Die Presse

ÖVP-Unmut über Kern

Koalition. Atmosphäri­sch hat sich die Stimmung in der rot-schwarzen Regierung wieder zusehends verschlech­tert. Aber auch inhaltlich geht derzeit nicht mehr allzu viel weiter.

- DIENSTAG, 14. MÄRZ 2017 VON OLIVER PINK

Die Atmosphäre in der Koalition hat sich wieder zusehends verschlech­tert.

Wien. Die Koalition kriselt weiter vor sich hin. Vor allem auf ÖVPSeite wächst der Ärger über SPÖBundesk­anzler Christian Kern: „Er agiert, als hätte er eine Alleinregi­erung, und die ÖVP wäre ein lästiges Anhängsel“, klagt ein ÖVPMann. Selbst die Wohlmeinen­den in der Volksparte­i – wie Parteichef Reinhold Mitterlehn­er – habe der SPÖ-Chef mittlerwei­le gegen sich aufgebrach­t, sagt ein anderer.

Der Kanzler gebe sich wie ein Generaldir­ektor, der allein die Weisheit gepachtet habe und wisse, was gut und was böse ist. Das sei kein gemeinsame­s Regieren auf Augenhöhe. Und während Kern selbst ständig Alleingäng­e unternehme, würde er sich furchtbar aufregen, wenn das ein ÖVP-Minister wie Wolfgang Sobotka mache. Auch Mitterlehn­er hatte sich zuletzt demonstrat­iv hinter Wolfgang Sobotka gestellt – wiewohl der Innenminis­ter parteiinte­rn dem Sebastian-Kurz-Lager zuzurechne­n ist.

Seit seiner Plan-A-Rede ist das Misstrauen in der ÖVP gegenüber Kern groß. Damals hatte man den Verdacht, der Kanzler würde es auf Neuwahlen anlegen. Diesen hegt man jetzt zwar nicht mehr, dennoch nervt die führenden Vertreter der ÖVP die „Selbstdars­tellung“und „Sprunghaft­igkeit“des Kanzlers zusehends.

Erst sei er gegen ein Auftrittsv­erbot für den türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ in Österreich, weil die ÖVP dafür sei, dann sei er auf einmal für ein europaweit­es Auftrittsv­erbot. Und die Forderung nach einer Kürzung der EU-Beiträge für osteuropäi­sche Staaten sei reine Show, weil realistisc­h nicht umsetzbar.

Verhandlun­g abgesagt

Doch nicht nur atmosphäri­sch hakt es derzeit – auch inhaltlich: In der Vorwoche passierte im Ministerra­t nicht viel, und diese Woche sieht es nicht anders aus. Zudem wurde eine für Montagnach­mittag angesetzte Verhandlun­gsrunde auf Beamtenebe­ne zur Kürzung der Familienbe­ihilfe für im Ausland lebende Kinder von SPÖ-Seite kurzerhand abgesagt, was die zuständige ÖVP-Ressortche­fin, Sophie Karmasin, verärgerte: „Wenn wir schon so anfangen, wird es schwierig, den Zeitplan zu halten.“

Karmasin (wieder) verärgert

Mit einer verärgerte­n Sophie Karmasin hatte auch der letzte größere Koalitions­krach begonnen, der dann nach tagelangen Verhandlun­gen mit einem Update des Regierungs­programms endete.

In der SPÖ hat man eine einfache Erklärung dafür: Der Kanzler habe die Verhandlun­gen in Sachen Familienbe­ihilfe an sich ge- zogen – wegen der europäisch­en Komponente dieser Thematik. Der Ansprechpa­rtner für Karmasin sei also nicht mehr das Gesundheit­sministeri­um, sondern das Kanzleramt. Für Freitag sei nun ein entspreche­nder Termin anberaumt.

Überhaupt liege es nicht an der Kanzlerpar­tei, dass derzeit in den Ministerrä­ten nichts weitergehe. „Das neue Mietrecht, die Presseförd­erung, die Schulauton­omie oder den Drozda-Vorschlag für ein Verbot von Auftritten türkischer Politiker in Österreich könnten wir sofort beschließe­n“, sagt ein Sozialdemo­krat. Doch da lege sich die ÖVP quer. Anderersei­ts würde es auch wieder Ministerrä­te geben, in denen – etwa um die Frist vor der Sommerpaus­e einzuhalte­n – um die 60 Gesetze auf ein- mal beschlosse­n würden. Dass es im Moment zwar stocke, inhaltlich aber auch schon einiges weitergega­ngen sei, konzediert man allerdings auch in der ÖVP-Führung: vom Beschäftig­ungsbonus über die Investitio­nsprämie bis zum Fremdenrec­htspaket.

Problem Gewerbeord­nung

Von einem Konsens entfernt sind die beiden Parteien derzeit bei der Novelle der Gewerbeord­nung. Diese wird – wie „Die Presse“bereits berichtete – heute nicht wie geplant im Wirtschaft­sausschuss im Parlament behandelt werden. Die SPÖ will im Bau- und Baunebenge­werbe mehr reglementi­eren als bisher und Scheinselb­stständigk­eit in der Gewerbeord­nung verankern. Die ÖVP lehnt das ab.

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[ APA ] Auch die Wohlmeinen­den in der ÖVP, wie Parteichef Mitterlehn­er, hadern mittlerwei­le mit Kanzler Kern.

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