Wer braucht eine Lobby mit Mitgliedszwang?
Die Sozialpartnerschaft gehört an Haupt und Gliedern reformiert.
Die Ära von Christoph Leitl in der Wirtschaftskammer hat mit einer Kammerreform begonnen und wird mit einer Kammerreform enden. In beiden Fällen profitieren die WKÖMitglieder durch Beitragssenkungen.
Gut so, da können sich die anderen Sozialpartner, die sich (mit Ausnahme der auf freiwilliger Mitgliedschaft basierenden Gewerkschaft) ihre Reformfaulheit durch ewig sprudelnde Zwangsbeiträge finanzieren lassen, eine dicke Scheibe abschneiden. Bei monopolartigen Gebilden mit Zwangsmitgliedschaft fällt ja jeglicher Druck zu organisatorischer Schlankheit weg. Austritt ist keine verfügbare Option. Wenn da Reformwillen von innen kommt, dann ist das gar nicht hoch genug einzuschätzen.
Die Freude darüber, dass wenigstens ein Sozialpartner an die Verschlankung der behäbig gewordenen Strukturen denkt, sollte freilich nicht den Blick auf das Hauptproblem verstellen: Die Sozialpartnerschaft insgesamt funktioniert nicht mehr, wie sie sollte.
Aus dem international bewunderten Interessenausgleichs- und Konfliktlösungsmechanismus der Nachkriegszeit, um den uns viele Länder beneidet haben, ist eine Ansammlung von Lobbyorganisationen mit sehr stark geschrumpfter gesamtstaatlicher Lösungskompetenz geworden. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat da durchaus den Nerv getroffen, als er im vergangenen Herbst beklagt hat, die Sozialpartner würden sich nur noch darauf beschränken, der Regierung unerfüllbare Partikularforderungen vor den Latz zu knallen, statt konstruktiv im Sinne des Staatsganzen zu arbeiten.
Kurzum: Eine Kammerreform ist eine schöne Sache, was wir aber noch dringender brauchen, ist eine Neudefinition der Rolle der Sozialpartner insgesamt. Wenn diese sich in ihrer Rolle als Reformbremser und Partikularlobbyisten gefallen – gut. Aber dann ist die Zwangsmitgliedschaft obsolet. Und die Verankerung in der Verfassung – eine Todsünde der Regierung Gusenbauer – sowieso. Denn reine Serviceorganisationen werden, wenn sie gut sind, auch so ausreichend Mitglieder finden. Wenn nicht, dann braucht sie keiner.