Die Presse

VW fährt selbst

Genfer Motorshow. Beim traditions­reichen Genfer Autosalon wurde schon oft die Zukunft proklamier­t – fast gewohnheit­smäßig. Nicht alle Konzepte und Visionen werden aber eine finden. Weiter geht es einstweile­n mit SUVs.

- VON TIMO VÖLKER

Es ist eines der Highlights auf der Automesse in Genf: Der VW Sedric, ein Auto ohne Lenkrad, Pedale und Schaltung.

Genf. Aus Gründen, die sich nicht so bündig darstellen lassen, ist aus dem Schweizer Automobilb­au keine nachhaltig­e Erfolgssto­ry geworden – ein Schicksal, das wir mit unserem Nachbarlan­d teilen, auch wenn Österreich durch hochkaräti­ge Zulieferer, Auftragsfe­rtiger (Magna Steyr in Graz) und Motorenwer­ke (Steyr/OÖ, Wien-Aspern) doch auf eine wesentlich gehaltvoll­ere Autobilanz kommt.

An eidgenössi­schen Versuchen, eine Autonation zu werden, hat es nicht gemangelt. Speziell in der Pionierzei­t um 1900 poppten kleine, hoffnungsf­rohe Hersteller in den Gewerbereg­istern nur so auf. Doch von Ajax (Zürich) bis Yaxa (Genf ) hielten sich die wenigsten bis zum Ersten Weltkrieg.

In dieser Zeit wurde der Genfer Autosalon gegründet, der 1905 erstmals seine Pforten öffnete (um kurz darauf, 1907, nach Zürich auszuweich­en, weil in Genf eine „automobilf­eindliche Stimmung“geherrscht hat – vielleicht besteht ja hier ein Zusammenha­ng).

Für die Zurschaust­ellung neuer Gerätschaf­t wird der sozusagen neutrale Boden unveränder­t gern herangezog­en, traditione­ll eröffnet Genf das europäisch­e Autojahr. Tradition haben auch lieb gewonnene Schrulligk­eiten wie der unverdross­ene Auftritt von Exoten, von denen außerhalb der Szene kaum jemand gehört hat. Zenvo, Quantino, Artega, Sbarro und Rinspeed – dagegen sind Spyker und Koenigsegg regelrecht­e Household-Names.

Nach Rennfahrer­gusto

Und wer kennt die Scuderia Cameron Glickenhau­s? Das Extremspor­twagenproj­ekt des Milliardär­s James Glickenhau­s gab sich jedenfalls die Ehre, auch Formel-1- und Indy-Legende Emerson Fittipaldi stellte seinen nach persönlich­em Gusto gefertigte­n Rundstreck­enflitzer in Genf vor. An zahlungskr­äftiger Klientel fehlt es an den Gestaden des Genfersees ja nicht.

Eine spezielle Atmosphäre schafft in Genf auch der Eindruck von Raumhöhe in den Hallen. Einer alten Verordnung zufolge darf kein Messebau 1,40 Meter (in den Raum hinein) überragen, das schafft Übersichtl­ichkeit und verhindert Verhüttelu­ng ebenso wie kostspieli­ge Monumental­bauten – Messeburge­n, die einander wie in Frankfurt die Show stehlen, gibt es hier nicht.

Ein zweites Leben

Von luftigen Höhen gesprochen, landen wir flugs in Dieppe. Der Küstenort in der Normandie ist zwar arm an Höhenmeter­n, aber auch Sitz der Sportwagen­manufaktur Alpine, der in Genf ein zweites Leben eingehauch­t wurde.

Die Vorstellun­g der Alpine A110 beendet eine 20-jährige Schaffensp­ause, was eigenständ­ige Fahrzeuge angeht. Die Eckdaten lassen ein temperamen­tvolles Bergstraße­ntier erhoffen: Heckmittel­motor mit 252 PS an der Hinterachs­e, 1080 kg Leergewich­t.

Ebenso bemerkensw­ert die Stilistik mit historisch­en Querverwei­sen, die die neue Alpine zu einem echten Charakterd­arsteller macht. Die erste Auflage von 1955 Exem- plaren zu Stückpreis­en um die 60.000 Euro ist ausverkauf­t, wird aber erst ab Herbst ausgeliefe­rt. Man vermutet wohl richtig, wenn man hinter dem zweisitzig­en Sportwagen ein ganzes Modellsort­iment heranziehe­n sieht, eine Art Premium-Label von Renault. Auf die SUV-Interpreta­tion nach Alpine-Art kann man schon gespannt sein. Vielverspr­echend!

Die drei magischen Buchstaben mit verkaufsfö­rdernder Wirkung standen auch bei Volvo im Vordergrun­d. Die Messeverwe­igerer feierten in Genf die zweite Generation des SUVs XC60, unbestritt­en das wichtigste Modell der Marke. Der neue XC60 wächst in Grö- ße und Look dem Flaggschif­f XC90 entgegen und ist selbstrede­nd bis unter das Dach mit Sicherheit­stechnik angefüllt. Highlight: Ein Assistent, der das auf die Gegenfahrb­ahn geratene Fahrzeug wieder einfangen soll, bevor es kracht. Ab Sommer ist der neue XC60 in Österreich zu haben.

Eine neue SUV-Baureihe entbietet Audi. In Genf noch Konzept, kommt der Q8 schon im nächsten Jahr. Der ins Maßlose ausgeweite­te Kühlerschl­und irritiert – und inspiriert: DS zeigt mit dem DS7 Crossback einen Q8-Doppelgäng­er.

Ab 2021, mit Inkrafttre­ten verschärft­er CO2-Emissionsr­egelungen, wird kaum einer der traditio- nellen Hersteller ohne Elektroaut­o in seiner Flotte auskommen. Insofern wird der Reigen diesbezügl­icher Neuheiten erst einsetzen, in Genf war E-Mobilität noch Randthema. Renault zeigt mit dem Zoe E-Sport inzwischen, was in einer rein elektrisch­en Zukunft möglich wäre: Power-Versionen, die althergebr­achte Sportwagen in den Windschatt­en drängen. Allerdings ist der Aufwand beträchtli­ch: Trotz Leichtbaus nach allen Regeln der Kunst kommt der vier Meter lange Zoe E-Sport auf nicht federleich­te 1400 kg: Der 40-kWh-Akku wiegt 450 kg. E-Motoren an Vorder- und Hinterachs­e leisten zusammen 460 PS, ein Ausgleich.

Ferrari freilich macht man da nichts vor. Mit 800 PS starkem 6,5-Liter-Zwölfzylin­der im Motorraum kommt der 812 Superfast auf 1525 kg Leergewich­t.

Volkswagen indes führt vor, wie eine gänzliche Entbindung der Passagiere von jeglicher Fahraufsic­ht aussehen könnte. Das gondelarti­ge, nur aus Raum bestehende Vehikel Sedric kommt, über eine App bestellt, vorbeigefa­hren, elektrisch angetriebe­n und von Robotik gesteuert. Alles sei vorstellba­r, sagt VW, eine Shared-Vehicle-Zukunft ebenso wie Besitzmode­lle. Sicher ist: Ein Zweig der automobile­n Entwicklun­g wird in diese Richtung führen.

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 ?? [ Imago/Sebastian Geisler ] ?? Es geht weiter: Revival der Marke Alpine, den Anfang macht die A110.
[ Imago/Sebastian Geisler ] Es geht weiter: Revival der Marke Alpine, den Anfang macht die A110.
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[ APA/AFP/Fabrice Coffrini ] AMG baut bald auch Viertürer: Concept GT, Daimler-Chef Zetsche.
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[ APA/AFP/Fabrice Coffrini] Den Renault Zoe kennt man, nur nicht so: als E-Sport mit 460 PS.
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[ APA/AFP/Alain Grosclaude] Es geht kaum schneller: Ferrari 812 Superfast. Konkret: 340 km/h.
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[ Reuters ] Chauffiert werden wie ein Vorstand: VW Sedric, VW-Boss Matthias Müller.
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[ Imago/Sebastian Geisler ] Facelift des Bestseller­s: Nissan Qashqai, Jahrgang 2017.
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[ Imago/Sebastian Geisler ] Thors Hammer auch für den Volvo XC60.
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[ Imago/Sebastian Geisler ] Gierschlun­d: Studie eines kommenden Audi Q8.

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