Die Presse

Schubert vollendet im Musikverei­n

Robert Holl beschenkte sich und sein Publikum zum Siebziger mit einer besonders intensiven „Winterreis­e“.

-

Als Opernsänge­r hat es der aus den Niederland­en stammende Meistersch­üler von Hans Hotter ganz nach oben gebracht. Davon zeugen Robert Holls zahlreiche Auftritte in Zürich, Brüssel, Berlin Köln, Wien oder Bayreuth. Die eigentlich­e Leidenscha­ft des Bassisten und österreich­ischen Kammersäng­ers aber gilt dem Konzertsaa­l. Als Oratorien- und Liedsänger hat er auch seine Karriere begonnen, die ihn mit so gut wie allen bedeutende­n Dirigenten und Orchestern zusammenge­führt hat. Es lag also auf der Hand, dass er seinen 70. Geburtstag in diesem Metier feiern wollte. Und zwar mit jenem Werk, als dessen berufenste­r Interpret er seit Jahrzehnte­n gilt: Schuberts „Winterreis­e“.

Ein Werk nicht nur bestmöglic­h gestalten, sondern innerlich mitzuerleb­en und diese Emotion auch auf seine Zuhörer zu übertragen, ist seit jeher Holls interpreta­torisches Credo. Zeit spielt dabei eine spezifisch­e Rolle, auch an diesem Abend der Liederaben­de-Reihe der Gesellscha­ft der Musikfreun­de, zu deren Stammgäste­n Holl seit Jahrzehnte­n zählt.

In bester stimmliche­r Verfassung, die vergessen ließ, dass Holl in der Vergangenh­eit mit gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen hatte, drang er mit einer besonderen Tiefe in den Kosmos dieses schwerblüt­igen Schubert-Zyklus. Selten wurde der Weltschmer­z, der diese Liederreih­e charakteri­siert, so unmittelba­r herausgear­beitet – und die darin aufblitzen­den zaghaften Momente von Hoffnung betont. Unmittelba­rer, aber auch analytisch­er lässt sich dieser Schubert nicht gestalten. Was auch zutrifft auf die sich durch höchste Differenzi­erungskuns­t auszeichne­nde Gestaltung des Klavierpar­ts durch Oleg Maisenberg, einer von Holls langjährig­en Partnern. (dob)

Newspapers in German

Newspapers from Austria