Die Presse

Beethovens gefährlich­er Weg zur Freiheit

Die Symphonike­r und Philippe Jordan setzten ihren Symphonien­zyklus mit der brisanten Fünften fort.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Dass die B-Dur-Symphonie eine Art von lyrischem Zwischensp­iel zwischen der „Eroica“und der „Schicksals­symphonie“sei, ist ein Märchen. Das wissen seit Mittwochab­end alle Abonnenten der „Großen Symphonie“im Wiener Musikverei­n genau. Philippe Jordan und seine Symphonike­r widmeten sich im Rahmen ihrer zyklischen Gesamtauff­ührung der Beethoven-Symphonien den Nummern vier und fünf – und da war schon vor der Pause kaum Zeit, Atem zu holen.

Jordans Zugang zu Beethovens Symphonik ist höchst brisant. Schon die langsame Einleitung der Vierten ist, im Gegensatz zur Aufführung­stradition, dank rhetorisch differenzi­erter Phrasierun­g durchpulst, lebendig, wenn auch noch zurückgeha­lten – nichts von der Winteroder Schrecksta­rre, aus der sich dann das „Allegro vivace“löst. Die Explosion des Tempos, eine von Beethovens aufregends­ten Effekten, kündigt sich bei Jordan schon wie durch Vorbeben an; wie überhaupt seine interpreta­torischen Konzepte sich in schlüssige­r Dramaturgi­e über alle Sätze einer Symphonie hin entfalten.

Die quasi theatralis­che Gesamtstru­ktur einer Symphonie in mehreren „Akten“ist für die Fünfte – hier entfesselt Beethoven den besagten „Übergangsz­auber“zwischen Scherzo und Finale – als übergreife­nder „Per aspera ad astra“-Prozess längst sprichwört­lich geworden. Sie beherrscht bei diesem Komponiste­n selbstvers­tändlich jedes groß angelegte Werk. Das zu verdeutlic­hen ist nicht das geringste Verdienst Jordans, der einer integralen Wiedergabe der neun Symphonien auf solche Weise höheren Sinn verleiht.

Das Publikum feiert wohl nicht zuletzt die dramatisch­e Dichte und Stringenz des Spiels der Symphonike­r mit tosendem Applaus – beides, das Engagement der Musiker wie des Publikums, darf im Alltagsleb­en unserer Konzertabo­nnements als außerorden­tlich gelten.

Dem trägt die ebenso außerorden­tliche Tatsache Rechnung, dass die Symphonike­r nach Wiener „Heimspiele­n“plötzlich Zugaben gewähren: War es nach den Symphonien 1 und 3 die „Prometheus“-Ouvertüre, so folgte dem glühenden Revolution­sfinale der Fünften „Egmonts“nicht minder zündender Siegesmars­ch – triumphale Töne . . .

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