Bummelstudentin muss 24.000 € zurückzahlen
Unterhalt. Immer häufiger verlangen Unterhaltspflichtige Alimente zurück, weil ihre Kinder nicht rasch genug studieren. In einem aktuellen OGH-Fall startet eine Absolventin mit 32.000 Euro Schulden ins Berufsleben, davon 8000 Streitkosten.
Wien. Wie lange müssen Eltern für die Berufsausbildung ihrer Kinder aufkommen, und was passiert, wenn die Kinder nicht zügig studieren? Um diese Fragen kreisen in letzter Zeit vermehrt gerichtliche Auseinandersetzungen, in denen Unterhaltspflichtige – meist sind es Väter – von ihrem Nachwuchs Geld zurückverlangen. Eine neue Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) zeigt, welch dramatische Folgen solche Streitigkeiten für die mitunter ahnungslosen Studierenden haben können.
Als Grundregel gilt: Unterhaltspflichtige müssen zu einer höherwertigen Berufsausbildung nach der Schule beitragen, wenn ihre Kinder die erforderlichen Fähigkeiten für ein Studium besitzen und dieses ernsthaft und zielstrebig betreiben. Die Gerichte ergänzen gern noch, dass es den Unterhaltspflichtigen möglich und zumutbar sein muss, sich an den Kosten zu beteiligen. Praktisch wirken sich die Vermögensverhältnisse der Eltern in aller Regel aber nur auf die Höhe der Alimente aus. Und nicht darauf, ob für ein Studium überhaupt etwas zu zahlen ist. Bachelor- und Masterstudien sind also zumindest mitzufinanzieren (Doktoratsstudien nur ausnahmsweise).
Durchschnittsdauer zählt
Aber nicht ewig, sondern nur im Ausmaß der Durchschnittsstudiendauer. In dem vom OGH entschiedenen Fall hatte eine Tochter, die von ihrem Vater getrennt lebt, zunächst zwei Semester lang Theaterwissenschaft studiert. Dann sattelte sie auf Architektur an der TU Wien um. Das Bachelorstudium dauert dort durchschnittlich 8,8 Semester. Sie schloss es allerdings erst nach 13 Semestern ab, um sodann das Masterstudium anzugehen. Dafür brauchen die Studierenden im Schnitt 5,4 Semester.
Der Vater, der ihr Monat für Monat 600 Euro überwiesen hatte, wollte sich daraufhin rückwirkend von der Unterhaltspflicht befreien lassen, und zwar ab dem zehnten Semester. Vor dem Bezirksgericht Leopoldstadt verteidigte die junge Frau noch erfolgreich die bereits erhaltenen Zahlungen. Es sei, so meinte das Gericht, von einer Gesamtstudiendauer von 14,2 Semestern auszugehen; dies deshalb, weil schon im Bachelorstudium Prüfungen für den anschließenden Master abgelegt werden könnten. Das Gericht billigte der Studentin außerdem ein Toleranzjahr zu: Darin könne sie ein Jahr aufholen, das sie durch ein Nicht genügend bei einer wichtigen Prüfung zu Beginn des TU-Studiums verloren habe.
Auch das Landesgericht für Zivilrechtssachen ließ den Vater abblitzen: Gemessen an der Gesamt- studiendauer habe die Tochter zum Zeitpunkt der Entscheidung genug intensiv studiert. Ganz sicher, ob auch der OGH das so sehen würde, konnte sich das Landesgericht aber nicht sein; also ließ es einen Revisionsrekurs des Vaters zu, damit geklärt werden konnte, wie es um die „Vermischung“von Bachelor- und Masterstudien steht.
Damit wendete sich das Blatt zugunsten des Vaters (vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner – SDSP). Für den OGH ist das Bachelorstudium als ein selbstständiges Studium zu betrachten; ab wann der Vater von der Unterhaltspflicht enthoben ist, kommt demnach nur auf die durchschnittliche Dauer dieses Studiums an. Die vom Bezirksgericht angesprochene Möglichkeit, Prüfungen aus dem Masterstudium zeitlich vorzuziehen, war bedeutungslos: Denn die Studentin hat davon gar keinen Gebrauch gemacht.
Ebenso wenig kann das Scheitern bei der erwähnten Prüfung eine Rolle spielen: Weil nach Angaben der Tochter dasselbe Missgeschick etlichen Studienkollegen widerfahren ist, muss diese Engstelle im Studium sich ohnehin auf die Durchschnittsstudiendauer ausgewirkt haben. Angesichts der Tatsache, dass die Tochter erst 15 Semester nach dem Schulabschluss ihren Bachelor hatte, stellte sich für den OGH auch nicht mehr die Frage, ob dem Vater noch die Finanzierung des Masterstudiums aufzuerlegen war. Also enthob der OGH den Vater wie gewünscht von der Unterhaltspflicht (9 Ob 34/16i).
Mittlerweile hatten sich 39 Monate zu lang bezogener Unterhalt samt Zinsen auf rund 24.000 Euro summiert. Abgesehen davon, dass die Tochter eigene und gegnerischer Anwaltskosten von etwa 8000 Euro begleichen muss, wird sie den Unterhalt wohl zurückzahlen müssen. Aber kann sie sich nicht – wie ein Arbeitnehmer, der zu viel Lohn erhalten hat – darauf berufen, das Geld gutgläubig verbraucht zu haben? Eher nicht: „Sobald ein Unterhaltsbefreiungsantrag zugestellt ist mit der Behauptung des mangelnden Studienerfolgs ist ab dem Folgemonat der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs wohl aussichtslos“, meint Günter Tews, juristischer Angestellter bei SDSP.
Guter Glaube fällt rasch weg
Tews ortet einen starken Anstieg der Zahl derartiger Verfahren. Allein seine Kanzlei hat in den vergangenen zwei Jahren sechs geführt. Eines vor dem BG Donaustadt betraf die Rückforderung von 17.070 Euro an zuviel geleistetem Unterhalt plus Zinsen und zeigt, wie eng die Grenzen des gutgläubigen Verbrauchs sind. In diesem Fall hatte eine Tochter ihrem Vater jahrelang Inskriptionsbestätigungen geschickt, aber nie Prüfungsnachweise. Das Gericht urteilte, dass die Tochter wegen ihrer negativen Prüfungsergebnisse und spätestens seit dem Moment, in dem das Finanzamt die Familienbeihilfe strich, an ihrem Recht hätte zweifeln müssen, Unterhalt zu beziehen.
Tews zufolge fehlt in solchen Rückforderungsfällen typischerweise jede Kommunikation zwischen Kind und Elternteil. Irritierend findet er, dass oft selbst das Gericht die Rückforderung als moralisch verwerflich ansieht, während es anscheinend unbedenklich sei, wenn ein Kind Unterhalt kassiere, ohne etwas zu leisten. Dennoch: In der weiteren Familie der Betroffenen findet sich häufig jemand – z. B. unter den Großeltern – der bei der Rückzahlung einspringt.