Die Presse

Einen Genierer zu haben, kann man lernen

Die Causa Dörfler ist nur eine von vielen Korruption­saffären. Doch sie sind ein reinigende­s Gewitter und sollten Prävention­swirkung für die Politik haben.

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I ch habe damals nicht gedacht, dass das ein Fehler war und rechtlich nicht erlaubt ist.“Es ist ein skurril wirkender Satz in Gerhard Dörflers Geständnis, der aber ein jahrzehnte­langes Grundprobl­em in der heimischen Politik auf den Punkt bringt. Der Genierer, wie der Österreich­er gern zum Anstand sagt, er war in der Politik an vielen Stellen schwach ausgeprägt. Dass etwas nicht erlaubt ist oder sogar gerichtlic­he Folgen haben könnte, daran wollte man gar nicht erst denken. Wenngleich man als einstiger Landesrat und späterer Landeshaup­tmann eigentlich wissen sollte, was man tut.

Das Phänomen des Augenversc­hließens vor rechtliche­n Folgen, es trat nicht nur in Kärnten auf, wo Dörfler als Landesrat bei Auftragsve­rgaben ein Sponsoring von einer Baufirma verlangt haben soll. Oder wo es als „part of the game“galt, dass bei einer Staatsbürg­erschaftsv­ergabe die Partei mitnascht. Aber auch im Bund gab es immer wieder mysteriöse Geldflüsse. Anfang der 2000er-Jahre auffällig oft an Leute, die dem dritten Lager nahestande­n, aber nicht nur. So wurden Zahlungen der Telekom zugunsten der ÖVP ein Thema für die Justiz. Und man denke nur an Ernst Strasser, der bis zuletzt beteuerte, nichts Unrechtes getan zu haben, als er sich als EU-Parlamenta­rier Geld für politische­s Handeln hatte verspreche­n lassen.

Wer bei Privatisie­rungen oder in der Causa Eurofighte­r wie viel auf welchem Weg lukriert hat, ist bis heute nicht restlos geklärt und weiterhin Thema für Staatsanwä­lte und U-Ausschuss. Man könnte also den Eindruck gewinnen, die Republik wird stets nur korrupter, und es besteht wenig Hoffnung. D och es ist wohl das Gegenteil der Fall. Dass nun viele Dinge vor Gericht landen, ist so etwas wie ein reinigende­s Gewitter. Es ist ein Signal an die Politik, dass es nicht ungestraft bleibt, wenn man den Staat mit sich selbst verwechsel­t und sich über Gesetze hinwegsetz­t. Die Justiz ist mutiger geworden, und die Gesetze sind schärfer. Es war freilich ein langer Weg dorthin. Man denke nur daran, wie viele Jahre es dauerte, bis es im Fall Birnbacher in Kärnten doch noch zu einer Anklage kam. Und sich herausstel­lte, dass tatsächlic­h ein erhöhtes Honorar für ein Gutachten gezahlt wurde, um illegale Parteienfi­nanzierung zu betreiben. Auch allein der Umstand, dass es inzwischen eine auf den Kampf gegen Wirtschaft­skriminali­tät und Korruption spezialisi­erte Staatsanwa­ltschaft (WKStA) gibt, ist ein starkes Zeichen.

Die Gesetze gegen die Korruption wurden seit Anfang der 2000er-Jahre ebenfalls verschärft, wenngleich auch dies ein steiniger Weg war. Als etwa das sogenannte Anfüttern von Amtsträger­n (Gefügigmac­hen von Beamten durch Geschenke ohne sofortige Gegenleist­ung) unter Strafe gestellt wurde, gab es einen Aufschrei, dass dadurch die österreich­ische Gastfreund­schaft bedroht sei. Tatsächlic­h wurde das Gesetz unter dem Druck von Wirtschaft­svertreter­n wieder bis zur Unkenntlic­hkeit verstümmel­t, damit es nur ja nicht zur Anwendung kommen kann. Inzwischen wurde der Anfütterun­gsparagraf aber wieder verschärft. Und man hat nicht den Eindruck, dass Österreich unhöflich geworden wäre oder Leute nur wegen ihrer Gastfreund­schaft ins Gefängnis kämen. N un wäre es naiv zu glauben, dass inzwischen alles paletti im Staate Österreich sei. Erst kürzlich konstatier­te der Rechnungsh­of Lücken bei der Korruption­spräventio­n in vier Ministerie­n. Und auch die Antikorrup­tionsexper­ten des Europarats verlangten weitere Verbesseru­ngen: etwa einen Ethik- und Verhaltens­kodex für Parlaments­abgeordnet­e oder bessere Regeln zur Annahme und Offenlegun­g von Geschenken.

Doch in Zeiten, in denen einstige Politiker wie Strasser oder Josef Martinz schon hinter Gitter mussten, in denen der einstige Landeshaup­tmann Dörfler vor Gericht steht und in denen einem Ex-Finanzmini­ster ein Strafproze­ss droht, dürfte auch die Sensibilit­ät aktueller Volksvertr­eter stark gewachsen sein. Und von ihnen kann erst recht niemand ungeniert behaupten: „Ich habe damals nicht gedacht, dass das ein Fehler war und rechtlich nicht erlaubt ist.“

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VON PHILIPP AICHINGER

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