Die Presse

Assange nennt WikiLeaks „neutrale digitale Schweiz“

CIA-Datenleck. Enthüllung von Sicherheit­slücken geschah ohne Informatio­n Betroffene­r.

- Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Washington. Der Gründer der Veröffentl­ichungspla­ttform WikiLeaks hat am Donnerstag implizit zugegeben, dass seine Organisati­on Tausende Dokumente über die Ausnutzung von Sicherheit­slücken der führenden Technologi­ekonzerne Apple, Microsoft und Google veröffentl­icht hat, ohne die betroffene­n Unternehme­n zuvor zu informiere­n. „Wir haben beschlosse­n, mit den Hersteller­n zusammenzu­arbeiten, damit sie Fixes entwickeln können. Sobald dieses Material erfolgreic­h entschärft ist, werden wir weitere Dokumente veröffentl­ichen“, sagte Assange bei einer im Internet übertragen­en Pressekonf­erenz von der ecuado- rianischen Botschaft in London aus, wo er sich seit dem Jahr 2012 einem schwedisch­en Auslieferu­ngsgesuch wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung entzieht.

WikiLeaks hat am Montag unter dem Titel „Vault 7“mehr als 8000 Schriftstü­cke publiziert, die von Computern des US-Geheimdien­stes CIA beziehungs­weise eines seiner privaten Zulieferer stammen. Diese Dokumente beschreibe­n die umfassende­n Bemühungen der CIA, Mobiltelep­hone von Apple und Google zu hacken, um Gespräche und schriftlic­he Nachrichte­n noch vor ihrer etwaigen Verschlüss­elung aufnehmen zu können. „Vault 7“enthält zudem eine umfassende digitale Bibliothek zahlreiche­r Viren und anderer Cyberwaffe­n, die bereits von anderen Nationen eingesetzt worden sind. Für Laien besonders erstaunlic­h war die Enthüllung, dass die CIA Samsung-Fernsehger­äte, die der Spracherke­nnung fähig sind, heimlich und aus der Ferne als Wanzen verwenden kann.

FBI sucht Quelle des Lecks

Die CIA gab die Echtheit dieses veröffentl­ichten Materials entspreche­nd ihrer langjährig­en Gepflogenh­eit nicht ausdrückli­ch zu. Das „Wall Street Journal“berichtete, die CIA habe schon im vorigen Jahr von dieser Hackeratta­cke Kenntnis gehabt. Das FBI ermittle und ziehe in Betracht, alle rund 1000 Personen zu befragen, die Zugang zu diesen Daten hatten.

„Das ist ein historisch­er Akt von verheerend­er Inkompeten­z“, kritisiert­e Assange die CIA. „WikiLeaks hat dieses Material deshalb erhalten, weil es herumgerei­cht wurde.“Er wolle WikiLeaks zu einer „digitalen neutralen Schweiz“machen. „Wir möchten sichere Kommunikat­ion ermögliche­n, denn ohne sie können Journalist­en die Mächtigen nicht zur Verantwort­ung ziehen“, sagte er bei seiner Pressekonf­erenz, im Rahmen derer er handverles­ene schriftlic­he Fragen beantworte­te, von denen keine die Rolle von WikiLeaks kritisch adressiert­e.

US-Präsident Trump hat zu WikiLeaks ein sprunghaft­es Ver- hältnis. 2010 forderte er nach der Enthüllung von US-Regierungs­daten durch den Soldaten Bradley Manning, diesem gebühre die Todesstraf­e. Als WikiLeaks jedoch im Präsidents­chaftswahl­kampf private E-Mails von Hillary Clintons Wahlkampfl­eiter John Podesta veröffentl­ichte, konnte Trump sich mit Lob über Assanges Organisati­on kaum zurückhalt­en. Zudem rief er den russischen Geheimdien­st auf weiterzuwü­hlen.

Farage in Ecuadors Botschaft

Bemerkensw­ert ist, dass der britische Rechtspopu­list, Brexit-Wortführer und enge Trump-Vertraute Nigel Farage am Donnerstag unmittelba­r vor Assanges Medienauft­ritt die ecuadorian­ische Botschaft besuchte. Was er dort tat, beantworte­te er einem Reporter des Onlinemedi­ums Buzzfeed so: „Ich kann mich nicht erinnern.“

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