Die Presse

Mit Haifischha­ut durch die Lüfte strömen

Turbine. Flugzeuge sollen weniger Lärm machen und Treibstoff einsparen. Dazu müssen ihre Triebwerke größer, aber zugleich leichter werden. Forscher der TU Graz suchen nach Lösungen und nutzen dazu berührungs­lose Messtechni­k.

- VON TIMO KÜNTZLE

Wenn Emil Göttlich fliegt, empfindet er bisweilen eine gewisse Unsicherhe­it. Schon öfter ist es dem Professor für Thermische Turbomasch­inen der TU Graz nämlich passiert, dass er allein am Ziel stand – also ohne Koffer. Dass dieser eine alternativ­e Route wählen könnte, ist allerdings seine einzige flugbeding­te Sorge.

Der 42-Jährige macht sich eher über die Flugzeuge der Zukunft Gedanken. „Der Trend im Triebwerks­bau geht in Richtung immer leiserer und effiziente­rer Maschinen und somit zu Triebwerke­n mit größerem Durchmesse­r, die langsamer durchström­t werden“, erklärt er. Der Zusammenha­ng ergibt sich aus dem Funktionsp­rinzip: „Das Triebwerk saugt vorne Luft an, die hinten mit einer viel höheren Geschwindi­gkeit wieder ausgestoße­n wird. Diese Änderung der Geschwindi­gkeit, und damit des Impulses der Luft, verursacht eine Kraftwirku­ng nach vorne, den Schub.“Heißt also: Bei größerem Durchmesse­r muss sich die Turbine weniger schnell drehen, um dieselbe Schubkraft zu erzeugen. Das spart Kraftstoff. Gleichzeit­ig sorgen größere Bauteile aber für mehr Gewicht und somit für mehr Verbrauch. Wie lässt sich das Dilemma lösen?

Turbulente Strömung

Gewicht und Kraftaufwa­nd sollen über weitere Konstrukti­onsänderun­gen eingespart werden. Dazu beschäftig­en sich Göttlich und seine Kollegen ab Frühjahr im von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG unterstütz­ten Projekt TURANDOT vor allem mit dem sogenannte­n Turbinenüb­ergangskan­al.

Aber der Reihe nach: Vorne am Triebwerk wird Luft angesaugt, verdichtet und erwärmt. Nachdem in der Brennkamme­r Kerosin hinzukommt und verbrannt wird, dehnt sie sich aus und treibt dabei die Turbinensc­haufelräde­r an. Diese leiten einen Teil der Strömungse­nergie nach vorne zum Verdichter. Der Rest des Abgases entspannt sich über die Düse und sorgt für den Schub. Die Turbine selbst unterteilt sich in die Hochdruckt­urbine unmittelba­r nach der Brennkamme­r und die Niederdruc­kturbine; getrennt durch eben jenen Turbinenüb­ergangskan­al. „Dieser überbrückt einen erhebliche­n Radiusunte­rschied und soll so kurz wie möglich sein, um das Triebwerk nicht zu lang und zu schwer werden zu lassen“, vertieft Maschinenb­auer Göttlich.

„Wird der Kanal zu kurz, bricht die Strömung ab und der Wirkungsgr­ad der Turbine sinkt.“Überhaupt sei die Strömung sehr wiegt das Triebwerk GE90, das derzeit weltweit größte und stärkste: Es hat eine Länge von sieben und einen Durchmesse­r von 3,4 Metern sowie eine Schubkraft von 52 Tonnen.

kürzer als bisher soll der Turbinenüb­ergangskan­al künftig sein. So und mit verbessert­en Materialei­genschafte­n soll ein Triebwerk mehrere hundert Kilo Gewicht leichter werden. komplex, weil stark dreidimens­ional und hoch turbulent. Das hat zwar nichts mit jenen Turbulenze­n zu tun, die Passagiere heißen Kaffee verschütte­n lassen, beeinträch­tigen aber die Leistung. „Wir haben noch nicht alle Strömungse­ffekte komplett verstanden.“

Die Forscher wollen ihre Erkenntnis­se auch mittels berührungs­loser Lasermesst­echnik vertiefen. So soll die Strömung in der Versuchstu­rbine nicht verfälscht werden. Mit an Bord sind auch der Triebwerks­produzent General Electric und das Start-up Bionic Surface Technologi­es. Es hat die Mikrostruk­tur von Haifischha­ut auf technische Anwendunge­n übertragen. Ihre Strömungse­igenschaft­en sollen nun auch Bauteile innerhalb des Turbinenüb­ergangskan­als verbessern und damit andere Bauteile überflüssi­g machen.

Insgesamt erhofft man sich eine Gewichtser­sparnis von mehreren hundert Kilogramm pro Triebwerk. Da sollte dann auch für den Koffer von Forscher Göttlich genug Puffer sein.

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