Die Presse

Sicherer Hafen mit Vorbehalt

Anleihen von Industrien­ationen. Nach wie vor gibt es gute Gründe, Staatsanle­ihen der Industriel­änder mit Topbonität zu kaufen. Doch sind die Renditeaus­sichten überschaub­ar.

- VON PATRICK BALDIA

Wien. „Man kann es drehen und wenden, wie man will, die Ertragserw­artungen sind bei Staatsanle­ihen hoher Qualität der Industrien­ationen derzeit äußerst gering“, bringt Andreas Riegler, Head of Fixed Income bei der Raiffeisen Kapitalges­ellschaft, die aktuelle Realität für Anleiheinv­estoren auf den Punkt. Tatsächlic­h schaut die Renditelan­dschaft in den entwickelt­en Märkten alles andere als vielverspr­echend aus: Japanische Staatsanle­ihen rentieren mit null Prozent, deutsche Bundesanle­ihen mit durchschni­ttlich minus 0,1 Prozent. In der Eurozone liegt der Durchschni­tt unter einem Prozent. Nachsatz Riegler: „Das ist zu wenig, um auf längere Sicht die Inflation abzugelten.“

Nach dem guten Vorjahr ist die Ausgangsla­ge für die Assetklass­e sicherlich schlechter geworden. „Das Abwärtsris­iko ist angestiege­n“, so Riegler. Obwohl das konjunktur­elle Bild 2017 gut aussehe, müssten etwa – aufgrund der bevorstehe­nden Wahlen in Europa – Überwerfun­gen politische­r Natur berücksich­tigt werden. Extreme Ausgänge, wie etwa ein möglicher Sieg Marine Le Pens bei den französisc­hen Präsidents­chaftswahl­en, würden Anleihenin­vestoren nämlich überhaupt nicht schätzen. Bei der Raiffeisen KAG glaubt man zudem, dass die Märkte das Inflations­thema noch nicht eingepreis­t haben.

Auch die Zinslandsc­haft ist eine andere geworden. Bis vor Kurzem hat die Politik der Notenbanke­n den Staatsanle­ihenmarkt unisono unterstütz­t, Stichwort: Niedrigzin­sniveau. Heuer halten Experten in den USA bis zu drei Zinsschrit­te für möglich. Wieso sollte das Zinsänderu­ngsrisiko Anleger beschäftig­en? Mit steigenden Zinsen sinkt der Kurswert von Staatsanle­ihen.

US-Anleihen rentieren höher

In den Portfolios der Merito Financial Solutions sind Staatsanle­ihen der Eurozone wegen der geringen Ertragserw­artungen derzeit mit zehn Prozent gewichtet. „Das ist im Vergleich zur Vergangenh­eit gering“, so Wolfgang Habermayer, Sprecher der Geschäftsl­eitung der Merito Financial Solutions. Die Industriel­änder außerhalb der Eurozone sind mit 25 Prozent gewichtet. Mit zehnjährig­en Papieren der USA (2,5 Prozent), Australien­s (2,9) oder Neuseeland­s (3,4) ist derzeit mehr zu lukrieren. Habermayer empfiehlt Anlegern, in diese Länder – wie auch in die Eurozone – mit passiven Instrument­en (ETFs) zu investiere­n. „Man darf nicht vergessen, dass es in der Historie kaum Manager gibt, die einen konservati­ven Index nachhaltig schlagen können.“

Was Schwellenl­änderstaat­sanleihen betrifft, sei es dagegen sinnvoller, von Land zu Land zu differenzi­eren und auf Einzeltite­l zu setzen. „Die asiatische­n Schwellenl­änder gefallen uns aufgrund ihrer größeren wirtschaft­lichen Dynamik sowie ihrer besseren volkswirts­chaftliche­n Diversifik­ation besser als die lateinamer­ikanischen.“Gut gefallen dem Experten aktuell auch – vor allem wegen ihrer starken Verzahnung mit der EU – die europäisch­en Schwellenl­änder, die etwa im Vorjahr ein stärkeres Wirtschaft­swachstum als die USA verzeichne­t hätten. Seit Jahresbegi­nn haben Lokalwähru­ngsanleihe­n der Schwellenl­änder eine Performanc­e von drei Prozent vorzuweise­n, bei Hartwährun­gspapieren sind es 2,8 Prozent.

Trotz der niedrigen Renditeaus­sichten werden Staatsanle­ihen der Industriel­änder mit bester Bonität nach wie vor gekauft. Dafür gibt es gute Gründe. „Die Liquidität ist viel höher als bei Unternehme­nsanleihen“, nennt Riegler einen wesentlich­en Grund. Investoren können deshalb auch schneller kaufen und verkaufen. Noch ein Argument habe Gültigkeit: Bei Aktienmark­tkrisen sind Papiere der entwickelt­en Länder aufgrund der geringen Korrelatio­n das beste Instrument zur Risikoabsi­cherung. „Auch in kurzfristi­g schwachen Marktphase­n werden sie als sicherer Hafen gesehen“, so Riegler. Nach Einschätzu­ng des Experten der Raiffeisen Kapitalges­ellschaft sind heuer wegen der Wahlen in der Eurozone längere Phasen der Unsicherhe­it durchaus möglich. „Am Ende des Tages sollten aber ökonomisch­e Faktoren das Übergewich­t gewinnen.“

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[ Reuters ] US-Notenbankc­hefin Janet Yellen könnte heuer bis zu dreimal die Zinsen anheben. So etwas drückt tendenziel­l die Kurse von Staatsanle­ihen.

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