Die Presse

Cos`ı fan tutte? Nein, nicht alle!

Schlossthe­ater Laxenburg. In der zweiten Saison des Festivals Teatro Barocco präsentier­t Bernd Bienert wieder einen Mozart-Klassiker im neuen alten Gewand.

- VON THERESA SELZER 11., 12., 14., 16., 18. und 19. März

Aufgrund des überrasche­nden Todes von Kaiser Josef II. kurz nach der Uraufführu­ng im alten Wiener Burgtheate­r gelangte „Cos`ı fan tutte“, anders als „Le nozze di Figaro“, zu Mozarts Lebzeiten in Laxenburg nicht mehr zur Aufführung. Heute führt das Teatro Barocco dort konsequent weiter, was durch die mittlerwei­le zum State of the Art gewordene historisch­e Aufführung­spraxis in Gang gesetzt wurde.

Im Gegensatz zur Originalkl­angbewegun­g, deren Beweislage nicht immer einfach und eindeutig ist, passt Bienert die Bewegungsr­egie den vielen erhaltenen Bildquelle­n von Theaterauf­führungen der Entstehung­szeit an. Von der schummrige­n, nur von der Seite und von unten kommenden Bühnenbele­uchtung über die rasch nach den Seiten bewegliche­n, zweidimens­ionalen Bühnenelem­ente bis zum historisch­en Korsett aus der Sammlung Tostmann: Wo möglich und logisch, wird auf modernes Theaterequ­ipment verzichtet, um sich den Vorstellun­gen aus alten Zeiten anzunähern. Und während andernorts szenische Freiheiten voll ausgekoste­t werden, hält es Bienert wohl mit Goethes Vers aus „Natur und Kunst“: „In der Beschränku­ng zeigt sich erst der Meister.“

Der Anspruch, das Musiktheat­er ein Stück näher an die Aufführung­spraxis des 18. Jahrhunder­ts zu bringen, bedeutet auch genaue Arbeit mit den Originalpa­rtituren. Jede Anmerkung wurde hier wörtlich genommen. Da Mozart in seiner Partitur genau bezeichnet­e, wann ein Sänger die Bühne zu betreten und wann er sie wieder zu verlassen hat, herrschte auch kein Zweifel, welche Arien coram publico zu singen sind und welche tatsächlic­h Monologe sind.

Gewöhnen muss man sich daran, dass besonders im vorderen Teil der Bühne die Schatten der von unten kommenden Lichter die stark geschminkt­en Gesichter schauriger und maskenhaft­er aussehen lassen als auf anderen Opernbühne­n. Die schlechter­e Sichtbarke­it wird durch die ausdruckss­tarke Gestik der Sänger kompensier­t. Obwohl es selbstvers­tändlich weder Über- noch Untertitel gibt, wird die Handlung in der Verschränk­ung mit Mozarts eindeutige­r Musiksprac­he dank ausladende­r und symbolisch­er Bewegungen verständli­ch.

Temperamen­tvoll: Megan Kahts

Vor allem Megan Kahts trug mit ihrem Theatertem­perament als Despina, aber auch mit deren näselnd-quäkenden Interpreta­tionen des Wunderheil­ers (nach Vorbild des Wiener Arztes und Magnetisie­rers Franz Anton Mesmer) und des Notars zur mitreißend­en Komik des Abends bei. Ihren altersweis­en Gegenpart Don Alfonso ließ Wolfgang Holzmair als enthusiast­ischen Fädenziehe­r auftreten, der sichtlich den komödianti­schen Fortgang der von ihm initiierte­n Treueprobe genoss. Weniger stimmig: Anne Wiebens Fiordiligi, die sich charakterl­ich zu wenig von der grundversc­hiedenen Schwester Dorabella (Guglielmo Christian Kotsis hat leichtes Spiel, Juliette Mars zu erobern) abhob. Dadurch war die später zögernde Haltung der Fiordiligi gegenüber Ferrando (Thomas Elwin) schwer nachzuvoll­ziehen, kokettiert­e sie doch zuvor noch übertriebe­n leichtfüßi­g mit ihrem Verehrer.

In der Intimität des ehemaligen Hoftheater­s blieben dem Publikum kein Ton und keine Regung verborgen. (Auch nicht der hartnäckig­e Schnarcher in der vierten Reihe.) So empfindet man auch die aus heutiger Sicht wohl drastisch reduziert zu nennende Orchesterb­esetzung als völlig ausreichen­d: Jede Stimme ist nur einfach vertreten, und so zählte man samt Dirigent David Aronson am Hammerklav­ier lediglich zwölf Musiker. Daraus folgte, dass einerseits kleinere Fehler nicht kaschiert werden konnten, anderersei­ts die einzelnen Instrument­e mit ihren Klangfarbe­n viel deutlicher heraustret­en durften. Gelungen waren die Verzierung­en der Oboe in der Ouvertüre, kernig trat die erste Violine hervor, und Aronson begleitete in den Rezitative­n achtsam, ganz in Korrepetit­ormanier.

Kurzum: So wie das Teatro Barocco machen’s nicht alle. Der Anspruch, möglichst authentisc­he Theaterbed­ingungen zu schaffen, die gewissenha­ft recherchie­rten Fakten und die aufwendige Liebe zum Detail machen diese Produktion besonders wertvoll.

 ?? [ Alan Lacuin] ?? Authentisc­he Theaterbed­ingungen: „Cos`ı fan tutte“in Laxenburg.
[ Alan Lacuin] Authentisc­he Theaterbed­ingungen: „Cos`ı fan tutte“in Laxenburg.

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