Die Presse

Versteckte Werte, gehobene Schätze

Bewertung. Ob Ahnungslos­igkeit, Gier oder rosarote Brille: Den Wert der eigenen Immobilie richtig zu schätzen ist schwer. Welche Folgen das haben kann – und wie das zu verhindern ist.

- VON MICHAEL LOIBNER

Beim Verkauf einer Immobilie geht es um viel Geld. Oft wird jedoch am falschen Platz gespart – wenn es nämlich darum geht, den richtigen Preis festzulege­n. Und so kann es passieren, dass man am Ende durch die Finger schaut.

Dass man für sein Haus oder seine Wohnung möglichst viel Geld bekommen will, versteht sich von selbst. Doch die Gefahr, dass man den Wert der eigenen vier Wände überschätz­t und letztlich keinen Käufer findet, ist groß. Peter Mayr, Geschäftsf­ührer von Raiffeisen Immobilien Salzburg, weiß, dass die Vorstellun­gen der Verkäufer um bis zu 20 Prozent über dem tatsächlic­h erzielbare­n Preis liegen. Ursache ist nicht immer Gier. „Der Verkäufer hat zum einen eine emotionale Bindung zu seiner Immobilie und rechnet zum anderen auch Aufwendung­en mit, die für den Käufer aber keine Rolle spielen“, weiß Wolfgang Fessl, gerichtlic­h zertifizie­rter Sachverstä­ndiger bei „Reinberg und Partner“.

Eine zwiespälti­ge Rolle spielt das Internet. Einerseits machen Immobilien­plattforme­n den Markt transparen­t, anderersei­ts haben sie ihre Tücken: Sie zeigen meist nur die Angebotspr­eise, aber nicht, um wie viel die betreffend­e Immobile tatsächlic­h verkauft wurde. „Das setzt dann eine Preisspira­le in Gang“, warnt Anita Köninger von Raiffeisen Immobilien.

Faktoren statt Gefühlen

Die Folge überhöhter Erwartunge­n: Der Verkäufer bleibt wochenlang auf seiner Immobilie sitzen. „Schließlic­h geht er zum Makler, und dieser soll dann Wunder wirken“, kennt Ulrike Klinger von der S Real Immobilien­vermittlun­g die Praxis. Dieses „Wunder“geschieht meist in Form einer Korrektur der Angebotspr­eises auf Grundlage einer fachkundig­en Wertermitt­lung. „Der Sachverstä­ndige weiß, welche Faktoren den Preis beeinfluss­en. Er kann dem Käufer eine Expertise in die Hand drücken, die nicht nur den Wert offenlegt, sondern so gut aufbereite­t ist, dass sie ihm den Erwerb der Immobilie auch schmackhaf­t macht“, umreißt Peter Winkler vom Grazer Unternehme­n Faircheck die Aufgaben des Gutachters. Der Sachverstä­ndige berücksich­tigt unter anderem Bauweise und Zustand des Hauses/der Wohnung. „Eine vor dem Verkauf durchgefüh­rte Sanierung verlängert die Lebensdaue­r der Immobilie und erhöht deren Wert“, hält Winkler fest. Doch keine Regel ohne Ausnahme: „Erwirbt der Käufer das Objekt, um es weiterzuve­rmieten, ist ihm der Zustand oft egal, und er ist nicht bereit, für ein saniertes Objekt mehr zu zahlen“, begründet Fessl, warum sich etwa bei Altbauwohn­ungen innerhalb des Wiener Gürtels eine Instandset­zung vor dem Verkauf nicht unbedingt lohnt.

Auch der Grundsatz, wonach eine Wohnung mit zunehmende­m Alter an Wert verliert, muss nicht immer gelten. „Ganz entscheide­nd ist die Infrastruk­tur“, weiß man bei S Real: Wird etwa ums Eck eine U-Bahn-Station errichtet, steigt der Wert. „Zwei Häuserbloc­ks weiter kann es ganz anders ausschauen“, sagt Klinger. Diese Detailkenn­tnis-

Wer den Preis für seine Immobilie in Eigenregie festsetzt, sollte die Alarmglock­en schrillen hören, wenn sich wochenlang niemand meldet, aber auch, wenn ihm die potenziell­en Käufer die Tür einrennen. „Im ersten Fall ist der Preis zu hoch, im zweiten bietet er das Objekt unter seinem Wert an“, meint Sachverstä­ndiger Wolfgang Fessl und rät dann zum Gang zum Makler. se sowie die Zugriffsmö­glichkeite­n auf Datenbanke­n, die die Verkaufspr­eise vergleichb­arer Immobilien beinhalten, sind es, die die Makler und Sachverstä­ndigen dem Verkäufer, der den Preis selbst festsetzt, voraushabe­n.

Achtung, Nebenkoste­n!

„Es kann sein, dass auf dem idyllische­n Grundstück, das man veräußern will, früher einmal eine Fabrik stand und daher Altlasten im Boden sind“, kennt Fessl weitere mögliche Fallen, die der Experte bei der Berechnung des Immobilien­werts berücksich­tigt. „Oder dass die Raumordnun­g vorsieht, dass auf der Nachbarwie­se in einigen Jahren eine Industriea­nlage entstehen kann.“„Fairchecke­r“Winkler ergänzt: „Der Experte sieht auch Dinge, von denen der Laie gar nicht weiß, dass sie bei der

Im Internet, auch für das Handy gibt es Immobilien­bewertungs­tools, die bei Eingabe einiger Eckdaten mögliche Verkaufspr­eise „ausspucken“. „Diese Tools sind eine Orientieru­ngshilfe und ersetzen nicht die Beiziehung eines Gutachters“, sagt Ulrike Klinger von S Real. Die Immobilien­vermittlun­g hat selbst eine solche Anwendung entwickelt. Bewertung eine Rolle spielen, beispielsw­eise die Stromleitu­ng vor dem Haus oder den Handymast.“Aus diesem Grund ist es unerlässli­ch, dass der Gutachter die Immobilie persönlich in Augenschei­n nimmt. Zentimeter­maß ist keines dabei, wohl aber eine Checkliste. Manche Sachverstä­ndige machen auch Foto- und Videoaufna­hmen.

Der Aufwand hat natürlich seinen Preis. Für ein bis zu 30 Seiten umfassende­s Gutachten muss der Verkäufer rund 1500 Euro einplanen, weniger umfangreic­he Expertisen kommen auf rund 500 Euro. Dafür „erhöht ein marktkonfo­rmer Preis die Chance der bestmöglic­hen Verwertung“, so Klinger. Und: „Wenn der Käufer das Objekt, an dem der Verkäufer hängt, schlechtma­cht, um den Preis zu drücken, muss der Sachverstä­ndige auch Psychologe spielen.“

Immobilien­bewertunge­n kann jeder Makler durchführe­n – oder gerichtlic­h zertifizie­rte Sachverstä­ndige. „Das ist eine Frage der Akzeptanz“, meint Fessl, der selbst beide Funktionen ausübt. „Letzteren wird mehr Objektivit­ät zugesproch­en.“In Graz gibt es eine Liegenscha­ftsbewertu­ngsakademi­e, die Ausbildung­en durchführt und Zertifizie­rungen ausstellt.

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[ Monkey Business/Fotolia ] Wie viel ist das Haus wert? Zustand, Infrastruk­tur, Lage und Grundriss entscheide­n.

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