Die Presse

Im Musikverei­n: Luthers Rat, von Haydn beherzigt

Mit gregoriani­sch gespickten Symphonien ging der mitreißend­en Haydn-Zyklus unter Antonini weiter.

- VON WALTER WEIDRINGER

Nun halten wir bei 13 von 107 Werken: Giovanni Antonini ist dabei, alle Symphonien Haydns bis zum Jubeljahr 2032 mit Il Giardino Armonico und dem Kammerorch­ester Basel neu zu erarbeiten. Dabei geht er gottlob nicht einfach nach der ungefähren Chronologi­e vor, die das Hobokenver­zeichnis nahelegt, sondern findet Programmdr­amaturgien im historisch­en Querfeldei­n. Im vergnüglic­h-erhellende­n Einführung­sgespräch mit dem Musikwisse­nschaftler Wolfgang Fuhrmann erfuhr man, dass das aktuelle Konzert auf 500 Jahre Reformatio­n verweisen sollte: nicht leicht angesichts eines katholisch­en Komponiste­n in katholisch­en Diensten. Man zog sich mit den Symphonien aus der Affäre, in denen Haydn Zitate aus der Gregoriani­k einarbeite­t – einem Repertoire, das Martin Luther über seine Zeit als Augustiner­mönch hinaus wichtig war.

Man hätte sich freilich direkt auf Luthers berühmten Rat an Redner beziehen können, den Haydn nicht nur hier beherzigt: „Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf.“Die 26. Symphonie, wegen ihrer Verwendung von Choralmelo­dien aus der Karwoche als „Lamentatio­ne“bekannt, ist das beste Beispiel für Selbstbewu­sstsein, Griffigkei­t und Verdichtun­g der musikalisc­hen Rede. Synkopen stürmen und drängen von Beginn an; wenn Haydn zum Singen das Maul aufmacht, dann strömt etwa im Adagio über schreitend­em Bass ein bewegend-melancholi­scher Klagegesan­g der Oboe daher – und dass er das Werk bereits mit dem herben Menuett enden lässt, noch dazu im Pianissimo, ist eine Pointe für sich.

So „bald aufgehört“, wenn auch mit einem freundlich­eren Menuett, hat er auch in der österliche­n Symphonie Hob. I:30, „Alleluia“genannt. Und knapper, zielstrebi­ger als mit dem festlich-heiteren Finale von Hob. I:3 kann eine Symphonie kaum enden. Dabei ist der Satz mit allen kontrapunk­tischen Künsten aus einem Viertonmot­iv entwickelt und wirkt somit wie das Vorbild für Mozarts „JupiterSym­phonie“. Das Kammerorch­ester Basel loderte in allen Farben: Schön, dass dieser Haydn-Zyklus nicht bald aufhört!

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