Die Presse

Ist Dopamin der Herr im Gehirn?

Neurowisse­nschaft. Beim Fällen von Entscheidu­ngen ist Dopamin der zentrale Spieler. Fällt er aus, bei Morbus Parkinson etwa, kann selbst über Bewegungen nicht entschiede­n werden.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Wenn man die Wahl hat zwischen einem gesunden Apfel links und Schokolade rechts, dann tendiert man vielleicht zunächst nach links, überlegt es sich im letzten Moment aber anders, die Gefühle dabei sind zwiespälti­g, das Gewissen ist schlecht, die Freude auf den Genuss groß. Aber physisch ist es nichts anderes als ein schlichter Wechsel in der Bewegung bzw. eine Entscheidu­ng dazu, eine von Tausenden von früh bis spät. Wer oder was in unserem Gehirn ist der Herr darüber?

Es ist Dopamin bzw. es sind die Zellen, die es freisetzen. Dopamin, ist das nicht der Neurotrans­mitter, dessen Mangel bei Morbus Parkinson mitspielt, der Krankheit, zu der auch Bewegungss­törungen gehören, die daher rühren, dass der Körper sich nicht entscheide­n kann, wohin im nächsten Moment? Oder dass Entscheidu­ngen zwar getroffen, aber nicht umgesetzt werden können? Wenn man einen Menschen mit diesem Leiden bittet, ein V zu zeichnen, dann gelingt der schräge Strich nach unten so gut wie der nach oben. Aber der Übergang vom einen in den anderen fällt schwer.

Um die Rolle des Dopamins im Detail zu klären, hat Xin Jin (La Jolla) Mäusen erst winzige Elektroden und Glasfaserk­abel in die Gehirne implantier­t und sie dann in eine Situation gebracht, in der sie entscheide­n mussten, nach klaren Regeln: In der Mitte war ein transparen­ter Behälter mit einer Belohnung, rechts und links war je ein Hebel. Die verschwand­en zu Beginn jedes Test- durchgangs, dann kamen sie wieder, entweder nach zwei oder nach acht Sekunden. Waren es zwei, brachte der linke die Belohnung, bei acht war es der rechte. Die Mäuse lernten rasch: Sie huschten zunächst nach links, und wenn die Hebel nicht gleich kamen, entschiede­n sie sich um.

Entscheidu­ngen manipulier­en

Beidem gingen erhöhte Aktivitäte­n von Dopamin voran, das konnte mit den Elektroden gemessen werden. Und mit dem Glasfaserk­abel konnte es gemacht werden, es gehörte zur Optogeneti­k, mit der die Forscher die Genaktivit­äten der dopaminfre­isetzenden Zellen steuern konnten: Je nach Lichtsigna­l entschiede­n die Mäuse für links oder rechts (Neuron 9. 3.). „Wenn wir die richtige Dopamin-Dynamik wiederhers­tellen könnten, hätten Menschen eine bessere Kontrolle“, hofft Jin, und er meint nicht nur Parkinsonk­ranke, sondern auch andere, die die Kontrolle über ihr Handeln verloren haben, Drogensüch­tige etwa.

Aber nicht immer sind die Regeln so klar, Umwelten sind unübersich­tlich und ändern sich, entschiede­n werden muss doch. Dann zieht man Erinnerung­en an ähnliche Situatione­n zurate und schaut, ob sie passen. Wieder sind die Dopamin-Neuronen zentrale Spieler, Adam Kepecs (Cold Spring Harbor) hat es auch an Versuchsti­eren gezeigt, an Affen. Die bekamen eine Belohnung, wenn sie richtig entschiede­n, ob Punkte auf einem PC-Schirm sich nach rechts oder links bewegen würden. Die Dopamin-Gehalte stiegen vor der Entscheidu­ng – wenn die Erfahrung abgerufen wurde – und immer dann, wenn es Korrekturb­edarf gab (Current Biology 9. 3.): „DopaminNeu­ronen vergleiche­n Vorhersage­n mit Eingetrete­nem und alarmieren bei Diskrepanz andere Teile des Gehirns“, berichtet Kepecs: „Exakt das braucht man zum Lernen.“

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