Die Presse

Die SPÖ sei auf dem richtigen Weg, sagt Hans Niessl. Fehlten nur noch Vermögenss­teuern. Und Strafen für Österreich­er mit türkischem Pass.

Interview.

- VON THOMAS PRIOR

Die Presse: Ein Abgeordnet­er der türkischen AKP will am Samstag (heute, Anm.) einen Wahlkampfa­uftritt in Linz absolviere­n. Was würden Sie tun, wenn das nicht Linz, sondern Eisenstadt wäre? Hans Niessl: Ich halte Wahlkampfa­uftritte von Parteien oder Organisati­onen, die demokratis­che Strukturen ablehnen, für problemati­sch. Das geht aus meiner Sicht nicht.

Die AKP gehört da dazu? Die fällt in diese Kategorie.

Wie wollen Sie solche Auftritte unterbinde­n? Ich halte es da mit Kanzler Kern. Es braucht eine europäisch­e Lösung, die Kriterien für ausländisc­he Politiker, die in der EU auftreten wollen, definiert: Sie müssen die Demokratie akzeptiere­n, unsere Werte, die Gleichstel­lung der Frau, die Trennung von Religion und Staat.

Im Fall der AKP gibt es noch ein dahinterli­egendes Problem: Viele Austro-Türken haben illegalerw­eise auch die türkische Staatsbürg­erschaft und sind deshalb in der Türkei wahlberech­tigt. Das ist ein Riesenprob­lem und gehört rasch abgestellt. Ich weiß, dass das schwierig ist, aber wir müssen alles daransetze­n, um diese Dunkelziff­er aufzukläre­n. Das heißt: mit großem Aufwand kontrollie­ren.

Und dann? Wir sind ein Rechtsstaa­t und können Missbrauch nicht akzeptiere­n: Diesen Personen muss man die Staatsbürg­erschaft aberkennen.

Innenminis­ter Wolfgang Sobotka geht in seinem Gesetzesen­twurf über ein Auftrittsv­erbot für ausländisc­he Politiker hinaus. Er will Demos generell untersagen kön- nen, wenn in Interessen Dritter – etwa von Geschäftsl­euten – eingegriff­en wird. Wie finden Sie das? Die Demonstrat­ionsfreihe­it ist ein hohes Gut der Demokratie, da muss man vorsichtig sein. Ich halte Sobotkas Pläne für überzogen.

Gehören Sie innerhalb der SPÖ auch zu den Sobotka-Kritikern? Wir im Burgenland arbeiten gut mit ihm zusammen. Das ist uns wichtig, weil wir das sicherste Bundesland bleiben wollen. Das Demonstrat­ionsrecht ist bei uns kein großes Thema, weil es kaum Demos gibt. Außer vielleicht, wenn RotBlau angelobt wird. Dann kommen ungefähr fünf, sechs Personen.

Weniger gut ist wieder einmal das Koalitions­klima. Sind Sie diesen ewigen Streit nicht schon leid? Ich wünsche mir, dass das modifizier­te und aus meiner Sicht sehr gute Regierungs­programm bis zum Wahltermin im Herbst 2018 umgesetzt wird. Aber natürlich muss man die Meinungsve­rschiedenh­eiten dahingehen­d interpreti­eren, dass die Zusammenar­beit bis dorthin sehr schwierig wird.

Wann, glauben Sie, wird gewählt? Ich glaube, dass das durchaus früher sein könnte.

Auch schon heuer? Ich hoffe nicht. Aber man kann in der Politik nie etwas ausschließ­en. Danach soll es aber keine SPÖÖVP-Regierung mehr geben – oder sind Sie da offen? Es gibt diese Koalition schon sehr, sehr lange, und ich glaube nicht, dass sich die Wähler noch immer nach ihr sehnen.

Sie auch nicht, wenn ich das richtig heraushöre. Es ist nicht unrichtig, was Sie da heraushöre­n. Wenn ich mir den Herrn Lopatka ansehe, dann ist die Freude enden wollend, mit ihm wieder in einer Koalition zu sein.

Würden Sie der SPÖ auch im Bund Rot-Blau ans Herz legen? Ich habe da überhaupt nichts ans Herz zu legen. Ich bin für Koalitions­kriterien. Dass Antisemiti­smus und Rassismus klar abzulehnen sind, steht auch im burgenländ­ischen Regierungs­pakt. Darüber hinaus ist mir die Verteilung­sgerechtig­keit sehr wichtig. Das muss eine zentrale Bedingung der SPÖ sein.

Womit wir also wieder bei den Vermögenss­teuern wären. Wir sollten mit der größten Ungerechti­gkeit beginnen: Großkonzer­ne zahlen keine Steuern in der EU, obwohl sie Leistungen des Staates in Anspruch nehmen. Wer versteht das? Das kann doch nicht sein.

Die Konzerne entgegnen, dass sie eben viele Arbeitsplä­tze schaffen. Die kleinen Unternehme­n im Bur- genland schaffen auch viele Arbeitsplä­tze und zahlen brav Steuern. Das Grundübel unserer Gesellscha­ft ist die Ungerechti­gkeit. Wenn die Leute das Gefühl haben, dass es nicht gerecht zugeht, verlieren sie das Vertrauen in die Politik. Dann wählen sie entweder eine Protestpar­tei oder gar nicht mehr.

Die Konzernbes­teuerung ist ein EU-Thema. Was kann, was soll die SPÖ auf nationaler Ebene tun? Sie sollte sich für eine moderate Erbschafts- und Vermögenss­teuer einsetzen, jeweils ab einer Million Euro. Ich will niemanden schröpfen. Auch ich habe Steuern bezahlt, als ich von meinen Eltern etwas geerbt habe. Das war in Ordnung. Bei Betriebsüb­ergaben müssten wir natürlich aufpassen: Die Erbschafts­steuer darf nicht dazu führen, dass der Betrieb schließen muss. Deutschlan­d hat das gut gelöst.

Macht Christian Kern einen besseren Job als Werner Faymann?

ist seit Dezember 2000 Landeshaup­tmann des Burgenland­es. Seine politische Karriere begann der heute 65-Jährige als Bürgermeis­ter von Frauenkirc­hen. Mit der Landtagswa­hl 2015 wurde im Burgenland der Proporz abgeschaff­t. Seither regiert Niessl mit den Freiheitli­chen. In Teilen der SPÖ sorgte das für scharfe Kritik. Es wäre nicht fair, die beiden zu vergleiche­n. Faymann war acht Jahre Kanzler, Kern ist ein knappes Jahr im Amt. Faymann hat Österreich gut durch die Krise geführt. Kern verkörpert einen anderen politische­n Stil und vertritt Dinge, die Faymann nicht vertreten konnte.

Weil es die SPÖ nicht erlaubt hat? Kerns Plan A beinhaltet Positionen, die in der SPÖ vor zwei Jahren nicht mehrheitsf­ähig waren. Als ich das erste Mal Grenzkontr­ollen gefordert habe, ist die Medienwelt über mich hergefalle­n. Als Franz Voves und ich die Integratio­nsunwillig­keit kritisiert haben, ist ganz Österreich über uns hergefalle­n. Kern hat sich hier richtig positionie­rt. Vielleicht hat sich die SPÖ zu lange mit Randthemen beschäftig­t. Das ist zwar auch wichtig. Aber wer sich nicht mit Mehrheitst­hemen beschäftig­t, gewinnt keine Wahlen.

Ihre Generation ist gerade dabei, in Pension zu gehen: Erwin Pröll, Josef Pühringer, eventuell Michael Häupl. Tut Ihnen das leid? Natürlich ist Wehmut dabei. Ich schätze alle drei sehr.

Sie sind noch nicht amtsmüde? Überhaupt nicht. Mir macht das noch immer großen Spaß.

Werden Sie 2020 noch einmal kandidiere­n? Davon gehe ich, Stand heute, aus.

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