Kampf um Schulbildung in einem traumatisierten Land
Kambodscha. Die dunkle Vergangenheit lastet noch immer auf dem asiatischen Staat. Ein Kambodschaner und ein Österreicher engagieren sich für eine bessere Zukunft der Kinder.
Wien. Mehr als drei Jahre lang trieben sie ihr blutiges Unwesen. Dann, Anfang 1979, wurden die Roten Khmer von vietnamesischen Truppen aus Kambodscha vertrieben. Laut Schätzungen sind mehr als zwei Millionen Menschen der Terrorherrschaft der Roten Khmer zum Opfer gefallen – der Wahnidee von einer kommunistischen Bauerngesellschaft, die sich bedingungslos dem Willen ihrer Führer unterordnet und in der jedes noch so kleine Abweichen vom vorgeschriebenen Ideal mit dem Tod bestraft wird.
Nach wie vor kämpft Kambodschas Gesellschaft mit den Folgen dieser finsteren Jahre. Die frü- heren US-Bombardements Anfang der 70er-Jahre im kambodschanischen Bürgerkrieg und die späteren Massenmorde durch die Steinzeitkommunisten haben eine ganze Generation tief verwundet. Die Roten Khmer vertrieben die Stadtbewohner aufs Land und töteten Lehrer, Akademiker, Ärzte, Menschen mit Wissen. Im Gesundheits- und Bildungsbereich wurde damals viel Know-how vernichtet.
„Das Erbe der Roten Khmer ist in Kambodscha ein kollektives Trauma. Es gibt noch viele Zeit- zeugen von damals, aber es wird nur wenig darüber gesprochen“, sagt Christian Gsöllradl-Samhaber, Geschäftsführer des Vereins Childrenplanet, der seit 2009 Hilfsprojekte für Kinder in Kambodscha betreut. „Mittlerweile fragen jüngere Menschen aber beharrlich nach, was damals geschehen ist.“
Für ihr Engagement in Kambodscha hat Childrenplanet 2016 den Menschenrechtspreis des Landes Oberösterreich erhalten. „Kambodscha hat bei Bildung viel nachzuholen“, sagt Gsöllradl-Samhaber – und darauf legen auch er und seine Organisation den Hauptfokus. In der Provinz Stung Treng im Norden Kambodschas unterstützt Childrenplanet mehrere Schulklassen und einen Kindergarten. „Stung Treng gehört zu den ärmsten Provinzen Kambodschas. Es gibt dort kaum Bildungsmöglichkeiten. Dazu kommen Trinkwassermangel und Hunger“, erzählt Gsöllradl-Samhaber.
Childrenplanet dockte an ein örtliches Projekt des Kambodschaners Long Lypo an. Gsöllradl-Samhaber hatte ihn 2009 auf einer Reise durch Kambodscha kennengelernt. Es war der Beginn einer engen Freundschaft und Partnerschaft. Der Bauer Long Lypo unterrichtete damals in Eigenregie auf seinem Grundstück im Dorf Reacheanukol Kinder, auch – was ihm besonders wichtig war – in der Fremdsprache Englisch. Er selbst hatte als junger Bursch nur im Geheimen Englisch lernen dürfen, denn während der Roten Khmer und danach der vietnamesischen Besatzung war das verboten. Doch Long Lypo war es das Risiko wert. Er schrieb sich die Vokabeln auf seine Arme und zog sein Hemd darüber, um nicht erwischt zu werden. Und schließlich verschaffte ihm das später einen Job als Übersetzer für die UNO.
Bau eines Wasserreservoirs
Mittlerweile werden an dem Schulstandort bei Stung Treng mehrere hundert Kinder unterrichtet. Es gibt dabei auch Ausbildung in Landwirtschaft. Und ein Wasserreservoir wurde errichtet. Childrenplanet hilft mit Spendengeldern und freiwilligen Helfern aus Österreich, darunter Auslandszivildiener. Auch die Geburtenund Kinderstation im Spital in Stung Treng wird unterstützt.
Es ist Hilfe für ein gleichsam vergessenes Land, in dem vor allem außerhalb der Städte Armut und Mangel an Bildung herrschen. Und das die gewaltige Last einer furchtbaren Vergangenheit auf seinen Schultern zu tragen hat. (w. s.)