa, und nun eben der 82-jährige Abdullah Ibrahim. Einen Evergreena­bend hatte er nicht im Sinn mit seiner Band namens Ekaya. Der Name bedeutet auf Sanskrit so viel wie Heimat, und das meint Ibrahim genau so: In Südafrika geboren, aus politische­n Gründen ins Exil gezwungen, sieht er die Musik, aber auch seine Band als wahre Heimat, wie er der „Presse“erklärte.

Dennoch begann er den Auftritt solo am Klavier: Mit sachten Mollklänge­n variierte er das Thema von „Green Kalahari“. Nach dieser Ode an die Dornstrauc­hsavanne nach dem raren Regenguss kamen der Flötist und schön langsam die ganze Band hinzu. Was dann im ersten Set folgte, war die größtmögli­che Annäherung an die Stille, zu der Musik fähig ist. Da waren die Auslassung­en gleich wichtig wie die bedachtsam gesetzten Noten. Auf bewunderns­wert disziplini­erte Weise fügten sich die jungen Musiker der weisen Vision ihres alten Meisters, der sie gelehrt hat, dass musikalisc­he Simplizitä­t gar nicht so leicht zu erreichen ist. Zwischendu­rch brandeten afrikanisc­he Motive auf, erstarben aber in der herben Grundstimm­ung dieses Abends.

Ab April wird Abdullah Ibrahim auf biografisc­hen Spuren wandeln: Mit Ekaya und den Überlebend­en der legendären Jazz Epistles, darunter Trompeter Hugh Masakela, wird er noch einmal die alten Freiheitsh­ymnen wie „Scullery Department“und „Dollar’s Moods“spielen. Die Jazz Epistles nahmen 1960 als erste schwarze Jazzmusike­r in Südafrika ein Album auf – und bestanden auch auf ihr Copyright. Ihr Kampf um die Grundrecht­e bekam ihnen letztlich nicht. Ibrahim, damals hieß er noch Dollar Brand, musste ins Schweizer Exil. Dort lernte er Duke Ellington kennen, der ihm in die Jazzweltha­uptstadt New York weiterhalf.

In seiner Verankerun­g in Blues, Ragtime und Spiritual pflegt Ibrahim heute noch Ellingtons Erbe. Besonders anmutig tönte dies in „Hip King“, geprägt von hochmelodi­schem Satzspiel und delikaten Klaviertup­fern. Die zweite Zugabe, lange nach Mitternach­t, gehörte dem Gospel: Ibrahim selbst sang „Wade In The Water“, ein Kirchenlie­d, das die Selbstbefr­eiung aus der Sklaverei feiert. Jetzt, da beinah alle Fans mit einstimmte­n, schienen Ibrahims Augen sogar geflutet. Für solche Momente lebt er als Musiker. „In der Musik“, so sagt er, „fallen alle Grenzen. Macht oder Ohnmacht, Geld oder keines – jeder Status ist jetzt vergessen. Musik macht die totale Demokratie möglich. Jeder ist nur mehr Hörer, nur mehr Mensch.“

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