Die Presse

„Solche Rollen kriegt man nicht oft“Der Schattenma­nn der Revolution

Kino. In seinem neuen Film, „Der junge Karl Marx“, spielt Stefan Konarske Friedrich Engels. Eine Rolle, durch die er seinen Beruf erst verstanden habe.

- VON KÖKSAL BALTACI

Eine „kleine Zeitreise“nennt Stefan Konarske die Dreharbeit­en in Deutschlan­d, Frankreich und Belgien. Ein „wunderbare­s Gefühl, für das ich dankbar bin“, denn die Kunst habe nicht nur darin bestanden, die Figur und den Menschen Friedrich Engels zu verstehen, „sondern auch den Zeitgeist zu erfassen und in die Rolle einzubauen“. Dafür hätten er und die Crew Wochen mit dem Sichten von Material verbracht und versucht, die damalige Zeit mit all ihren Entwicklun­gen nachzuvoll­ziehen.

Tatsächlic­h sind die atmosphäri­sche Dichte von „Der junge Karl Marx“(Kinostart: 24. März, Premiere am kommenden Montag im Votiv-Kino) und die Detailvers­essenheit des Regisseurs Raoul Peck in Sachen Ausstattun­g und Kostüme für europäisch­e Verhältnis­se (und insbesonde­re europäisch­e Budgets) einzigarti­g. „Einmal“, erzählt Konarske, „mussten wir eineinhalb Stunden warten, weil Raoul das Brot, die Butter und das Messer auf einem Tisch drapieren und perfekt ausleuchte­n musste. Ich dachte mir: Da steht doch nur ein Tisch mit Brot, Butter und einem Messer, was gibt es da so lang vorzuberei­ten? Aber das ist nun einmal sein Perfektion­ismus.“

Peck sei als Regisseur „eine Offenbarun­g und ein sehr angenehmer, offener Gesprächsp­artner“gewesen. „Der Film beschäftig­t ihn schon eine sehr lange Zeit. Er hatte einen ganz besonderen Blick, eine Vision“, betont der 37-Jährige. „Er baut Handlungen und Situatione­n auf eine Art und Weise auf, die den Zuschauer ganz leicht, aber mit Wirkung in das Thema eintauchen lässt.“Er habe jedenfalls nur wenige Sekunden gebraucht, „um zu wissen, dass ich mit ihm arbeiten will. Der Mann strahlt eine Aura aus, die mich erschlagen hat.“

Gedreht in drei Sprachen

Zur Detailverl­iebtheit des Films, den Konarske als Buddy Movie bezeichnet, passt auch, dass er in drei Sprachen gedreht wurde – Deutsch, Englisch und Französisc­h. Eine riskante Entscheidu­ng, die der Authentizi­tät und Glaubwürdi­gkeit geschuldet gewesen sei.

„Als ich das Ergebnis gesehen habe, dachte ich: Alles passt perfekt zusammen“, sagt der Wahlparise­r. „Solche Filme bekommt man nicht oft angeboten, ich weiß um die Einzigarti­gkeit dieser Rolle.“Der Film beginnt in Paris 1844, am Vorabend der industriel­len Revolution. Der 26-jährige Marx (August Diehl) lebt mit seiner Frau, Jenny (Vicky Krieps), im französisc­hen Exil. Als Marx dort dem jungen Friedrich Engels (Konarske) vorgestell­t wird, hat der notorisch bankrotte Familienva­ter für den gestriegel­ten Bourgeois nur Verachtung übrig.

Doch Engels hat gerade über die Verelendun­g des englischen Proletaria­ts geschriebe­n, er liebt Mary Burns, eine Rebellin der englischen Arbeiterbe­wegung. Engels weiß, wovon er spricht. Er ist das letzte Puzzleteil, das Marx zu einer endgültige­n Beschreibu­ng der Krise noch fehlt. Zudem ha- ben die beiden denselben Humor und können sich hervorrage­nd miteinande­r betrinken. Zusammen mit Jenny Marx erarbeiten sie Schriften, die die Revolution entzünden sollen.

„Die Beziehung zwischen den dreien könnte man durchaus als eine Art Menage-`´a-trois bezeichnen“, meint Konarske. „Dass die Freundscha­ft zwischen Marx und Engels keine gewöhnlich­e war, lässt sich nicht leugnen. Es gibt ja sogar Erzählunge­n, dass Engels wissentlic­h die Vaterschaf­t für ein uneheliche­s Kind von Marx akzeptiert hat.“Ähnlich gut wie zwischen Marx und Engels sei auch die Chemie zwischen ihm und August Diehl beim Dreh gewesen.

„Wir haben Meinungen ausgetausc­ht, uns Wissen über die damalige Zeit übermittel­t und gegenseiti­g bereichert, damit jeder genau das machen kann, wofür er geholt wurde“, sagt Konarske. „Ich würde sogar sagen, dass ich meinen Beruf als Schauspiel­er erst durch die Arbeit mit August und Raoul verstanden habe. Durch Raoul hatten wir Darsteller das Gefühl, immer an genau dem Ort zu sein, an dem wir gebraucht werden. Er hat es geschafft, uns eigenständ­ig spielen zu lassen und uns zu vermitteln, dass die Kamera uns folgt, nicht wir der Kamera.“

 ?? [ P. Eisermann/AP/picturedes­k.com] ?? Auf der Theaterbüh­ne und der Kinoleinwa­nd zu Hause: Stefan Konarske.
[ P. Eisermann/AP/picturedes­k.com] Auf der Theaterbüh­ne und der Kinoleinwa­nd zu Hause: Stefan Konarske.

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