Stabil in einem instabilen Umfeld
Die Wirtschaftslokomotive läuft auf Hochtouren und lockt Investoren in Scharen an. Vor allem im Bereich Wohnimmobilien zeichnet sich eine interessante Entwicklung ab.
Die Dynamik auf Deutschlands Immobilienmarkt ist derzeit nicht zu überbieten. Entsprechend gespannt blicken die Investoren ins französische Cannes, wo vom 14. bis 17. März mit der Mipim eine der größten Immobilienmessen der Welt über die Bühne gehen wird (siehe auch Seiten F2, F3, F7). In diesem Umfeld stört es auch nicht, dass laut CBRE die britische Hauptstadt, London, zur attraktivsten Stadt für Immobilieninvestitionen gewählt wurde und Berlin „nur“auf dem vierten Platz gelandet ist. „Die Nachfrage nach Investments in Deutschland ist ungebremst hoch, dem steht aber mittlerweile auch ein deutlich teureres Angebot gegenüber“, erklärt Alexander Neuhuber, Geschäftsführer der Magan Holding, der diese Entwicklung schon seit ihren Anfängen beobachtet.
Was Büroimmobilien betrifft, besteht daher für Investoren nur die Möglichkeit, in den sauren Apfel zu beißen und bei CoreProjekten eine geringere Rendite in Kauf zu nehmen oder mehr Risiko einzugehen. „Die Risikobereitschaft der Investoren muss zunehmen, um in Deutschland überhaupt noch investieren zu können“, ist Bruno Ettenauer, Geschäftsführer der Etterra Real Estate GmbH, überzeugt.
Risikobereitschaft heißt, dass Investoren entweder bereit sind, auch in Cityrandlagen beziehungsweise peripheren Teilmärkten zu investieren oder ihre Tätigkeitsfelder zu verlagern. Ettenauer: „Durch die geringen Renditen und das knappe Angebot ist davon auszugehen, dass renditestärkere Assetklassen wie Hotels, Logistik, Spezialimmobilien wie Parkhäuser, Seniorenheime, Studentenheime und weitere Sondernutzungen künftig stärker in den Investorenfokus rücken.“Vor allem Logistikimmobilien sind nicht zuletzt dank des rasanten Wachstums des Onlinehandels gefragter denn je. Laut der Beratungsunternehmen Jones Lang LaSalle (JLL) wurde im Vorjahr in diesem Segment mit einem Transaktionsvolumen von 4,7 Milliarden Euro ein neues Rekordergebnis erzielt. „Eine dritte Möglichkeit ist die Projektentwicklung“, meint Neuhuber. Das erhöhe zwar die Rendite, aber auch das Risiko.
Tendenzen auf dem Wohnungsmarkt
Eine interessante Entwicklung zeigt sich derzeit im Wohnbereich: Die Bevölkerung sortiert sich innerhalb Deutschlands neu. „Schwarmverhalten“, nennt es Harald Simonis von der Empirica AG, deren Präsentation „Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft 2017 des Rates der Immobilienweisen“auf einige Kritik aus der Branche stieß. Empirica hat im Gutachten mit der Aussage für Furore gesorgt, dass die Zuwanderung in Großstädte wie Berlin, München, Hamburg und Frankfurt nachlasse und Kaufpreiseinbrüche um bis zu 33 Prozent möglich seien. Als Grund für das nachlassende Interesse an einigen Großstädten bei gleichzeitigem Anziehen der Bautätigkeit, nennt das Berliner Forschungsinstitut das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Diese Einschätzung beruht auf einem im Gutachten gebrauchten „neuen Maß zur Analyse der Bevölkerungsverschiebung, das nicht von vergangenen Ereignissen überlagert wird“, so Simonis.
Demnach kommt es zu nachlassender Binnenwanderung in die teuren Metropolen. Simons erklärt anhand seiner aktuellen Untersuchungen, warum das so ist: „Junge Menschen sind eine Minderheit geworden – und Minderheiten rotten sich zusammen.“Sie rotten sich dort zusammen, wo sie sich wohlfühlen, wobei dieses Schwarmverhalten selbstverstärkend wirkt.
Entwicklung von Schwarmstädten
Die großen Gewinner würden in den nächsten Jahren die sogenannten Schwarmstädte sein, also (kleine) Metropolen, die aufgrund ihrer Anziehungskraft wachsen und insbesondere kaufkraftstarke, gut ausgebildete Menschen anlocken. „Urbanität, Dichte und Vitalität nimmt mit jedem Umzug in solche Städte zu, woanders ab.“Die Größe der Stadt spiele dabei keine Rolle, eher schon der Preis, wie Neuhuber bestätigt: „Teilmärkte wie das Wohnen kommen insbesondere in den deutschen Millionenstädten preislich mittlerweile an ihre Schmerzgrenze.“Er sieht in diesem Zusammenhang vor allem in den neuen Bundesländern Zukunftspotenzial. Für Simons kommt ein weiterer Aspekt hinzu: „Die jungen Menschen ziehen dorthin, wo es hip ist, und dann nehmen sie auch die Fahrzeit zu ihrer Arbeit in Kauf.“Wichtig sei aber, dass der Ort ein Image habe. Bei einem Blick in die weitere Zukunft gibt er sich allerdings vorsichtig: „Die Hauptwirkung des Schwarmverhaltens steht noch aus – auch die Schwärmer werden älter und sesshaft.“
Aber Deutschland hat auch darüber hinaus noch viel Potenzial. In den Worten Ettenauers: „Deutschland bleibt stabil in einem instabilen Umfeld.“