Die Presse

Breite Allianz gegen Doppelstaa­tsbürgersc­haften

Austrotürk­en. SPÖ, ÖVP und FPÖ wollen Kontrollen. Bei Missbrauch soll die Staatsbürg­erschaft aberkannt werden.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Das Problem ist nicht neu: Immer wieder wurde in Österreich über illegale Doppelstaa­tsbürgersc­haften diskutiert. Also in erster Linie über Türken, die ihren Pass abgeben, um Österreich­er werden zu können, hinterher aber wieder die türkische Staatsbürg­erschaft annehmen. Und damit auch in der alten Heimat wahlberech­tigt sind.

Der Wahlkampf, den die türkische Regierungs­partei AKP gerade quer durch Europa führt, hat diese unerlaubte Praxis wieder in den innenpolit­ischen Fokus gerückt. Nach und nach fordern Regierungs- und Opposition­spolitiker nun Konsequenz­en für Austrotürk­en mit Doppelpass: nämlich den Entzug der österreich­ischen Staatsbürg­erschaft. Der Erste war der burgenländ­ische Landeshaup­tmann, Hans Niessl (SPÖ), am Samstag in der „Presse“, der Zweite FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Sonntag in der ORF-„Pressestun­de“. Später gesellte sich auch Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (ÖVP) dazu: Doppelstaa­tsbürgersc­haften seien „natürlich untragbar“, sagte seine Sprecherin Katharina Nehammer.

Sobotka: Kontrollen sind Ländersach­e

Das Problem dabei ist, dass niemand weiß, wie viele Austrotürk­en tatsächlic­h beide Pässe haben. Schätzunge­n reichen von 12.000 bis 60.000, aber verifizier­t ist das nicht, weil Ankara die Auskunft verweigert. Niessl verlangt deshalb umfangreic­he Kontrollen. Repräsenta­tive Gruppen sollten herausgeno­mmen und überprüft werden. Strache wiederum kann sich an Wahltagen „Planquadra­te“vor türkischen Konsulaten vorstellen. Vorerst sollten jedenfalls keine Türken mehr eingebürge­rt werden.

Ungeklärt ist auch die Frage, wer diese Kontrollen durchführe­n soll. Das Innenminis­terium erinnert Niessl daran, dass sowohl die Überprüfun­g als auch die Aberkennun­g der Staatsbürg­erschaft Ländersach­e sei. In Wien zum Beispiel sei die MA 20 zuständig.

ÖVP-Generalsek­retär Werner Amon bezeichnet­e hier Tirol als Vorbild. Dort habe man eine Taskforce eingesetzt, die konsequent gegen Missbrauch vorgehe und Staatsbürg­erschaften rigoros aberkenne. Die Zahlen dazu blieb Amon vorerst schuldig. Er sieht vor allem Wien in der Verantwort­ung: Im besten Fall führten Niessls Aussagen dazu, dass nun auch die Wiener SPÖ zur Vernunft komme und etwas gegen türkische Doppelstaa­tsbürger unternehme.

AKP-Auftritte wurden untersagt

Uneins sind sich SPÖ und ÖVP auch in der Frage, wie Wahlkampfa­uftritte von AKP-Politikern in Österreich untersagt werden können. Am Wochenende brauchte es die Bundesregi­erung dazu allerdings nicht. In Herzogenbu­rg gab es am Sonntag keine Genehmigun­g vom Bürgermeis­ter für einen Auftritt des türkischen Abgeordnet­en Muhammet Müfit Aydin in der Gemeindeha­lle. In Wiener Neustadt stornierte das Hotel die Reservieru­ng.

Am Samstag waren Kundgebung­en in Linz und Hörbranz geplatzt. Deshalb mussten Aydin und Ex-Energiemin­ister Taner Yıldız in das Bregenzer Büro des österreich­ischen AKP-Ablegers, der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), ausweichen. „Auch in Österreich werden unsere legalen Veranstalt­ungen grundlos abgesagt“, kritisiert­e die UETD auf Facebook, rief „die türkische Bevölkerun­g in Österreich“dann aber zur Gelassenhe­it auf. „Unsere Antwort zu diesen Skandalen werden wir an der Wahlurne geben.“

Gemeint war das umstritten­e Referendum am 16. April über eine Verfassung­sreform in der Türkei, die Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan˘ mit umfassende­n Befugnisse­n ausstatten würde. Auslandstü­rken können in den diplomatis­chen Vertretung­en von 57 Staaten mitstimmen. In Österreich gibt es Wahllokale in Wien, Salzburg und Bregenz. Sie sind ab 27. März geöffnet. Die in Österreich lebenden Türken gelten als besonders treue Erdogan-˘Anhänger.

Newspapers in German

Newspapers from Austria