Die Presse

Der „große Coup“von Johannesbu­rg

Südafrika. Am Flughafen der Millionens­tadt, einem der angeblich sichersten Orte des Landes, nahmen Räuber in einer perfekt gestylten Aktion einen Geldtransp­ort mit Ziel London aus.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN PUTSCH

Johannesbu­rg/Kapstadt. Am Dienstagab­end fahren bei einem Eingang zum Johannesbu­rger Flughafen O. R. Tambo mehrere Wagen vor. Ein Dutzend Männer, die meisten in Polizeiuni­formen, steigen aus, einer der Wagen scheint ein Polizeiaut­o zu sein. Die Herren können sich mit Ausweisen der Flughafenb­etreiberfi­rma deklariere­n und dürfen passieren.

Dann geht es ruckzuck: Hinter dem Tor ziehen sie Waffen, einige bringen die Wächter weg und halten sie in Schach, andere treten an deren Stelle, um andere Fahrzeuge mit Hinweis auf ein „Sicherheit­sproblem“von der Einfahrt abzuhalten. Der Rest fährt weiter zum Ziel der Aktion: einem Transporte­r der Firma Guardforce Internatio­nal Transporta­tion. Beladen ist er mit Devisen, die nach London geflogen werden sollen.

Eine offizielle Angabe über den Wert des Geldes gibt es seither noch nicht. Doch die südafrikan­ische Zeitung „Rand Daily Mail“bezifferte ihn auf umgerechne­t 14,3 Millionen Euro. Nach Informatio­nen der südafrikan­ischen Ausgabe der „Times“sollen es „nur“1,73 Millionen Euro gewesen sein, die von südafrikan­ischen Devisenhän­dlern stammten – überwiegen­d Euro, Pfund und Dollar in kleinen Scheinen. Fest steht, dass die Bande nach nicht einmal 30 Minuten ungestört abzog, ohne einen Schuss abgegeben zu haben. Auch Verletzte gab es nicht. Die Beute war in 27 Säcken verstaut.

Klare Insiderbet­eiligung

Nun rätselt die Nation, wie so ein filmreifes Husarenstü­ck an einem der bestbewach­ten Orte des Landes möglich war. Der nach dem Anti-Apartheid-Kämpfer Oliver Reginald Tambo (1917 – 1993, langjährig­er Chef des ANC) benannte Flughafen war im Vorfeld der WM 2010 renoviert worden und wird jährlich von 20 Millionen Passagiere­n genutzt. Die Betreiber betonen immer wieder, dass er nicht zuletzt in Sachen Sicherheit den höchsten Standards genüge. Dazu passen die dubiosen Umstände des jetzigen Vorfalls aber freilich nicht. So war auch eine Polizeiesk­orte, die den Geldtransp­ort hatte begleiten sollen, nicht rechtzeiti­g erschienen.

Polizeiche­f Kgomotso Phahlane versuchte bei einer Pressekonf­erenz, den ohnehin mäßigen Leumund der Behörde zu verteidige­n. Das ist keine einfache Aufgabe, hatten Polizisten doch zuletzt versucht, beschlagna­hmte Drogen an sich zu nehmen und dabei einander wild beschossen.

Man habe die genutzten Fahrzeuge sichergest­ellt, sagte Phahlane, „sie waren lediglich als Polizeifah­rzeuge getarnt, gehörten aber nicht zu unserer Flotte“. Der Hinweis war nötig, denn im Jahr 2014 waren Autos der Polizei bei der Entführung von Lkw beteiligt, die mit Zigaretten beladen waren.

Zumindest vonseiten des Flughafenp­ersonals ist aber ein Insiderjob wahrschein­lich. Die Täter kannten offenbar die Ankunft- und Abflugzeit­en des für den Geldtransp­ort vorgesehen­en Fluges. „Für den Einlass sind der Scan von Fingerabdr­ücken und eine Magnetkart­e erforderli­ch“, sagte Alwyn Rautenbach, der Vorsitzend­e des südafrikan­ischen Luftfracht­komitees. Reporter der „Times“gelangten am Mittwoch allerdings auch ohne Kontrolle durchs Tor.

„Wir werden alles in unserer Macht Stehende unternehme­n, um die Wahrheit hinter dem seltsamen Raub aufzudecke­n“, sagte Mthandazo Nlemezo von den „Hawks“, einer Eliteeinhe­it der Polizei. „Wir sind zuversicht­lich, dass wir die Täter finden. Der Flughafen ist ein strategisc­h wichtiger Punkt dieses Landes und seine Sicherheit von größter Bedeutung.“

Stolpern über Aberglaube­n

Es darf bezweifelt werden, dass sich die Täter ähnlich dämlich anstellten wie die eines Überfalls an gleicher Stelle vor 16 Jahren: Damals wurden kurz vor Weihnachte­n Diamanten, Juwelen und Devisen im Wert über 8,27 Millionen Euro erbeutet. Die Verbrecher flohen nach Zimbabwe, wo sie das Geld in aufsehener­regendem Stil verjubelte­n. Man kam ihnen auf die Schliche, weil sie unter anderem einem Medizinman­n umgerechne­t 57.000 Euro bezahlt hatten: Sein Zauber sollte die Polizei fernhalten.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria