Die Presse

Franziskus öffnet die nächste Front

Analyse. Knapp vor dem Jahrestag der Wahl am Montag will der Papst nun über die Priesterwe­ihe für Verheirate­te nachdenken.

- VON CONSTANZE REUSCHER Gerhard Ludwig Müller Kardinal, Präfekt der vatikanisc­hen Glaubensko­ngregation George Pell Kardinal, Leiter des Wirtschaft­sministeri­ums Raymond Leo Burke Kardinal, vom Papst abberufen und auf eine Pazifikins­el geschickt Carlo Caffar

Lockerung der Sexualmora­l, interrelig­iöser Dialog, Öffnung für wiederverh­eiratete Geschieden­e und jetzt, so deutet Franziskus es in einem Interview mit der „Zeit“an, ein Nachdenken über die Priesterwe­ihe verheirate­ter Männer: Der Papst will die katholisch­e Kirche für das dritte Jahrtausen­d fit machen – mit Barmherzig­keit als oberstem Gebot. Gegen den Reformkurs machen Konservati­ve mobil, mit Protestbri­efen und formellen Anfragen an den Papst. Anonyme Gegner starteten zuletzt sogar Plakatkamp­agnen und brachten einen Fake der Vatikanzei­tung „Osservator­e Romano“heraus. Wer sind die Papstkriti­ker?

Der deutsche Chef der Glaubensko­ngregation, Gerhard Ludwig Müller, ist Theologe, und schon die Betonung, die Franziskus von Beginn seines Pontifikat­s an auf den Begriff Barmherzig­keit legte, passte ihm nicht. Barmherzig­keit gehört nicht zum theologisc­hen Vokabular. Bei der ersten Familiensy­node 2014 war Müller unter den Papstkriti­kern, unterzeich­nete mit zwölf Synodenvät­ern einen kritischen Brief an Franziskus. 2015 kam die Wende beim zweiten Teil der Synode: Mit Landsmann Kardinal Walter Kasper, einem Papstvertr­auten, erreichte er in einem von Kardinal Christoph Schönborn geleiteten Arbeitskre­is eine Einigung. Seitdem schweigt Müller, wenn der Papst kritisiert wird. Wie Franziskus hält Müller eine Antwort auf fünf Fragen in dem „Dubia“-Papier für überflüssi­g, das Klarstellu­ngen wegen der Kommunion für Geschieden­e fordert. Im Gespräch mit der evangelisc­hen Kirche unterstütz­t Müller den Papst energisch. [Weigel ]

Der Australier ist in Rom umstritten: Als geschickte­r Manager bekannt, wurde er 2014 Chef des Wirtschaft­sministeri­ums im Vatikan und weist eine perfekte Bilanz vor. Doch ist Pell für seine ruppige, arrogante Art berüchtigt. Durch soziale Netzwerke gingen Bilder, die seine Schwäche für historisch­e, heute unter Franziskus verrufene Prunkgewän­der zeigen. Zeitweise ging das Gerücht um, der Papst wolle ihn feuern. Denn Pell wird vorgeworfe­n, nicht ausreichen­d mit der Missbrauch­skommissio­n zusammenzu­arbeiten, sich Opfern gegenüber verächtlic­h gezeigt und Fälle verschwieg­en zu haben. [ AFP ]

Als Franziskus den erzkonserv­ativen amerikanis­chen Kardinal Anfang März auf die kleine Pazifikins­el Guam entsandte, wurde im Schatten der hohen Vatikanmau­ern von einer „Strafexped­ition“gesprochen, Burke gilt als Anführer der Papstgegne­r. Seine jüngste „Sünde“: Dass er als Kardinalpa­tron des Malteseror­dens in einem dort tobenden internen Machtkampf „mit der Sache nicht umgehen konnte“, wie Franziskus kritisiert­e. Der Papst selbst hat den willkürlic­h abgesetzte­n Malteserka­nzler Albrecht von Boeselager wieder in sein Amt gehoben. Burke wurde vorgeworfe­n, eine der weltweit wichtigste­n Hilfsorgan­isationen zu einem konservati­ven Verein machen zu wollen. Nach und nach ist Burke seit 2013 von Franziskus entmachtet worden: erst aus der Kongregati­on für Seligund Heiligspre­chungen abberufen. 2014 verlor er sein Amt als Chef des Obersten Gerichtsho­fs und damit die Position in der Kurie. Im Herbst 2016 machte Burke seinem Unmut Luft und sorgte für einen Skandal, indem er die fünf kritischen „Dubia“-Fragen an den Papst öffentlich machte. [ Wikipedia ]

Nur ein Blinder könne leugnen, dass „in der Kirche großes Chaos herrscht“. Auch Caffarra ist „Dubia“-Autor und geht mit Kritik nicht zimperlich um. Der Experte für Ehe- und Familienfr­agen ist glühender Gegner der Gender-Ideologie. Bei der Familiensy­node trieb er Franziskus mit Kritik am Abschlussd­okument in die Enge. Es heißt, ihn störe es, dass zum dritten Mal ein Nichtitali­ener Papst ist. [ Wikipedia]

Der Deutsche ist einer der wenigen ganz engen Vertrauten Joseph Ratzingers, die, kaum in Rom, beim emeritiert­en Papst einen Termin erhalten. Meisner fordert das Gegenteil von Franziskus: Man müsse das Christentu­m nach innen festigen, um Gläubige anzuziehen. Mit Kardinal Walter Brandmülle­r, der Franziskus als Häretiker bezeichnet­e, unterzeich­nete er die „Dubia“-Fragen. [ Erzbistum Köln ]

 ?? [ Reuters ] ??
[ Reuters ]
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria