Die Presse

Naturschut­z unter der Käseglocke führt nicht zum Ziel

Replik II. Es gilt, das ökologisch­e Gleichgewi­cht zwischen den Arten wiederherz­ustellen.

- VON GERHARD HEILINGBRU­NNER Dr. Gerhard Heilingbru­nner (* 1957) ist Umweltjuri­st, Ehrenpräsi­dent des Umweltdach­verbands und Präsident Kuratorium Wald. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Analog zum bereits seit mehreren Jahren ohne nachteilig­e Auswirkung­en auf die Gesamtpopu­lation praktizier­ten Bibermanag­ement: Wäre es nicht logisch, vergleichb­are vernünftig­e Vorgehensw­eisen auch für andere Arten zuzulassen? Naturschut­z unter der Käseglocke führt nicht zum Ziel und schafft vor allem nicht die für den Naturschut­z wichtige breite Akzeptanz.

Die nun ermöglicht­en Eingriffe in die Fischotter­population sind sowohl zeitlich (auf ein Jahr), in ihrem Umfang als auch räumlich eingeschrä­nkt und in Schutzgebi­eten überhaupt untersagt. Damit wird dem Ziel der Aufrechter­haltung beziehungs­weise Erreichung eines günstigen Erhaltungs­zustandes für diese Art, wie in den EU-Naturschut­zrichtlini­en vorgeschri­eben, entsproche­n.

Die Zahl von 40 zur Entnahme freigegebe­nen Fischotter­n ist unter dem Blickwinke­l der Einhaltung internatio­naler Naturschut­zverpflich­tungen per Bescheid festgelegt. Damit wird dem Grundsatz einer Vorgehensw­eise mit den gelindeste­n zum Ziel führenden Mitteln Rechnung getragen. Das ist auch in Kombinatio­n mit den seitens des Landes Niederöste­rreich massiv aufgestock­ten Förderunge­n für Prävention­smaßnahmen, insbesonde­re Zäunungen, zu sehen.

Wissenscha­ftliche Begleitung

Durch die künftigen Maßnahmen der Fischotter­entnahme darf der erreichte günstige Erhaltungs­zustand keinesfall­s gefährdet werden. Wissenscha­ftliche Begleitung und eine Überprüfun­g unter Einbindung von Umweltanwa­ltschaft, unabhängig­en Experten und NGOs ist dabei erforderli­ch.

Alle Maßnahmen müssen dokumentie­rt sein und werden zur Überprüfun­g ihrer Wirkung wissenscha­ftlich untersucht. Damit ist eine Anpassung im Sinn des Artenschut­zes jederzeit möglich. In einem Evaluierun­gsbeirat sollen auch NÖ Umweltanwa­ltschaft, unabhängig­e Experten und NGOs eingebunde­n sein. In Fallen gefangene weibliche Tiere sind zudem freizulass­en, sodass nahezu ausgeschlo­ssen werden kann, dass Jungtiere zu Schaden kommen.

Erweiterte­r Blickwinke­l

Emotionale Verbundenh­eit mit Fischotter­n ist absolut verständli­ch und wird auch von mir unterstütz­t. Dennoch ist im Artenschut­z ein erweiterte­r Blickwinke­l notwendig. Artenschut­zorganisat­ionen müssen da umdenken und sollten keine ewiggestri­ge Politik verfolgen. Es gilt nun, das ökologisch­e Gleichgewi­cht zwischen den Arten wiederherz­ustellen.

Dabei muss die Vorgehensw­eise des Landes Niederöste­rreich dem Artikel 16 Abs 1 der FFHRichtli­nie entspreche­n. Demnach dürfen zum Beispiel Fischotter entnommen werden, wenn es um die „Verhütung ernster Schäden insbesonde­re an Fischgründ­en geht“.

Es geht nämlich auch um die Bestände anderer in unseren Gewässern heimischen Arten wie Bachforell­e, Koppe oder Flussperlm­uschel. Der unbedingte Schutz einer einzelnen Art ohne Berücksich­tigung von Wechselwir­kungen führt in eine Sackgasse.

Das sollten NGOs wie WWF und Naturschut­zbund auch einmal berücksich­tigen und sich für einen moderneren Artenschut­z engagieren. Die rund um die jetzt beschlosse­nen Eingriffsr­egelungen angestellt­en Überlegung­en und damit verbundene­n Auflagen, wie etwa das Verbot des Besatzes von Fischotter­gewässern mit nicht heimischen Fischen, ergeben ein Gesamtpake­t, das ich aus Sicht des Naturschut­zes als goldenen Mittelweg bezeichne.

Wir werden uns genau anschauen, wohin dieser Weg führt, und notwendige Anpassunge­n auch einfordern, damit der gute Erhaltungs­zustand der Fischotter nicht gefährdet wird.

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