Die Presse

Die Post geht nicht mehr so richtig ab

Bilanz. Der Konzern steht wieder gesund da, aber Kummer gibt es genug: weniger Briefe, sinkender Paket-Marktantei­l, Brösel im Ausland, holprige Projekte – und eine Streikdroh­ung.

- VON KARL GAULHOFER

Wien. Was passiert, wenn einem der Wind aus allen Richtungen entgegenbl­äst? Dann kommt man nicht mehr vom Fleck. So ergeht es zurzeit Georg Pölzl. Der Chef der Österreich­ischen Post hat mit einem Megatrend zu kämpfen: Wir schreiben immer weniger Briefe. Im Vorjahr ging der Umsatz in diesem Hauptsegme­nt um 1,6 Prozent zurück. Früher ließ sich das mit dem boomenden Paketgesch­äft noch gut kompensier­en.

Aber seit der Konkurrent DHL aus Deutschlan­d, von wo die meisten Packerln kommen, selbst nach Österreich liefert, verliert die Post an Boden. Innerhalb von zwei Jahren sank ihr Anteil auf dem Hoffnungsm­arkt, der um ein Fünftel wuchs, von knapp 49 auf 44,5 Prozent. Sicher: Kleinere Anlieferer hat der deutsche Blitzkrieg noch stärker getroffen, und bei den Paketen reicht es immerhin für ein Plus von knapp vier Prozent. Aber in Summe gingen die Umsätze im Jahr 2016 leicht zurück, um 0,4 Prozent. Und da ist die deutsche Trans-o-flex schon rausgerech­net – jene verlustrei­che Altlast, die Pölzl erst im Laufe des Vorjahres ganz loswurde.

„Werterhalt­ung“in der Türkei

Auch bei ihrem zweiten Auslandsab­enteuer ist die Post vom Pech verfolgt: In der Türkei läuft ein bizarrer Rechtsstre­it um den 25-Prozent-Anteil an Aras Kargo. Wie per Option vereinbart, möchte die Post ihn um weitere 50 Prozent aufstocken. Das aber will Mehrheitse­igentümeri­n Evrim Aras mit allen Mitteln verhindern, wegen eines Zwists um die Preisforme­l. Im Dezember rief Pölzl ein Schiedsger­icht in Genf an. Zur Causa prima lässt er sich nur eine dürre Formel entlocken: „Die Strategie ist auf Werterhalt­ung gerichtet.“Was wohl heißt: ein Rückzug ohne allzu großen Schaden. Denn ein gedeihlich­es Miteinande­r dürfte kaum noch möglich sein. Neue große Projekte hat Pölzl nicht anzukündig­en. Die vor einem Jahr kräftig getrommelt­e Online-Handelspla­ttform Shöpping, eine Art rot-weiß-rotes Amazon, startet nach langer Testphase erst am 5. April. Anfangs hieß es aus dem Konzern, es seien dafür 30 Mio. Euro geplant. Jetzt ist es jedenfalls nur (mehr) ein Zehntel davon. Die 60 Händler, die bisher mitmachen, sind Pölzl nicht genug: „Das kann nicht das Ende sein.“Freilich sei es ein „Kampf von David gegen Goliath“. Bleibt noch der zweite Anlauf für den E-Brief, einen sicheren elektronis­chen Briefkaste­n für Rechnungen und Dokumente. Wird er diesmal angenommen? Aktivierun­gen gibt es, nach eineinhalb Wochen TVWerbung, zwar schon über 4000. Aber es machen erst neun Versender mit, samt eher kleinen wie der Baubehörde Graz. Also auch noch eher eine Baustelle.

Für die Eigentümer, samt dem 53-Prozent-Aktionär Staat, zählt aber anderes: Die Post konnte auch 2016 ihren Gewinn (Ebit) steigern, um 2,2 Prozent auf 202 Mio. Euro. Somit ist eine etwas höhere Dividende von zwei Euro drin. Aber auch das passt nicht allen: Die Aktionäre würden „wieder überpropor­tional bedient“, während der Druck auf die Mitarbeite­r ständig steige, empört sich die Postgewerk­schaft. Ihr Chef, Helmut Köstinger, droht: „Wenn der Vorstand nicht sofort einlenkt, ist ein Arbeitskam­pf unausweich­lich.“Wohl auch deshalb betont Pölzl, wie wichtig die radikale Reform seit 2009 war: Abbau der Filialen, Umstieg auf Postpartne­r. „Mit der alten Struktur würden wir heute 100 Millionen Miese machen, ich müsste zum Konkursric­hter gehen oder den Staat um Hilfe bitten.“Stattdesse­n stehe das Unternehme­n heute „gesünder denn je“da. Auch wenn das Posthorn, das gute Nachrichte­n verkündet, eher leise tönt.

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