Die Presse

Frankfurt hängt London ab

Bei den Investoren liegt Frankfurt am Main derzeit in der Gunst vor London. Welche Auswirkung­en der Brexit in beiden Bankenmetr­opolen haben wird, bleibt aber abzuwarten.

- VON KATHRIN GULNERITS

Der Brexit wird die Immobilien­preise heuer in Deutschlan­d so stark anheizen wie nirgendwo sonst in Europa. Dieser Meinung sind zumindest jene 800 Immobilien­experten in 22 Ländern, die für die jährliche „Emerging Trends in Real Estate“Studie von PwC und Urban Land Institute befragt wurden. Demnach liegen aus Investoren­sicht vier der fünf attraktivs­ten europäisch­en Immobilien­standorte in Deutschlan­d: Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main und München. Dagegen stürzt der langjährig­e Hotspot London auf Platz 27 unter 30 untersucht­en europäisch­en Städten ab. „Mit dem bevorstehe­nden Austritt Großbritan­niens aus der EU beginnt eine neue Zeitrechnu­ng auf dem europäisch­en Immobilien­markt“, sagt Susanne Eickermann-Riepe, Partnerin und German Real Estate Leader bei PwC. „Wir beobachten momentan sogar, dass Investoren­gelder, die eigentlich für den britischen Markt eingeworbe­n wurden, stattdesse­n in deutsche Städte fließen.“

Überschaub­arer Schaden

Laut einer Erhebung von Savills fielen in den ersten sechs Monaten 2016 die Investment­umsätze bei Gewerbeimm­obilien in London um mehr als ein Drittel auf 23 Milliarden Pfund. Die Vermietung­sumsätze in der City gingen um mehr als 30 Prozent zurück. Das allein auf den Brexit zu schieben, wäre allerdings falsch, heißt es. Die weiteren Folgen für Londons Immobilien­markt dürften sich in Grenzen halten, sofern der Brexit einigermaß­en ruhig über die Bühne geht. Allerdings könnten die Kaufpreise für Büros um fünf bis zehn Prozent sinken.

Das bestätigen auch die Experten bei BNP Paribas Real Estate in ihrer „Cycology“-Studie. Hier werden Analysen vergangene­r Marktzykle­n und Prognosen mit der Stimmung unter britischen Branchenfü­hrern beziehungs­weise Investoren verknüpft. Demnach wird nicht mit deutlichen Wertverlus­ten auf dem britischen Immobilien­markt infolge des Brexit gerechnet. Die Begründung: Das Investment­volumen wird durch Wechselkur­sveränderu­ngen und Londons Status als sicherer Hafen gestützt. Entwarnung gibt auch Thomas Beyerle, Head of Research bei der Immobilien­gesellscha­ft Catella. „Lon- don ist in Europa traditione­ll der volatilste Markt, der schnell auf Ereignisse reagiert – im Positiven wie Negativen. Den Brexit-Effekt steckt die Stadt sicherlich weg.“

Ein Blick auf den vermeintli­chen Brexit-Profiteur Frankfurt hingegen zeigt: Grund zum Klagen gibt es schon heute nicht. Das Transaktio­nsvolumen lag laut Frühjahrsg­utachten im Vorjahr bei rund 6,4 Milliarden Euro und damit 6,7 Prozent über dem Jahr 2015. Größter Treiber war der Büroimmobi­lienmarkt. Nahezu jeder zweite investiert­e Euro floss in diese Assetklass­e. Auch 2017 soll sich diese Entwicklun­g fortsetzen. Ob der Brexit den Markt zusätzlich beflügelt, ist ungewiss. Beyerle ist skeptisch. „Ehrlich gesagt ist das aktuelle Hoffen, ein Profiteur des Brexit zu sein, immer noch ein Hoffen. Konkrete Pläne gibt es bisher nur sehr vage. Allerdings erwarten wir bis Mitte April Ankündigun­gen der ,Großen‘ – und dann kann es schnell gehen.

Unabhängig davon stellt Peter Ulm, CEO der Projektent­wickler 6B47 mit Sitz in Wien, dem Frankfurte­r Immobilien­markt ein gutes Zeugnis aus. „Der Markt ist definitiv attraktiv und braucht nicht zwingend den Brexit. Die unmit- telbaren Auswirkung­en würde man ohnehin erst frühestens in zwei, drei Jahren merken“, sagt er. Ulm bedauert, dass seine 6B47 derzeit kein Büroprojek­t in der Bankenmetr­opole in Aussicht hat. „Wir würden jederzeit wieder in den Markt gehen, wenn sich innerstädt­isch etwas anbietet.“Die Fühler sind längst ausgestrec­kt. Doch leistbare Grundstück­e in guten Lagen sind rar. „Mit einem neuen Büroprojek­t braucht man sich um die Vermietung keine Sorgen machen“, sagt Ulm.

Auch der Wohnimmobi­lienmarkt läuft auf Hochtouren. Eine neue Eigentumsw­ohnung kostete 2016 im Schnitt 4940 Euro pro Quadratmet­er – dreizehn Prozent mehr als 2015. Wer in ein neu gebautes Wohnhochha­us – rund 20 sollen in den nächsten fünf Jahren entstehen – ziehen will, muss im Eigentum knapp 7000 Euro pro Quadratmet­er auf den Tisch legen. „Das ist schon ziemlich am Limit“, sagt Ulm, der auf dem Frankfurte­r Wohnungsma­rkt bereits einige Projekte realisiert hat.

Neue Lagen gesucht

Im April 2015 wurden gleich vier mit einem Gesamtvolu­men von rund 250 Millionen Euro verkauft. Zuletzt wechselte Ende 2016 der Wohntower Cascada im Europavier­tel den Besitzer. „Wir verfolgen die Politik weg von etablierte­n Lagen, hin zu Zukunftsla­gen“, sagt Ulm. 2013 erwarb das Unternehme­n ein Grundstück in der Bürostadt Niederrad. Im Sommer 2017 ist Baustart für das Wohnprojek­t Green Gate, das an der Stelle der ehemaligen Woolworth-Zentrale errichtet wird. „Vor drei Jahren war das schon mutig hierherzug­ehen. Mittlerwei­le kosten Grundstück­e in vergleichb­arer Lage das Doppelte“, sagt Ulm, der sich als Frankfurt-Fan outet und längst Lust auf mehr hat. „Zwei, drei neue Projekte sind intensiv in der Vorbereitu­ng.“

 ?? [ 6B47] ?? Lukrativer Markt: Den 21-geschoßige­n Wohntower Cascada im Europavier­tel von Frankfurt hat der Projektent­wickler 6B47 im Dezember verkauft.
[ 6B47] Lukrativer Markt: Den 21-geschoßige­n Wohntower Cascada im Europavier­tel von Frankfurt hat der Projektent­wickler 6B47 im Dezember verkauft.

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