„Wir hatten schon Unruhen in Rotterdam“
Interview. Der niederländische Sozialdemokrat Arjen Berkvens erklärt, warum das Einreiseverbot für türkische Minister richtig ist und Migranten in den Niederlanden heute weniger integriert sind als vor 2012.
Die Presse: War es aus Ihrer Sicht die richtige Entscheidung, türkischen Ministern die Einreise in Ihr Land zu verbieten? Arjen Berkvens: Ja, das war richtig.
Und der niederländische Wahlkampf spielte bei dieser Entscheidung keine Rolle? Nein. Sie dürfen nicht vergessen: Vergangenes Jahr nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei gab es viele Unruhen auf den Straßen, vor allem in Rotterdam. Unsere lokalen Behörden müssen das im Blick haben.
Das Verhältnis zwischen der Türkei und den Niederlanden ist auf einem Tiefpunkt. Belastet das auch das Zusammenleben zwischen Niederländern mit und ohne Migrationshintergrund? Das geht schon eine ganze Zeit so. Bei den Wahlen am Mittwoch tritt eine Migrantenpartei an. Ich kann mir vorstellen, sie profitiert von den jüngsten Auseinandersetzungen.
Sie sagen, das gehe schon eine ganze Zeit so. Was meinen Sie damit? Die Situation hat sich verändert, seit Mitbürgern 2012 erlaubt wurde, bei türkischen Wahlen in den Niederlanden und anderen Staaten abzustimmen. Seither sieht man, dass die türkischen Bürger immer mehr in die türkische Sphäre hineingezogen werden.
Das bedeutet, dass ein Teil dieser Gruppe heute weniger integriert ist als vor 2012. In gewisser Weise. Es hatte jedenfalls einen negativen Effekt.
Haben Sie das Gefühl, die Niederländer werden derzeit vom Rest Europas im Stich gelassen? Nein, das Gefühl habe ich nicht. Was ich meine: Es gibt den Vorschlag, dass die EU als Ganzes türkische Wahlkampfauftritte auf ihrem Boden verbieten könnte, damit nicht ein Land, wie derzeit die Niederlande, exponiert ist. Ich habe gehört, dass sich die EU-Minister vergangene Woche getroffen und entschieden haben, den Konflikt nicht eskalieren zu lassen. Wir sollten mit Blick auf das Vorgehen von Erdogans˘ Regierung aber nicht naiv sein.
Sind Sie dafür, nun die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ein für alle Mal zu beenden, wie das Ihr Parteifreund, Kanzler Christian Kern, vorschlägt? Das sagt sich leicht. Die Verhandlungen sind ja bereits eingefroren. Es ist zu früh, sie ein für alle Mal zu beenden. Wir sind eine wertebasierte Gemeinschaft. Die türkische Regierung und die türkischen Bürger müssen entscheiden, ob sie unsere Werte haben wollen. Wenn Sie sich ansehen, was in der Türkei in den vergangenen Jahren geschehen ist, vor allem nach dem gescheiterten Coup, dann ist das natürlich alles andere als vereinbar mit EU-Werten.