Franziskus öffnet die nächste Front
Analyse. Knapp vor dem Jahrestag der Wahl am Montag will der Papst nun über die Priesterweihe für Verheiratete nachdenken.
Lockerung der Sexualmoral, interreligiöser Dialog, Öffnung für wiederverheiratete Geschiedene und jetzt, so deutet Franziskus es in einem Interview mit der „Zeit“an, ein Nachdenken über die Priesterweihe verheirateter Männer: Der Papst will die katholische Kirche für das dritte Jahrtausend fit machen – mit Barmherzigkeit als oberstem Gebot. Gegen den Reformkurs machen Konservative mobil, mit Protestbriefen und formellen Anfragen an den Papst. Anonyme Gegner starteten zuletzt sogar Plakatkampagnen und brachten einen Fake der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“heraus. Wer sind die Papstkritiker?
Der deutsche Chef der Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, ist Theologe, und schon die Betonung, die Franziskus von Beginn seines Pontifikats an auf den Begriff Barmherzigkeit legte, passte ihm nicht. Barmherzigkeit gehört nicht zum theologischen Vokabular. Bei der ersten Familiensynode 2014 war Müller unter den Papstkritikern, unterzeichnete mit zwölf Synodenvätern einen kritischen Brief an Franziskus. 2015 kam die Wende beim zweiten Teil der Synode: Mit Landsmann Kardinal Walter Kasper, einem Papstvertrauten, erreichte er in einem von Kardinal Christoph Schönborn geleiteten Arbeitskreis eine Einigung. Seitdem schweigt Müller, wenn der Papst kritisiert wird. Wie Franziskus hält Müller eine Antwort auf fünf Fragen in dem „Dubia“-Papier für überflüssig, das Klarstellungen wegen der Kommunion für Geschiedene fordert. Im Gespräch mit der evangelischen Kirche unterstützt Müller den Papst energisch. [Weigel ]
Der Australier ist in Rom umstritten: Als geschickter Manager bekannt, wurde er 2014 Chef des Wirtschaftsministeriums im Vatikan und weist eine perfekte Bilanz vor. Doch ist Pell für seine ruppige, arrogante Art berüchtigt. Durch soziale Netzwerke gingen Bilder, die seine Schwäche für historische, heute unter Franziskus verrufene Prunkgewänder zeigen. Zeitweise ging das Gerücht um, der Papst wolle ihn feuern. Denn Pell wird vorgeworfen, nicht ausreichend mit der Missbrauchskommission zusammenzuarbeiten, sich Opfern gegenüber verächtlich gezeigt und Fälle verschwiegen zu haben. [ AFP ]
Als Franziskus den erzkonservativen amerikanischen Kardinal Anfang März auf die kleine Pazifikinsel Guam entsandte, wurde im Schatten der hohen Vatikanmauern von einer „Strafexpedition“gesprochen, Burke gilt als Anführer der Papstgegner. Seine jüngste „Sünde“: Dass er als Kardinalpatron des Malteserordens in einem dort tobenden internen Machtkampf „mit der Sache nicht umgehen konnte“, wie Franziskus kritisierte. Der Papst selbst hat den willkürlich abgesetzten Malteserkanzler Albrecht von Boeselager wieder in sein Amt gehoben. Burke wurde vorgeworfen, eine der weltweit wichtigsten Hilfsorganisationen zu einem konservativen Verein machen zu wollen. Nach und nach ist Burke seit 2013 von Franziskus entmachtet worden: erst aus der Kongregation für Seligund Heiligsprechungen abberufen. 2014 verlor er sein Amt als Chef des Obersten Gerichtshofs und damit die Position in der Kurie. Im Herbst 2016 machte Burke seinem Unmut Luft und sorgte für einen Skandal, indem er die fünf kritischen „Dubia“-Fragen an den Papst öffentlich machte. [ Wikipedia ]
Nur ein Blinder könne leugnen, dass „in der Kirche großes Chaos herrscht“. Auch Caffarra ist „Dubia“-Autor und geht mit Kritik nicht zimperlich um. Der Experte für Ehe- und Familienfragen ist glühender Gegner der Gender-Ideologie. Bei der Familiensynode trieb er Franziskus mit Kritik am Abschlussdokument in die Enge. Es heißt, ihn störe es, dass zum dritten Mal ein Nichtitaliener Papst ist. [ Wikipedia]
Der Deutsche ist einer der wenigen ganz engen Vertrauten Joseph Ratzingers, die, kaum in Rom, beim emeritierten Papst einen Termin erhalten. Meisner fordert das Gegenteil von Franziskus: Man müsse das Christentum nach innen festigen, um Gläubige anzuziehen. Mit Kardinal Walter Brandmüller, der Franziskus als Häretiker bezeichnete, unterzeichnete er die „Dubia“-Fragen. [ Erzbistum Köln ]