Der „große Coup“von Johannesburg
Südafrika. Am Flughafen der Millionenstadt, einem der angeblich sichersten Orte des Landes, nahmen Räuber in einer perfekt gestylten Aktion einen Geldtransport mit Ziel London aus.
Johannesburg/Kapstadt. Am Dienstagabend fahren bei einem Eingang zum Johannesburger Flughafen O. R. Tambo mehrere Wagen vor. Ein Dutzend Männer, die meisten in Polizeiuniformen, steigen aus, einer der Wagen scheint ein Polizeiauto zu sein. Die Herren können sich mit Ausweisen der Flughafenbetreiberfirma deklarieren und dürfen passieren.
Dann geht es ruckzuck: Hinter dem Tor ziehen sie Waffen, einige bringen die Wächter weg und halten sie in Schach, andere treten an deren Stelle, um andere Fahrzeuge mit Hinweis auf ein „Sicherheitsproblem“von der Einfahrt abzuhalten. Der Rest fährt weiter zum Ziel der Aktion: einem Transporter der Firma Guardforce International Transportation. Beladen ist er mit Devisen, die nach London geflogen werden sollen.
Eine offizielle Angabe über den Wert des Geldes gibt es seither noch nicht. Doch die südafrikanische Zeitung „Rand Daily Mail“bezifferte ihn auf umgerechnet 14,3 Millionen Euro. Nach Informationen der südafrikanischen Ausgabe der „Times“sollen es „nur“1,73 Millionen Euro gewesen sein, die von südafrikanischen Devisenhändlern stammten – überwiegend Euro, Pfund und Dollar in kleinen Scheinen. Fest steht, dass die Bande nach nicht einmal 30 Minuten ungestört abzog, ohne einen Schuss abgegeben zu haben. Auch Verletzte gab es nicht. Die Beute war in 27 Säcken verstaut.
Klare Insiderbeteiligung
Nun rätselt die Nation, wie so ein filmreifes Husarenstück an einem der bestbewachten Orte des Landes möglich war. Der nach dem Anti-Apartheid-Kämpfer Oliver Reginald Tambo (1917 – 1993, langjähriger Chef des ANC) benannte Flughafen war im Vorfeld der WM 2010 renoviert worden und wird jährlich von 20 Millionen Passagieren genutzt. Die Betreiber betonen immer wieder, dass er nicht zuletzt in Sachen Sicherheit den höchsten Standards genüge. Dazu passen die dubiosen Umstände des jetzigen Vorfalls aber freilich nicht. So war auch eine Polizeieskorte, die den Geldtransport hatte begleiten sollen, nicht rechtzeitig erschienen.
Polizeichef Kgomotso Phahlane versuchte bei einer Pressekonferenz, den ohnehin mäßigen Leumund der Behörde zu verteidigen. Das ist keine einfache Aufgabe, hatten Polizisten doch zuletzt versucht, beschlagnahmte Drogen an sich zu nehmen und dabei einander wild beschossen.
Man habe die genutzten Fahrzeuge sichergestellt, sagte Phahlane, „sie waren lediglich als Polizeifahrzeuge getarnt, gehörten aber nicht zu unserer Flotte“. Der Hinweis war nötig, denn im Jahr 2014 waren Autos der Polizei bei der Entführung von Lkw beteiligt, die mit Zigaretten beladen waren.
Zumindest vonseiten des Flughafenpersonals ist aber ein Insiderjob wahrscheinlich. Die Täter kannten offenbar die Ankunft- und Abflugzeiten des für den Geldtransport vorgesehenen Fluges. „Für den Einlass sind der Scan von Fingerabdrücken und eine Magnetkarte erforderlich“, sagte Alwyn Rautenbach, der Vorsitzende des südafrikanischen Luftfrachtkomitees. Reporter der „Times“gelangten am Mittwoch allerdings auch ohne Kontrolle durchs Tor.
„Wir werden alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um die Wahrheit hinter dem seltsamen Raub aufzudecken“, sagte Mthandazo Nlemezo von den „Hawks“, einer Eliteeinheit der Polizei. „Wir sind zuversichtlich, dass wir die Täter finden. Der Flughafen ist ein strategisch wichtiger Punkt dieses Landes und seine Sicherheit von größter Bedeutung.“
Stolpern über Aberglauben
Es darf bezweifelt werden, dass sich die Täter ähnlich dämlich anstellten wie die eines Überfalls an gleicher Stelle vor 16 Jahren: Damals wurden kurz vor Weihnachten Diamanten, Juwelen und Devisen im Wert über 8,27 Millionen Euro erbeutet. Die Verbrecher flohen nach Zimbabwe, wo sie das Geld in aufsehenerregendem Stil verjubelten. Man kam ihnen auf die Schliche, weil sie unter anderem einem Medizinmann umgerechnet 57.000 Euro bezahlt hatten: Sein Zauber sollte die Polizei fernhalten.