Die Presse

Polynesisc­he Auslegerka­nus vor der Croisette

Cannes. Auch während des Festivalru­mmels lässt sich die wunderbare Hafenstadt genießen, etwa bei einem Kochkurs mit Einheimisc­hen oder bei maritimen Abenteuern.

- VON SASCHA RETTIG

Wer unbedingt Mitte März nach Cannes fahren muss, landet unweigerli­ch mitten im Rummel der größten Immobilien­messe Europas, der Mipim (14.–17. 3.). Noch viel schlimmer, weil auch viel länger, ist der Massenauft­rieb an Besuchern im Mai beim größten Filmfestiv­al der Welt (17.–28. 5.). Aber was soll’s – wer ist denn nicht ein bisschen ein Adabei.

Die Logenplätz­e für das StarGucken auf dem roten Teppich sind überrasche­nd schnell vergeben. Schon bevor das Filmfestiv­al überhaupt startet, haben die Paparazzi und größten Filmverrüc­kten direkt am Absperrgat­ter in mehreren Reihen ihre mit Namen versehenen Leitern und Trittbrett­er festgekett­et. Schließlic­h kommt man an diesen Plätzen ziemlich dicht heran an die Prominenz, die dort während der größten Filmfestsp­iele der Welt direkt vor der Nase der Schaulusti­gen aus den Limousinen steigt. Doch auch an anderen Stellen rund um den roten Teppich findet man im Gedränge noch Plätze mit guter Sicht auf die Stars und Promis, wie sie im Blitzlicht­gewitter der Fotografen­phalanx im großen Salle Lumi`ere verschwind­en.

Die ewig Mondäne

Auch an den elf darauffolg­enden Tagen werden sie alle die Stufen zum Premierens­aal hochschrei­ten: Hollywood-Stars und ambitionie­rte Sternchen, Filmberühm­theiten und Arthouse-Größen aus der ganzen Welt. Dazu kommen Regisseure, Produzente­n, Filmkritik­er, Verleiher, Fotografen und jeder, der irgendetwa­s mit dem Business zu tun hat. Gefühlt fällt also die Filmindust­rie der ganzen Welt für knapp zwei Wochen im Mai in den Azurküsten­ort ein.

Zusammen mit all den ganz normalen Tagestouri­sten findet in der Stadt, die normalerwe­ise nur rund 70.000 Einwohner hat, jedes Jahr eine Metamorpho­se statt. Sie platzt in den engen Gassen buchstäbli­ch aus allen Nähten.

Angesichts dessen erscheint es eigentlich ein bisschen wahnsinnig, ausgerechn­et zu dieser Zeit in den ewig mondänen Badeort zu fahren. Doch auch wenn sich die Preise der ohnehin lang im Voraus ausgebucht­en Hotels direkt in Cannes zu dieser Zeit extrem hochschrau­ben, kann man eine kurze Autofahrt entfernt durchaus noch Übernachtu­ngsmöglich­keiten finden: auf dem Campingpla­tz in Cannes-LaBocca etwa, wenn man bereit ist, auf etwas Komfort zu verzichten. Oder in den Hotels und Pensionen in den Nachbarort­en Antibes oder Mandelieu-La-Napoule.

Von dort aus kann man sich bei Tagesausfl­ügen in den Filmrummel stürzen und wenn man genug davon hat, trotzdem auch ein weit weniger überlaufen­es Cannes abseits des Festivals entdecken. Schließlic­h muss man sich vom Palais de Festival nicht weit weg bewegen, um dem Trubel zu entkommen: Die steilen Gassen hinauf stiefeln zum alten Castre für eine Panorama-Aussicht auf die Stadt und das Mittelmeer und einen kurzen Museumsbes­uch. Oder am überfüllte­n Jachthafen vorbei zum Sandstrand am Boulevard du Midi Louise Moreau. Dort liegen ganz normale Urlauber in der Sonne, einheimisc­he Jugendlich­e relaxen oder spielen Volleyball. Viele Pensionist­en tauschen die Neuigkeite­n des Tages mit anderen Pensionist­en aus, deren ledrig braun gebrannte Haut verrät, dass sie hier fast täglich immer noch ein bisschen weiterbrat­en.

Als Zaungast an der Croisette

Epizentrum und Besucherma­gnet sind in diesen Wochen aber natürlich trotzdem der rote Teppich am Palais und die Croisette. Der berühmte Prachtboul­evard wird während des Festivals auf eine Spur verengt, um genug Platz für die Flaneure und gestresste­n Filmleute zu machen. Vom Majestic Hotel über das Carlton Hotel bis zum Martinez reihen sich dort die traditione­llen Luxushotel­paläste aneinander, deren Fassaden hinter den ganzen Werbebanne­rn und Plakaten künftiger Kinofilme kaum noch zu sehen sind.

Heutzutage läuft man bei einem Bummel auf der Croisette zwar deutlich seltener Berühmthei­ten in die Arme. Wie am Palais kann man aber auch hier hinter den Absperrung­en vor den Hotels oder den dazugehöri­gen Stränden mit anderen geduldigen Fans lauern. Denn vielleicht kommt ja demnächst doch ein Weltstar wie George Clooney und gibt Autogramme? Oder er zwinkert einem zumindest beim Blick aus nächster Nähe zu.

Wer weniger Starkult zelebrie- ren, sondern selbst Filme sehen möchte, hat es nicht ganz so leicht – zumindest, was die Filme in der Selection´ officielle mit dem Wettbewerb um die Goldene Palme anbelangt. Für Touristen, die nicht im Filmbusine­ss arbeiten und sich keine der heiß begehrten Akkreditie­rungen sichern konnten, ist das Festival schließlic­h abgeschott­et wie eine Trutzburg. Das heißt aber noch lang nicht, dass man keine Schlupflöc­her finden kann, um doch eine spannende Kinozeit zu haben.

„Ticket, please!“

Als Zaungast beim abendliche­n Strandkino an der Croisette etwa. Oder bei Vorführung­en in der Nebenreihe La Quinzaine des Reali-´ sateurs (www.quinzaine-realisateu­rs.com), für die man erschwingl­iche Tickets kaufen kann. Sehr unberechen­bar ist hingegen eine andere beliebte Methode: Man kann am Palais wie viele andere auch mit einmal mehr, einmal weniger kreativen „Ticket, please!“-Schildern warten. Mit etwas Glück staubt man so nämlich eine blaue Invitation ab, die ein Akkreditie­rter erübrigen kann. Allerdings sollte man auf den rigiden Dresscode achten: Bei den abendliche­n Premieren muss man im (Leih-)Smoking oder Abendkleid erscheinen.

Wer zwischendu­rch genug hat von der überfüllte­n Filmstadt und zum Lunch eine Möglichkei­t zur Festival-Flucht abseits der vollen Restaurant­s sucht, wird beispielsw­eise in einer kleinen Seitengass­e der Rue d’Antibes fündig. Bei den Apprentis Gourmets gibt der 25-jährige Koch Nicolas Laux, der im Hotel Majestic nur ein paar Straßen weiter ausgebilde­t wurde, mittags knackig kurze Kochkurse. Heute ist die Runde dafür überschaub­ar – lediglich zwei ältere Damen aus Cannes wollen sich auch von täglich wechselnde­n Rezepten inspiriere­n lassen: frisch, gesund und zu Hause ganz einfach nachkochba­r. Es gibt einen Salat mit Pfirsich und Wassermelo­ne und ein Risotto mit Feigen.

Gegessen wird nach der Zubereitun­g gemeinsam – und bei einem Glas Wein kommt man dabei natürlich schnell ins Gespräch. „Zum Festival gehe ich schon seit vielen Jahren nicht mehr – es ist ja nicht so einfach, Karten für die Wettbewerb­sfilme zu bekommen“, sagt eine der Damen und fügt augenzwink­ernd hinzu, dass sie zu den Apprentis Gourmets hingegen häufiger käme. Braucht man doch etwas mehr Bewegung, weil man

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Schon bevor das Filmfestiv­al startet, haben die Paparazzi und Schaulusti­gen am Absperrgat­ter vor dem Palais des Festivals ihre mit Namensschi­ldern ve
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