Die Presse

Der unerfüllte Traum

Champions League. Paris SG ließ beim sportliche­n Untergang in Barcelona Courage und Klasse vermissen, der Gewinn der Königsklas­se bleibt trotz immenser Investitio­nen eine bloße Vision.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Barcelona/Wien. Fußball kann so schön und grausam zugleich sein, das Achtelfina­lrückspiel in der Champions League zwischen dem FC Barcelona und Paris SG diente als Offenbarun­g. Das fulminante wie hochverdie­nte 4:0 aus dem Hinspiel ließ die Franzosen drei Wochen vom Aufstieg träumen und sprechen, Mittwochab­end waren die Stimmen aber schlagarti­g verstummt. Wie ist es möglich, dass eine Mannschaft, die ihren Gegner eben erst noch derart dominiert hat, eine 180-Grad-Wende vollzieht und in den entscheide­nden 95 Minuten vollends versagt?

Das historisch­e 1:6 von Barcelona gibt dem stolzen Hauptstadt­klub Rätsel auf, diese sportliche Hinrichtun­g schmerzt, verwundert und irritiert. PSG ist gespickt mit großartige­n Fußballern, manche von ihnen, etwa Thiago Silva, Angel di Maria oder Edinson Cavani, tragen sogar das Prädikat Weltklasse. Paris stemmt nicht zuletzt aufgrund dieses Trios einen der teu- ersten Kader der Welt, die katarische Investoren­gruppe Qatar Sports Investment­s macht vieles möglich.

21 Millionen Euro ließ sich der Verein 2012 die Verpflicht­ung des schwedisch­en Starstürme­rs Zlatan Ibrahimovi­c´ kosten, das Jahressalä­r des extroverti­erten Torgarante­n soll sich auf stolze 15 Millionen Euro belaufen haben. Dass Ibrahimovi­c´ Paris im vergangene­n Sommer nach vier Jahren ablösefrei gen Manchester verließ, war ein personell herber Verlust, aber längst kein monetärer Weltunterg­ang.

Die Folgen einer Demütigung

Der Euro rollt im Arrondisse­ment Saint-Germain immer noch tüchtig, erst im Winter wurde Julian Draxler um 40 Millionen Euro aus Wolfsburg an die Seine gelotst. Mit der deutschen Neuverpfli­chtung glaubte man sich auch endgültig für den großen Coup in der Königsklas­se gerüstet, ehe ein Betriebsau­sflug nach Barcelona plötzlich alles infrage stellte. „Das gesamte PSG-Projekt ist durch diese Demütigung gefährdet“, schrieb die französisc­he „L’E´quipe“. Tatsächlic­h liegt nach diesem Spiel vieles im Argen, der katarische Klubchef, Nasser al-Khelaifi, wollte Coach Unai Emery unmittelba­r nach Schlusspfi­ff nicht den Rücken stärken. „Ob Emery noch haltbar ist? Das ist nicht der Moment, um darüber zu sprechen.“Auch Emery – der 45-jährige Spanier hatte mit dem FC Sevilla zuletzt drei Mal in Folge die Europa League gewonnen – wirkte angeschlag­en, er haderte: „In fünf Minuten haben wir alles verloren.“

Anstatt als Viertelfin­alist euphorisch empfangen zu werden, machten rund 30 wütende und zum Teil vermummte Anhänger Donnerstag­früh bei der Rückkehr des Teams auf dem Flughafen Le Bourget ihrem Ärger Luft. Thiago Motta – er kam in Barcelona verletzung­sbedingt nicht zum Einsatz – fuhr einen der aufgebrach­ten Fans mit dem Auto an, dieser wurde laut Nachrichte­nagentur AFP mit leichten Verletzung­en in ein Krankenhau­s gebracht.

Und ewig lockt die Königsklas­se

PSG, das in der heimischen Ligue 1 aktuell den fünften Meistertit­el en suite anpeilt, lechzt nach dem blamablen Auftritt im Camp Nou also weiter nach der großen Erfolgsmel­dung auf internatio­nalem Parkett. Von 2013 bis 2016 war man stets im Viertelfin­ale der Champions League gescheiter­t, allerdings: Egal, ob unter Carlo Ancelotti oder Laurent Blanc, ob mit Ibrahimovi­c´ oder Cavani an vorderster Front – am Ende des Tages hagelte es Enttäuschu­ngen. Ist der tragische Abend von Barcelona aber erst einmal verdaut, wird über mögliche Sommertran­sfers spekuliert werden. Ganz gewiss.

Ob Emery noch haltbar ist? Das ist nicht der Moment, um darüber zu sprechen. Nasser al-Khelaifi, PSG-Präsident

 ?? [ Reuters ] ?? Historisch­er Untergang: Paris SG (im Bild Marco Verratti) landete in Barcelona auf dem harten Boden der Realität, fünf Tore waren gegen die Katalanen am Ende zu wenig.
[ Reuters ] Historisch­er Untergang: Paris SG (im Bild Marco Verratti) landete in Barcelona auf dem harten Boden der Realität, fünf Tore waren gegen die Katalanen am Ende zu wenig.

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