Diät im roten Schlaraffenland
SPÖ. Das Denkunmögliche wird möglich: Bei den roten Wiener Stadtwerken wird rationalisiert. Und zwar in den üppig besetzten Führungsetagen und bei sinnlosen Tochtergesellschaften.
Das Denkunmögliche wird tatsächlich möglich: Bei den roten Wiener Stadtwerken wird rationalisiert.
Das Konzept hat es in sich. Seit dem vergangenen Oktober hat die Konzernspitze evaluiert, geprüft und hinterfragt – herausgekommen ist so etwas wie eine Zäsur: Es wird gravierende personelle Einschnitte im Unternehmen geben. So weit, so gewöhnlich: In Zeiten wie diesen sparen Konzerne ja gut und gern beim Personal. Trotzdem ist dieser Fall höchst ungewöhnlich. Gespart wird nämlich bei den Wiener Stadtwerken. Die sind gleichsam das wirtschaftliche Herzstück des roten Wien – so etwas wie sein Postengenerator. Das war einmal. Jetzt soll der Rotstift in den mehr als üppig besetzten Führungsetagen des Konzerns eingesetzt werden.
Speck wird es in dem gigantischen kommunalen Infrastrukturdienstleister natürlich immer noch reichlich geben. Aber man soll ja nicht undankbar sein. Denn seitdem SPÖ-Stadträtin Ulli Sima vor über einem Jahr die Verantwortung für die Stadtwerke von SPÖFinanzstadträtin Renate Brauner übernommen hat, weht in dem Konglomerat durchaus ein neuer Wind. Kein Orkan, wohlgemerkt, aber immerhin eine steife Brise.
Im Oktober hat Sima jedenfalls dem vierköpfigen Stadtwerke-Vorstand gleich einmal mitgeteilt, was Sache ist: Sie forderte vom Vorstand ein Sparkonzept. Und der hat jetzt geliefert. Am 19. April soll der Plan vom Aufsichtsrat abgesegnet werden.
Schritt eins bringt schon einmal ein Novum: Der Holding-Vorstand wird ab Ende 2018 nur mehr mit zwei Mitgliedern auskommen müssen. Robert Grüneis, bisher für die Wien Energie zuständig, musste sich bereits im Februar verabschieden. Seine Kollegin, Gabriele Domschitz, wird Ende 2018 in Pension gehen. Übrig bleiben werden dann nur mehr Martin Krajcsir und Peter Weinelt. Sima im Gespräch mit der „Presse“: „Die beiden werden sich auch aus dem operativen Bereich zurückziehen und als Holdingvorstände ausschließlich die strategische Linie vorgeben.“
Da wird wohl trotzdem noch genügend Arbeit übrig bleiben, denn die Wiener Stadtwerke vereinen unter ihrem Dach die Wien Energie, die Wiener Netze, die Wiener Linien und die Bestattung. Und das sind bloß die großen, der breiten Wiener Öffentlichkeit bekannten Unternehmen. Insgesamt tummeln sich im Reich der Stadtwerke 85 Firmen. Sie beschäftigen rund 160 Geschäftsführer und Prokuristen – bei insgesamt rund 16.000 Mitarbeitern.
Simas Vorgabe war, auch bei diesen zahlreichen Tochterunter- nehmen mitsamt deren generös besetzten Chefetagen anzusetzen. Ein kleiner Schritt beim Einsparen, ein gigantischer für die Wiener Stadtwerke: Laut Konzept sollen von den insgesamt 160 Posten bis Ende nächsten Jahres 23 Geschäftsführer und 40 Prokuristen eingespart werden. Sima: „Ich bin ein Fan vom Modell: ein Geschäftsführer/ein Prokurist. Da wird das Vier-Augen-Prinzip gewahrt, da gibt es klare Entscheidungen und klare Verantwortungen.“Nachsatz: „Versuchen Sie doch einmal, ein Schiff zu viert zu steuern.“
Lassen wir das lieber. Und doch hatte die Wiener Stadtregierung in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten offenbar ein richtiges Faible für viele Kapitäne. Und für viele Tochtergesellschaften. Die unter dem Dach der Stadtwerke angesiedelte Wien Energie zählt drei Geschäftsführer und zwölf Prokuristen. Und 14 Tochtergesellschaften, die allesamt natürlich ebenfalls mit Führungskräften versehen wurden. Die Wiener Netze, die die Leitungen für Strom- und Gaslieferungen bereitstellen, verfügen ebenfalls über drei Geschäftsführer und zwölf Prokuristen. Dafür gibt es dort wenigsten nur drei Tochtergesellschaften.
Die B&F – Bestattung und Friedhöfe GmbH findet immerhin mit zwei Geschäftsführern und drei Prokuristen das Auslangen. Dafür zählt sie zehn Tochterunternehmen. Und die Wiener Linien beschäftigen drei Geschäftsführer und vier Prokuristen. Weiters verfügt das Unternehmen, das für den öffentlichen Verkehr zuständig ist, über Tochter- und Enkeltochterunternehmen mit jeweils bis zu drei Geschäftsführern.
In dem roten Schlaraffenland sind jetzt aber kargere Zeiten angesagt. Von den insgesamt 85 Unternehmen sollen 13 bis 22 aufgelöst werden. Ulli Simas Devise: „Dort, wo es möglich ist, sollen Führungsfunktionen komplett eingespart werden. Dort, wo es Doppelfunktionen gibt, wird eine Funktion gestrichen.“
Na bitte, geht doch. Aber warum nicht schon früher? Sima: „Der Stadtwerke-Vorstand hat ein gutes Konzept erarbeitet. Aber er hat dafür schlicht und einfach politische Rückendeckung gebraucht.“Die hat es von der vorher zuständigen Stadträtin offenbar nicht gegeben. Im Gegenteil: Die Wiener Stadtwerke wurden nur allzu gern als Möglichkeit gesehen, verdiente Parteifreunde karrieretechnisch unterzubringen.
Bleibt jetzt nur die Frage, ob das nun vorliegende Konzept alles gewesen ist. Oder ob da noch mehr kommt. Das ist natürlich im roten Wien immer noch eine höchst sensible Angelegenheit: Rationalisierungen bei den Mitarbeitern, beim möglichen Wählervolk also, werden da traditionell vermieden, um niemanden zu vergrämen. Und bei den Stadtwerken, in denen Magistratsbeamte und Betriebsräte regieren, erst recht. Trotzdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass mit den Einsparungen auf Führungsebene zunächst mit gutem Beispiel vorangegangen werden soll. Um weitere Schritte zu ermöglichen?
Man wird sehen. Stadträtin Sima begnügt sich (offiziell) vorerst damit, Vorgaben für die Performance von Stadtwerke-Töchtern zu machen. Die da wären: Bei den Wiener Linien soll der ziemlich unübersichtlich aufgeteilte Kundendienst in eine Hauptabteilung zusammengefasst werden. Im Herbst geht dort der dritte Geschäftsführer in Pension, er soll nicht nachbesetzt werden. Sima sieht das grundsätzlich als „Gelegenheit, das Unternehmen neu zu ordnen“. Und für die Wien Energie hat sie die Order ausgegeben, den Vertrieb schlagkräftiger und konkurrenzfähiger zu machen. „Wir brauchen offensive Strategien, um verlorene Kunden zurückzuholen“, sagt sie.
Verlorene Kunden wieder ins Boot holen? Konkurrenzfähig werden? Auch das ist im roten Wien eine echte Zäsur. Man wird ja genügsam.