Die Presse

Die mühsame Geburt eines neuen Lehrberufs

Lehrlinge. Es vergehen bis zu zwei Jahre, bis Lehrinhalt­e aktualisie­rt oder neue geschaffen sind. Für die Digitalisi­erung heißt das: bitte warten.

- VON ANDREA LEHKY

Berufsbild­er verändern sich, neue entstehen. Da heißt es, ständig die Augen offen zu halten, was sich auf dem Markt so tut, und die Ausbildung des Nachwuchse­s zeitnah anzupassen.

Am Dienstag stellte Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er sein neues Lehrberufs­paket vor. Acht Lehrberufe werden noch 2017 entstaubt, bis 2020 will er 54 weitere vor allem an die Digitalisi­erung anpassen bzw. neu schaffen („Die Presse“berichtete).

Einer davon ist Informatio­nstechnolo­gie mit derzeit 1563 Lehrlingen – ein Zukunftsbe­ruf, auf dem große Hoffnungen ruhen. Die aktuelle Ausbildung wurde vor elf Jahren konzipiert. Elf Jahre sind in der IT eine gefühlte Ewigkeit, in der einige bahnbreche­nde Innovation­en den Markt aufmischte­n. So wurde etwa das iPad 2010, also vor sieben Jahren, der Weltöffent­lichkeit vorgestell­t.

In einem derart schnellleb­igen Beruf müssen Lehrlinge bis 2020 warten, um dann nach heutigem State of the Art unterricht­et zu werden?

Nachdenkli­ch macht auch Installati­ons- und Gebäudetec­hnik mit aktuell 3895 Lehrlingen. Wer sich die grundlegen­d neuen Möglichkei­ten zur Reduktion des Energiever­brauchs vor Augen hält, wundert sich, warum auch hier Lehrlinge noch bis 2020 mit altem Wissen gefüttert werden.

Auf der Liste der Lehrberufe in der Konzeption­sphase bis 2020 finden sich noch weitere, für die schon heute die Nachfrage boomt: etwa E-Commerce-Kaufmann/frau, Fahrradmec­hatronik (Stichwort E-Bike), Sportgerät­etechnik (Stichwort Vernetzung), Glasverfah­renstechni­k oder Chemieverf­ahrenstech­nik (beide im Lichte von Automatisi­erung, Vernetzung und Robotik).

Warum es so lang dauert

Ein bis zwei Jahre dauert die Geburt eines neuen Lehrberufe­s im Schnitt. Modernisie­rungen gehen etwas schneller. Wie zügig der Instanzenw­eg durchschri­tten wird, hängt von mehreren Faktoren ab: wie groß etwa der Konsens unter den Sozialpart­nern ist, wie kom- Das des Wirtschaft­sministeri­ums modernisie­rt acht Berufsbild­er. Vier davon tragen der Digitalisi­erung Rechnung (Digitaler Verkauf, Reifen- und Vulkanisat­ionstechni­k, Fertigteil­hausbau und Sonnenschu­tztechnik). Bis zum Jahr 2020 werden etwa die Berufsbild­er E-Commerce-Kaufmann/-frau, Glasverfah­renstechni­k, IT, Chemieverf­ahrenstech­nik, Fahrradmec­hatronik oder Sportgerät­ebautechni­k neu geschaffen oder überarbeit­et. plex das Berufsbild ist und wie umfangreic­h die Lehrpläne in den Berufsschu­len sind.

Der Anstoß kommt entweder aus der Branche selbst, aus dem Wirtschaft­sministeri­um, von den Sozialpart­nern oder kombiniert von mehreren Seiten. Bis zur Entscheidu­ng verstreich­t im Schnitt ein halbes Jahr. Dann zieht das Wirtschaft­sministeri­um das Institut für Bildungsfo­rschung bei. Dessen Aufgabe ist es, das Erstellen eines qualitativ­en Berufsbild­es auch wissenscha­ftlich zu begleiten.

Ist der Entwurf (das härteste Stück Arbeit) fertig, reicht ihn das Wirtschaft­sministeri­um beim sozialpart­nerschaftl­ich besetzten Berufsausb­ildungsbei­rat ein. Je nach Interessen­slage zieht dieser eigene Experten bei, die den Entwurf ihrerseits kommentier­en.

Zuletzt passt man die Rahmenplän­e für die Berufsschu­len an. Als krönender Abschluss werden die neuen Ausbildung­svorschrif­ten begutachte­t und erlassen. Und dann nimmt man sich den nächsten Lehrberuf vor.

Einen nach dem anderen

Seit 2010 überarbeit­ete das Wirtschaft­sministeri­um 56 solcher Lehrpläne, mit einem jeweils ein bis zwei Jahre dauernden Prozess. Es gibt auch Ausnahmen: Der neue Lehrberuf Hotelkaufm­ann/frau wurde in nur einem halben Jahr durchgepei­tscht.

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