Metall aus dem All für Dolche auf der Erde
Die Klinge eines Dolchs von Tutanchamun enthält viereinhalb Milliarden Jahre altes meteoritisches Eisen.
Dass es Steine gibt, die vom Himmel fallen, war in der Antike eine anerkannte Tatsache“, sagt Franz Brandstätter, der Leiter der Meteoritensammlung und Direktor der Mineralogisch-Petrographischen Abteilung im Naturhistorischen Museum (NHM) in Wien. „Zum Teil wurden sie als kultische Objekte verehrt.“
Meteoriten galten als Boten der Götter. Die Römer bildeten sie sogar auf Münzen ab. Aus dem Jahr 1492 existieren Augenzeugenberichte für einen Meteoritenfall in Ensisheim, Elsass. Doch in der Aufklärung im 18. Jahrhundert entschieden damalige Gelehrte, Meteoriten in den Bereich des Volksaberglaubens zu verbannen. Erst Ende des 18. Jahrhunderts setzte sich unter Wissenschaftlern die Meinung durch, dass Meteoriten extraterrestrischen Ursprungs sind.
Wien habe damals sehr vorausschauend gehandelt, berichtet Brandstätter. Der Gründungsmeteorit des Wiener Naturhistorischen Museums fiel 1751 im heutigen Kroatien auf die Erde und wurde noch im selben Jahr auf Anordnung des Kaiserhauses nach Wien gebracht. Mit einem in Latein geschriebenen Fallprotokoll kam er in die kaiserliche Schatzkammer und wurde 1778 in die kaiserliche Naturaliensammlung transferiert.
International größte Schau
Heute bilden die rund 1100 im NHM ausgestellten Meteoriten die größte Schausammlung der Welt. Daher werden österreichische Forscher häufig um ihre Expertise gebeten. Der Geochemiker und Meteoritenexperte Christian Köberl ist Generaldirektor des NHM. Er wurde 2015 von Forschern des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz hinzugezogen, als es darum ging, meteoritisches Eisen in einem berühmten Dolch aus dem Grab des Pharaos Tutanchamun nachzuweisen. Dieser gilt als Meisterwerk der ägyptischen Goldschmiedekunst, die auch Eisen verarbeitete.
Angesichts der besonderen Eigenschaften des meteoritischen Eisens und seiner kultischen Bedeutung lag nahe, dass es auch in Tutanchamuns Dolch verwendet worden war. Doch ägyptische Forscher hatten kurz zuvor bei eigenen Messungen keine Hinweise auf Nickel gefunden. Nickel aber ist unabdingbarer Bestandteil meteoritischen Eisens.
Nickel, Kobalt und Chrom
„Wir konnten den Mainzer Kollegen durch gut charakterisierte Meteorite aus unserer Sammlung exakte Standards für die Messung nach der Röntgenfluoreszenzmethode bieten,“berichtet Köberl. So konnte exakt nachgewiesen werden, dass neben dem Hauptbe-
sind im Naturhistorischen Museum Wien ausgestellt. Das Haus beherbergt damit nicht nur die größte Schausammlung der Welt, sondern verfügt auch über besondere Expertise in diesem Bereich.
liegen im Depot des Weltmuseums, 200 davon wurden nun mit Hilfe der Röntgenfluoreszenzmessung untersucht. Sieben enthalten möglicherweise meteoritisches Eisen. standteil Eisen auch 12,8 Prozent Nickel sowie Kobalt und Chrom im Dolch des Tutanchamun enthalten sind. Die Eisenteile des Dolches und anderer Grabbeigaben stammen also aus einem viereinhalb Milliarden Jahre alten Meteoriten.
Zu Köberls Bedauern ernteten zunächst andere den öffentlichen Ruhm für den Beweis: Während die Mainzer und die Wiener Wissenschaftler einen Bericht über ihre Messungen für die Tagung der Internationalen Meteoritical Soci- ety im Sommer 2016 in Berlin vorbereiteten, kam die Nachricht, dass italienische Forscher mit einem Handmessgerät im ägyptischen Museum ebenfalls Nickel im Dolch des Tutanchamun nachgewiesen hatten. „Sie kamen auf 10,8 Prozent Nickelgehalt“, sagt Köberl. „Die Daten sind zwar zweifelhaft, aber wurden leider zuerst publiziert. Das ist natürlich ärgerlich.“
Waffe und Talisman in einem
Der Dolch des Tutanchamun ist nicht der einzige Gegenstand, den die Forscher im NHM auf meteoritisches Eisen untersucht haben. Im Depot des Weltmuseums in Wien liegen circa 500 javanische KrisDolche, zum größten Teil aus dem 19. Jahrhundert. „Kris-Dolche haben für Javaner eine hohe spirituelle Bedeutung, sie sind Waffe und Talisman zugleich“, sagt Jani Kuhnt-Saptodewo, die Kuratorin „Insulares Südostasien“aus dem Weltmuseum. Sie hat mit Franz Brandstätter die Untersuchung der Kris-Dolche geleitet.
Seit 1797 ist der auf Java gefallene, rund ein Meter große Eisenmeteorit namens Prambanan bekannt. Es könnte daher sein, dass geringe Mengen davon auch für Krise verwendet worden sind. Üblicherweise werden dafür zwei verschiedene Eisen zusammengeschmiedet, gehämmert und gefaltet. Franz Brandstätter hat circa 200 der 500 Dolche mit Hilfe der Röntgenfluoreszenzmessung untersucht. Sieben von ihnen, so das Ergebnis, enthalten Nickel, möglicherweise also auch meteoritisches Eisen.
Atombehörde beteiligt
Doch bei Kris-Dolchen ist der Nachweis von Nickel nicht ausreichend, da im 19. Jahrhundert auf Java bereits Industrienickel verwendet wurde. Brandstätter steht also vor der Herausforderung, auch andere für Eisenmeteoriten charakteristische Elemente – wie z. B. Kobalt – nachzuweisen. Dabei kann er auf die Hilfe der Wissenschaftler der Internationalen Atombehörde (IAEA) in Wien zählen.
So zeigen die vorläufigen Untersuchungsergebnisse, dass meteoritisches Eisen vermutlich beim Schmieden der sieben Krise mitverwendet wurde. Brandstätter hält den Nachweis aber noch nicht für eindeutig und wird ihn weiter überprüfen. Bisher wurden die Ergebnisse auf zwei wissenschaftlichen Tagungen vorgestellt.