Deutschlands Atombombe und Österreichs Neutralität
Dank Donald Trump wird Österreichs Neutralität obsoleter denn je zuvor. Umso problematischer ist, was Verteidigungsminister Doskozil von sich gegeben hat.
Hans Peter Doskozil (SPÖ) ist ganz zweifellos ein tüchtiger Ressortchef und durchaus eine Bereicherung dieser Regierung. Innerhalb kurzer Zeit ist es dem Verteidigungsminister gelungen, nicht nur zusätzliche Budgetmittel für das Bundesheer bereitzustellen, sondern auch das Selbstbewusstsein der Streitkräfte zu stärken. Das ist, vor allem im Vergleich zu seinen unseligen Vorgängern, nicht nichts.
Vor allem aber hat der Minister begriffen, dass auf der politischen Prioritätenliste der Bevölkerung nicht weitere multikulturelle Bereicherung ganz oben steht, sondern ein stark gestiegenes Bedürfnis nach Sicherheit. Dass Doskozil dieses Sehnen nach Sicherheit durchaus auch mit einem Schuss Dem-Volk-aufs-MaulSchauen für sich urbar macht, ist in der Politik legitim – und hat ihm geholfen, einer der beliebtesten Politiker des Landes zu werden. Nicht ganz auszuschließen, dass sich die SPÖ dereinst fragen wird, ob der heute 46-Jährige nicht auch Kanzler kann.
Umso befremdlicher und problematischer ist freilich, was Doskozil jüngst von sich gegeben hat. Weil derzeit über eine stärkere militärische Integration der EU-Staaten diskutiert wird, sah er sich genötigt, dem eine massive Abfuhr zu erteilen. „Eine Beteiligung Österreichs an einer EU-Armee ist mit der Neutralität nicht vereinbar, ein Aushöhlen der Neutralität kommt mit Sicherheit nicht infrage“, sagte er der „Kronen Zeitung“. Auch „Beistands- und Beitragsautomatismen“lehnte er dezidiert ab.
Nun ist Österreichs Neutralität bis auf die äußere Hülle durch und durch ausgehöhlt. Und eine europäische Armee wird es, so wie die Dinge stehen, vermutlich auch noch nicht geben, wenn Doskozil längst seinen Ruhestand genießt. Bis zu einem gewissen Grad haben wir es also mit einem Sturm im Wasserglas zu tun, der Doskozils Beliebtheit im neutralitätsbesoffenen Österreich freilich weiter mehren wird. Was ja wohl auch der Sinn der Übung war.
Seriös sieht freilich anders aus. Österreichs Neutralität ist nämlich in Wahr- heit obsoleter denn je und hat herzlich wenig Zukunft. Denn nicht zuletzt angesichts der verbalen Entmannung des westlichen Verteidigungsbündnisses Nato durch den neuen US-Präsidenten, Donald Trump, wird die EU – inklusive Österreich natürlich – in den nächsten Jahren gezwungen sein, erwachsen zu werden und ihre Landesverteidigung autonom zu gestalten. Notfalls eben auch ohne die Vereinigten Staaten.
Würde das, aus welchen Gründen auch immer, unterlassen, wird es früher oder später westlich von Russland nur noch Vasallenstaaten Moskaus geben – eine wenig erbauliche Vorstellung. Dass es dabei nicht um irgendwelche akademischen Hirngespinste geht, zeigt unter anderem die Tatsache, dass angesichts dieser geostrategischen Zeitenwende in der Debatte in Deutschland eines der letzten Nachkriegstabus gebrochen wird: die Frage nach der Notwendigkeit einer deutschen Atombombe, sollten die USA ihren nuklearen Schutzschirm tatsächlich schließen.
Es dürfe da „keinerlei Tabus“geben, preschte jüngst ein außenpolitischer Sprecher der Kanzlerpartei CDU vor. Unterstützt wurde er von der „FAZ“, wonach das „für ein deutsches Gehirn Undenkbare“– eine eigene Atomstreitmacht – gedacht werden müsse.
Sicher ist: Die EU-Staaten werden künftig militärisch wesentlich enger miteinander verflochten werden müssen als bisher, ob das nun EU-Armee heißt oder nicht. Das wird nicht nur verdammt viel Geld, sondern vor allem viel Souveränität kosten. Und natürlich wird es auch die von Doskozil abgelehnten Beistandsund Beitragsautomatismen brauchen. All das wird auch mit einer noch weiter ausgehöhlten Neutralität nicht gehen – also wird die früher oder später endgültig fallen müssen.
Der Bevölkerung das zu verschweigen und weiter vorzugaukeln, die Neutralität biete noch irgendeinen Schutz, mag populär sein – seriös ist es nicht.