Die SPÖ sei auf dem richtigen Weg, sagt Hans Niessl. Fehlten nur noch Vermögenssteuern. Und Strafen für Österreicher mit türkischem Pass.
Interview.
Die Presse: Ein Abgeordneter der türkischen AKP will am Samstag (heute, Anm.) einen Wahlkampfauftritt in Linz absolvieren. Was würden Sie tun, wenn das nicht Linz, sondern Eisenstadt wäre? Hans Niessl: Ich halte Wahlkampfauftritte von Parteien oder Organisationen, die demokratische Strukturen ablehnen, für problematisch. Das geht aus meiner Sicht nicht.
Die AKP gehört da dazu? Die fällt in diese Kategorie.
Wie wollen Sie solche Auftritte unterbinden? Ich halte es da mit Kanzler Kern. Es braucht eine europäische Lösung, die Kriterien für ausländische Politiker, die in der EU auftreten wollen, definiert: Sie müssen die Demokratie akzeptieren, unsere Werte, die Gleichstellung der Frau, die Trennung von Religion und Staat.
Im Fall der AKP gibt es noch ein dahinterliegendes Problem: Viele Austro-Türken haben illegalerweise auch die türkische Staatsbürgerschaft und sind deshalb in der Türkei wahlberechtigt. Das ist ein Riesenproblem und gehört rasch abgestellt. Ich weiß, dass das schwierig ist, aber wir müssen alles daransetzen, um diese Dunkelziffer aufzuklären. Das heißt: mit großem Aufwand kontrollieren.
Und dann? Wir sind ein Rechtsstaat und können Missbrauch nicht akzeptieren: Diesen Personen muss man die Staatsbürgerschaft aberkennen.
Innenminister Wolfgang Sobotka geht in seinem Gesetzesentwurf über ein Auftrittsverbot für ausländische Politiker hinaus. Er will Demos generell untersagen kön- nen, wenn in Interessen Dritter – etwa von Geschäftsleuten – eingegriffen wird. Wie finden Sie das? Die Demonstrationsfreiheit ist ein hohes Gut der Demokratie, da muss man vorsichtig sein. Ich halte Sobotkas Pläne für überzogen.
Gehören Sie innerhalb der SPÖ auch zu den Sobotka-Kritikern? Wir im Burgenland arbeiten gut mit ihm zusammen. Das ist uns wichtig, weil wir das sicherste Bundesland bleiben wollen. Das Demonstrationsrecht ist bei uns kein großes Thema, weil es kaum Demos gibt. Außer vielleicht, wenn RotBlau angelobt wird. Dann kommen ungefähr fünf, sechs Personen.
Weniger gut ist wieder einmal das Koalitionsklima. Sind Sie diesen ewigen Streit nicht schon leid? Ich wünsche mir, dass das modifizierte und aus meiner Sicht sehr gute Regierungsprogramm bis zum Wahltermin im Herbst 2018 umgesetzt wird. Aber natürlich muss man die Meinungsverschiedenheiten dahingehend interpretieren, dass die Zusammenarbeit bis dorthin sehr schwierig wird.
Wann, glauben Sie, wird gewählt? Ich glaube, dass das durchaus früher sein könnte.
Auch schon heuer? Ich hoffe nicht. Aber man kann in der Politik nie etwas ausschließen. Danach soll es aber keine SPÖÖVP-Regierung mehr geben – oder sind Sie da offen? Es gibt diese Koalition schon sehr, sehr lange, und ich glaube nicht, dass sich die Wähler noch immer nach ihr sehnen.
Sie auch nicht, wenn ich das richtig heraushöre. Es ist nicht unrichtig, was Sie da heraushören. Wenn ich mir den Herrn Lopatka ansehe, dann ist die Freude enden wollend, mit ihm wieder in einer Koalition zu sein.
Würden Sie der SPÖ auch im Bund Rot-Blau ans Herz legen? Ich habe da überhaupt nichts ans Herz zu legen. Ich bin für Koalitionskriterien. Dass Antisemitismus und Rassismus klar abzulehnen sind, steht auch im burgenländischen Regierungspakt. Darüber hinaus ist mir die Verteilungsgerechtigkeit sehr wichtig. Das muss eine zentrale Bedingung der SPÖ sein.
Womit wir also wieder bei den Vermögenssteuern wären. Wir sollten mit der größten Ungerechtigkeit beginnen: Großkonzerne zahlen keine Steuern in der EU, obwohl sie Leistungen des Staates in Anspruch nehmen. Wer versteht das? Das kann doch nicht sein.
Die Konzerne entgegnen, dass sie eben viele Arbeitsplätze schaffen. Die kleinen Unternehmen im Bur- genland schaffen auch viele Arbeitsplätze und zahlen brav Steuern. Das Grundübel unserer Gesellschaft ist die Ungerechtigkeit. Wenn die Leute das Gefühl haben, dass es nicht gerecht zugeht, verlieren sie das Vertrauen in die Politik. Dann wählen sie entweder eine Protestpartei oder gar nicht mehr.
Die Konzernbesteuerung ist ein EU-Thema. Was kann, was soll die SPÖ auf nationaler Ebene tun? Sie sollte sich für eine moderate Erbschafts- und Vermögenssteuer einsetzen, jeweils ab einer Million Euro. Ich will niemanden schröpfen. Auch ich habe Steuern bezahlt, als ich von meinen Eltern etwas geerbt habe. Das war in Ordnung. Bei Betriebsübergaben müssten wir natürlich aufpassen: Die Erbschaftssteuer darf nicht dazu führen, dass der Betrieb schließen muss. Deutschland hat das gut gelöst.
Macht Christian Kern einen besseren Job als Werner Faymann?
ist seit Dezember 2000 Landeshauptmann des Burgenlandes. Seine politische Karriere begann der heute 65-Jährige als Bürgermeister von Frauenkirchen. Mit der Landtagswahl 2015 wurde im Burgenland der Proporz abgeschafft. Seither regiert Niessl mit den Freiheitlichen. In Teilen der SPÖ sorgte das für scharfe Kritik. Es wäre nicht fair, die beiden zu vergleichen. Faymann war acht Jahre Kanzler, Kern ist ein knappes Jahr im Amt. Faymann hat Österreich gut durch die Krise geführt. Kern verkörpert einen anderen politischen Stil und vertritt Dinge, die Faymann nicht vertreten konnte.
Weil es die SPÖ nicht erlaubt hat? Kerns Plan A beinhaltet Positionen, die in der SPÖ vor zwei Jahren nicht mehrheitsfähig waren. Als ich das erste Mal Grenzkontrollen gefordert habe, ist die Medienwelt über mich hergefallen. Als Franz Voves und ich die Integrationsunwilligkeit kritisiert haben, ist ganz Österreich über uns hergefallen. Kern hat sich hier richtig positioniert. Vielleicht hat sich die SPÖ zu lange mit Randthemen beschäftigt. Das ist zwar auch wichtig. Aber wer sich nicht mit Mehrheitsthemen beschäftigt, gewinnt keine Wahlen.
Ihre Generation ist gerade dabei, in Pension zu gehen: Erwin Pröll, Josef Pühringer, eventuell Michael Häupl. Tut Ihnen das leid? Natürlich ist Wehmut dabei. Ich schätze alle drei sehr.
Sie sind noch nicht amtsmüde? Überhaupt nicht. Mir macht das noch immer großen Spaß.
Werden Sie 2020 noch einmal kandidieren? Davon gehe ich, Stand heute, aus.