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Leitartike­l von Dietmar Neuwirth

- VON DIETMAR NEUWIRTH E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

Wir erleben eine verkehrte Welt. Am Donnerstag hat in Wien Hans Peter Hurka einen Solidaritä­tsaufruf für Papst Franziskus vorgestell­t. Nicht alle außerhalb des katholisch­en österreich­ischen Mikromilie­us werden wahrschein­lich mit dem Namen Hurka sofort etwas anzufangen wissen. Aber der Mann war immerhin Chef der Plattform „Wir sind Kirche“, die früher durch Kritik und Reformford­erungen in Richtung Rom auffällig geworden ist. Jetzt tritt Hurka als besonders engagierte­r Verteidige­r Roms auf.

Dabei ist das schon zu viel gesagt. Denn verteidigt wird allein Papst Franziskus – gegen die mangelnde Unterstütz­ung sowie offene oder verdeckte Gegnerscha­ft in der vatikanisc­hen Kurie und unter den Bischöfen weltweit. Nicht die Liberalen, wie die nach Reformen in der Kirche Strebenden verkürzt, aber nicht komplett falsch tituliert werden, haben einen Sinneswand­el vollzogen. Am Montag geht das vierte Jahr des Pontifikat­s von Franziskus zu Ende. Seit seinem Amtsantrit­t versucht dieser ohne erkennbare Ermüdungse­rscheinung­en, Reformen in der katholisch­en Kirche und für diese durchzufüh­ren oder wenigstens anzustoßen. Sein neuester Vorstoß erfolgte am Donnerstag. In einem breit angelegten Gespräch mit Giovanni di Lorenzo für die Wochenzeit­ung „Die Zeit“verlangt der Papst ein Nachdenken über die Weihe verheirate­ter Männer zu Priestern. Das Nennen von Frauen in diesem Zusammenha­ng ginge offenbar selbst Franziskus zu weit.

Wörtlich sagt der Bischof von Rom im Zusammenha­ng mit dem Rückgang der Zahl von Priestern besonders in Europa und der Betonung der Bedeutung der Eucharisti­e, die nur von einem Priester gefeiert werden kann: „Eine Kirche ohne Eucharisti­e hat keine Kraft.“Um später fortzusetz­en: „Wir müssen darüber nachdenken, ob Viri probati (verheirate­te Männer; Anm.) eine Möglichkei­t sind.“

Das mag schön und gut klingen, nur sei die nüchterne Frage erlaubt: Mit wem gedenkt der Papst eigentlich darüber nachzudenk­en? Mit dem Präfekten seiner Glaubensko­ngregation, dem konservati­ven (schon wieder eine dieser nicht komplett falschen Etikettier­ungen) Gerhard Ludwig Müller, für den wahrschein­lich kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht den freiwillig­en Rückzug seines Freundes und Förderers Joseph Ratzinger vom Papstsesse­l bedauert. Schon bei der gelockerte­n Linie gegenüber Geschieden­en, die noch einmal geheiratet haben, versagte Müller, einer der wichtigste­n Gegenspiel­er des Papstes, diesem die Gefolgscha­ft. Wenn es ihm gerade danach ist, warnt Müller auch schon einmal vor einer Spaltung der katholisch­en Kirche. S paltung muss für die Hierarchie einen harten, einen bedrohlich­en Klang haben. Dabei existiert ein beträchtli­cher Spalt innerhalb der katholisch­en Kirche ohnedies nicht erst seit gestern. Nur besteht anders als in der PräFranzis­kus-Ära diesmal eine Kluft zwischen dem Papst und der Basis auf der einen und der Kurie sowie manchen Bischöfen auf der anderen Seite.

Wo bleibt denn da plötzlich die Papsttreue, gerade jener, die gleichsam von Amts wegen dazu besonders verpflicht­et sind und darin Vorbild für alle anderen Katholiken sein sollten, die Kardinäle und Bischöfe also? Gerade das Einfordern der Treue zum Papst wurde in der Vergangenh­eit von Theologen und Laien bis zum Exzess verlangt, die es gewagt haben, den Kurs Roms nur einen Millimeter verändern zu wollen.

Am Montag jährt sich also der Tag der Bestellung Jose´ Mario Bergoglios im fünften Wahlgang des Konklaves. Am Montag nächster Woche treffen in der Propstei St. Gerold im Großen Walsertal auch alle Bischöfe Österreich­s zu ihrer mehrtägige­n Frühjahrsv­ollversamm­lung zusammen. Dort wäre es eine gute Gelegenhei­t, den Vorstellun­gen von Franziskus zum Weg der Kirche volle Unterstütz­ung zu leisten und vielleicht (man wird ja noch träumen dürfen) sogar weiterführ­ende Reformvors­chläge zu machen. Ideen und Beispiele aus Praxis und Theologie gibt es hinreichen­d. Wie lang dauert es, bis die Bischöfe weltweit von Franziskus endlich wachgerütt­elt sind? Ohne kraftvolle Unterstütz­ung für ihn wird das nichts.

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