13-Jähriger geriet in Mafiafehde
Gericht. Zur falschen Zeit am falschen Ort: Ein 13-Jähriger geriet in Wien in eine Schießerei und wurde lebensgefährlich verletzt. Der Angeklagte bestreitet die Tat.
Wien. Der Fall passt gut in die aktuelle Laiengerichtsdebatte. 17. November 2016 im Straflandesgericht Wien: Die acht Geschworenen, also Laienrichter, erklären den 37-jährigen Serben Slobodan C. einstimmig für „nicht schuldig“. Und zwar nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.
Der dreiköpfige Berufsrichtersenat, geleitet von Richter Andreas Böhm, reagiert prompt: Der Wahrspruch der Geschworenen wird ausgesetzt; das heißt: Die Strafrechtsprofis meinen, dass sich die rechtlichen Laien geirrt haben. C. bekommt keinen Freispruch.
Dann wird die Sache dem Obersten Gerichtshof vorgelegt. Dieser will eine Prozesswiederholung. Gestern, Donnerstag, ist es schließlich soweit: Ein neuer Senat und neue Geschworene befassen sich mit der heiklen Strafsache.
Im Mittelpunkt steht ein zur Tatzeit, Anfang Juli 2015, 13-jähriger Bub. Dieser war mit seinem Vater auf dem Weg zur Donauinsel. Es war ein heißer Badetag. Vater und Sohn waren mit ihren Fahrrädern unterwegs. Plötzlich sackte der Bub vom Rad – ein Schuss aus einer Faustfeuerwaffe hatte ihn in den Bauch getroffen. Er schwebte augenblicklich in Lebensgefahr. Sieben Tage Intensivstation folgten. Der 13-Jährige überlebte.
Auch Zielperson verletzt
Was war geschehen? Laut Anklage hatte es Slobodan C. damals auf eine völlig andere Zielperson abgesehen – auf den Serben Aleksander A. Diesem Mann soll C. auf offener Straße mehrmals nachgeschossen haben. Auch A. (nicht nur der 13-Jährige) wurde von einem Projektil getroffen; Lebensgefahr bestand bei A. aber nicht. Später sagte A. aus, er sei „sicher“, dass C. der Schütze gewesen sei.
Laut Staatsanwalt war C. von Belgrad nach Wien gekommen, um eine offene Rechnung zu begleichen. A. soll bei einem Landsmann Schulden gehabt haben. Diese seien aber nicht beglichen worden. Daher sei C. in Marsch ge- setzt worden, um mit A. (im doppelten Sinne des Wortes) abzurechnen. Die Anklage nimmt also eine typisch mafiose Fehde an.
C., ein auffallend muskulöser Mann, hatte in der November-Verhandlung zum Vorwurf Mordversuch erklärt: „Ich bin kein Krimineller. Ich bin Sportler.“Dabei blieb er: Er habe nicht geschossen, jedoch habe ihm der wahre Täter damals ein Auto überlassen, in dem die Tatwaffe gelegen sei. Diese habe er auf die Straße geworfen. Nun ja, das mit dem mysteriösen Dritten ist auch so eine Sache: Dieser Mann kann nicht mehr befragt werden. Er wurde nach der Schießerei in Belgrad ermordet.
Indessen erwies sich die Tatsache, dass es zwei Verhandlungen gibt, auch als Vorteil. Der Vater des Buben gab nämlich als Zeuge an, er habe beim ersten Prozess die Möglichkeit gehabt, die Bewegungen des Angeklagten zu beobachten. Daher könne er nun sagen, dass „Größe, Statur und Bewegungsablauf zum Täter passen“würden. Das Urteil stand aus.