Nach Antikörpern fischen
Eine neue Therapiemethode könnte bei Heuschnupfen und allergischem Asthma helfen: Die krank machenden Antikörper werden aus dem Blut der Allergiker entfernt.
Der Frühling gilt als die schönste Zeit im Jahr. Endlich wieder raus ins Freie, weg mit der Daunenjacke und wieder frei durchatmen. Viele von uns können jedoch genau das nicht, sie reagieren allergisch auf vieles, was jetzt wächst und blüht. Betroffene sehen der warmen Jahreszeit mit gemischten Gefühlen entgegen, Heuschnupfen und allergisches Asthma können den Frühling ganz schön vermiesen. Aber es gibt gute Nachrichten: An der Med-Uni Wien wurde in den vergangenen Jahren ein neues Verfahren entwickelt, das gezielt bestimmte Antikörper aus dem Blut entfernen und Allergikern das Leben leichter machen könnte. Der klassischen medikamentösen Therapie, die lediglich die Immunreaktion abschwächen, aber nicht ganz verhindern kann, könnte es deshalb überlegen sein.
Ab dem Tag unserer Geburt kommt der Körper mit unzähligen fremden Substanzen in Kontakt. Die Immunabwehr, die nur zu einem kleinen Teil angeboren ist, muss erst nach und nach lernen, was harmlos ist und was bekämpft werden muss, weil es uns krank machen kann.
Freund oder Feind?
Viren und Bakterien zum Beispiel tragen bestimmte Proteine, sogenannte Antigene, an ihren Oberflächen. Zellen des Immunsystems erkennen die Antigene, stufen die Fremdlinge eindeutig als „böse“ein und produzieren Antikörper dagegen. Nun sind Immunzellen aber manchmal übereifrig. Sie treffen etwa auf die Bestandteile einer soeben zum ersten Mal verzehrten Erdnuss und sind sich nicht sicher. Nach dem Motto „Better save, than sorry“wird alles, was verdächtig aussieht und an einen Krankheitserreger erinnert, vorsichtshalber bekämpft. Im Blut zirkulieren dann binnen kurzer Zeit Antikörper gegen die harmlose Erdnuss, und das nächste Snickers führt zum anaphylaktischen Schock.
Ob lebensbedrohliche Nahrungsmittelallergie oder harmloser Heuschnupfen, jeder Allergie liegt eine überschießende Reaktion des Immunsystems auf eigentlich harmlose Stoffe aus der Umwelt zugrunde. Denn weder Birkenpollen noch die Haare der Nachbarkatze können uns ernsthaft gefährlich werden. Die Gründe für diese fehlerhafte Reaktion sind noch nicht hinreichend geklärt. Sie dürften aber, wie bei so vielen Erkrankungen, eine Kombination aus genetischer Veranlagung und Umweltfaktoren sein. Ziemlich sicher weiß man zum Beispiel, dass übertriebene Hygiene und auch Umweltverschmutzung zu der steigenden Zahl an Allergikern in der westlichen Welt beitragen.
Übel bei der Wurzel packen
Allergien wie Heuschnupfen oder allergisches Asthma sind zwar selten lebensbedrohlich, können die Lebensqualität der Betroffenen jedoch stark beeinträchtigen. Die zur Verfügung stehende medikamentöse Therapie besteht meist aus abschwellenden Nasentropfen oder Inhalatoren. Antihistaminika in Tablettenform können ebenfalls die lokale Entzündungsreaktion in den Schleimhäuten drosseln, haben aber oftmals Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Müdigkeit. Das neue Verfahren soll nun nicht mehr nur die Symptome abschwächen, sondern das Übel bei der Wurzel packen. Denn die Forscher der MedUni haben ein Gerät entwickelt, das die Antikörper aus dem Blut entfernt und so die überschießende Immunreaktion verhindert.
Dabei wird das Blut des Patienten durch eine Säule geleitet, in der sich kleine Kügelchen befinden, an denen die Antikörper haften bleiben. „Im Prinzip funktioniert es wie eine Blutwäsche“, erklärt
sind Proteine an der Zelloberfläche oder an Partikeln, die vom Immunsystem erkannt und, wenn nötig, bekämpft werden. Gedächtniszellen des Immunsystems reagieren auf Antigene mit der Produktion von maßgeschneiderten Antikörpern.
zirkulieren im Blut und sind Vermittler zwischen Zellen des Immunsystems und ihrem spezifischen Antigen. Sie erleichtern so die gezielte Bekämpfung eines Eindringlings. Christian Lupinek, Pathophysiologe am AKH und Erstautor der kürzlich publizierten Studie zur neuen Behandlung.
Wie bei einer Blutwäsche
„Wir fischen IgE-Antikörper gezielt heraus, das bedeutet weniger Entzündungsreaktion und damit auch weniger Symptome.“Das gereinigte Blut wird wieder zurück in den Körper gepumpt und der Allergiker kann wieder durchatmen – für einige Zeit zumindest. Denn die Antikörper werden mit der Zeit nachgebildet. Wie oft die Behandlung notwendig ist, werde man noch in weiteren Studien klären, so Lupinek. Den Studienteilnehmern sei es jedoch nach dem Verfahren eindeutig besser gegangen, in manchen Fällen über viele Monate hinweg. Der neue Apparat ist inzwischen zugelassen und einsatzfähig, wird aber derzeit ausschließlich im Rahmen von Studien verwendet.
Für alle, die sich angesichts der drohenden Pollensaison gerade mit Taschentüchern und Asthmasprays bewaffnen, scheint es in der Zukunft aber durchaus Grund zur Hoffnung zu geben.