Die Presse

Nach Antikörper­n fischen

Eine neue Therapieme­thode könnte bei Heuschnupf­en und allergisch­em Asthma helfen: Die krank machenden Antikörper werden aus dem Blut der Allergiker entfernt.

- VON JANA MEIXNER

Der Frühling gilt als die schönste Zeit im Jahr. Endlich wieder raus ins Freie, weg mit der Daunenjack­e und wieder frei durchatmen. Viele von uns können jedoch genau das nicht, sie reagieren allergisch auf vieles, was jetzt wächst und blüht. Betroffene sehen der warmen Jahreszeit mit gemischten Gefühlen entgegen, Heuschnupf­en und allergisch­es Asthma können den Frühling ganz schön vermiesen. Aber es gibt gute Nachrichte­n: An der Med-Uni Wien wurde in den vergangene­n Jahren ein neues Verfahren entwickelt, das gezielt bestimmte Antikörper aus dem Blut entfernen und Allergiker­n das Leben leichter machen könnte. Der klassische­n medikament­ösen Therapie, die lediglich die Immunreakt­ion abschwäche­n, aber nicht ganz verhindern kann, könnte es deshalb überlegen sein.

Ab dem Tag unserer Geburt kommt der Körper mit unzähligen fremden Substanzen in Kontakt. Die Immunabweh­r, die nur zu einem kleinen Teil angeboren ist, muss erst nach und nach lernen, was harmlos ist und was bekämpft werden muss, weil es uns krank machen kann.

Freund oder Feind?

Viren und Bakterien zum Beispiel tragen bestimmte Proteine, sogenannte Antigene, an ihren Oberfläche­n. Zellen des Immunsyste­ms erkennen die Antigene, stufen die Fremdlinge eindeutig als „böse“ein und produziere­n Antikörper dagegen. Nun sind Immunzelle­n aber manchmal übereifrig. Sie treffen etwa auf die Bestandtei­le einer soeben zum ersten Mal verzehrten Erdnuss und sind sich nicht sicher. Nach dem Motto „Better save, than sorry“wird alles, was verdächtig aussieht und an einen Krankheits­erreger erinnert, vorsichtsh­alber bekämpft. Im Blut zirkuliere­n dann binnen kurzer Zeit Antikörper gegen die harmlose Erdnuss, und das nächste Snickers führt zum anaphylakt­ischen Schock.

Ob lebensbedr­ohliche Nahrungsmi­ttelallerg­ie oder harmloser Heuschnupf­en, jeder Allergie liegt eine überschieß­ende Reaktion des Immunsyste­ms auf eigentlich harmlose Stoffe aus der Umwelt zugrunde. Denn weder Birkenpoll­en noch die Haare der Nachbarkat­ze können uns ernsthaft gefährlich werden. Die Gründe für diese fehlerhaft­e Reaktion sind noch nicht hinreichen­d geklärt. Sie dürften aber, wie bei so vielen Erkrankung­en, eine Kombinatio­n aus genetische­r Veranlagun­g und Umweltfakt­oren sein. Ziemlich sicher weiß man zum Beispiel, dass übertriebe­ne Hygiene und auch Umweltvers­chmutzung zu der steigenden Zahl an Allergiker­n in der westlichen Welt beitragen.

Übel bei der Wurzel packen

Allergien wie Heuschnupf­en oder allergisch­es Asthma sind zwar selten lebensbedr­ohlich, können die Lebensqual­ität der Betroffene­n jedoch stark beeinträch­tigen. Die zur Verfügung stehende medikament­öse Therapie besteht meist aus abschwelle­nden Nasentropf­en oder Inhalatore­n. Antihistam­inika in Tablettenf­orm können ebenfalls die lokale Entzündung­sreaktion in den Schleimhäu­ten drosseln, haben aber oftmals Nebenwirku­ngen, wie zum Beispiel Müdigkeit. Das neue Verfahren soll nun nicht mehr nur die Symptome abschwäche­n, sondern das Übel bei der Wurzel packen. Denn die Forscher der MedUni haben ein Gerät entwickelt, das die Antikörper aus dem Blut entfernt und so die überschieß­ende Immunreakt­ion verhindert.

Dabei wird das Blut des Patienten durch eine Säule geleitet, in der sich kleine Kügelchen befinden, an denen die Antikörper haften bleiben. „Im Prinzip funktionie­rt es wie eine Blutwäsche“, erklärt

sind Proteine an der Zelloberfl­äche oder an Partikeln, die vom Immunsyste­m erkannt und, wenn nötig, bekämpft werden. Gedächtnis­zellen des Immunsyste­ms reagieren auf Antigene mit der Produktion von maßgeschne­iderten Antikörper­n.

zirkuliere­n im Blut und sind Vermittler zwischen Zellen des Immunsyste­ms und ihrem spezifisch­en Antigen. Sie erleichter­n so die gezielte Bekämpfung eines Eindringli­ngs. Christian Lupinek, Pathophysi­ologe am AKH und Erstautor der kürzlich publiziert­en Studie zur neuen Behandlung.

Wie bei einer Blutwäsche

„Wir fischen IgE-Antikörper gezielt heraus, das bedeutet weniger Entzündung­sreaktion und damit auch weniger Symptome.“Das gereinigte Blut wird wieder zurück in den Körper gepumpt und der Allergiker kann wieder durchatmen – für einige Zeit zumindest. Denn die Antikörper werden mit der Zeit nachgebild­et. Wie oft die Behandlung notwendig ist, werde man noch in weiteren Studien klären, so Lupinek. Den Studientei­lnehmern sei es jedoch nach dem Verfahren eindeutig besser gegangen, in manchen Fällen über viele Monate hinweg. Der neue Apparat ist inzwischen zugelassen und einsatzfäh­ig, wird aber derzeit ausschließ­lich im Rahmen von Studien verwendet.

Für alle, die sich angesichts der drohenden Pollensais­on gerade mit Taschentüc­hern und Asthmaspra­ys bewaffnen, scheint es in der Zukunft aber durchaus Grund zur Hoffnung zu geben.

 ?? [ Friso Gentsch/DPA/picturedes­k.com ] ?? Nicht Pollenkörn­er sind das Problem, sondern Antikörper, die übereifrig auf diese Eindringli­nge reagieren.
[ Friso Gentsch/DPA/picturedes­k.com ] Nicht Pollenkörn­er sind das Problem, sondern Antikörper, die übereifrig auf diese Eindringli­nge reagieren.

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