Startschuss für den Brexit
Großbritannien–EU. Noch diese Woche soll der offizielle Austrittsbrief nach Brüssel gesandt werden. Das britische Parlament traf am Montag die letzten legislativen Vorbereitungen.
London. Neun Monate nach dem Referendum werden die Vorbereitungen der britischen Regierung für den EU-Austritt diese Woche abgeschlossen. Ein letzte parlamentarische Runde ging am Montag über die Bühne. Es war das finale Spiel der britischen Demokratie, bei dem keine großen Änderungen mehr erwartet wurden.
Nach den Beratungen im Oberhaus kam das Gesetz über den Austritt Großbritanniens aus der EU am Nachmittag zu einer neuen Runde zurück ins Unterhaus. Der für den Brexit zuständige Minister, David Davis, appellierte an die Abgeordneten, das Gesetz zur Auslösung von Artikel 50 (Austritt lt. EU-Vertrag) in seiner ursprünglichen Fassung zu bestätigen: „Fesseln Sie nicht die Hände der Premierministerin“, appellierte er. Trotz vereinzelten Widerspruchs konnte die Regierung von Theresa May der Abstimmung mit Zuversicht entgegensehen.
Die Lords hatten in der Vorwoche mit großer Mehrheit für zwei Änderungen des Gesetzes votiert: Sie wollten eine Zusage der Regierung über die Rechte der EU-Ausländer in Großbritannien nach dem Brexit und eine „sinnvolle“Abstimmung im Parlament über die Austrittsvereinbarung zwischen London und Brüssel. In beiden Fällen lehnte die Regierung Zugeständnisse aber ab: „Der einzige Zweck dieses Gesetzes ist es, den Willen des Volkes umzusetzen und mit den Austrittsverhandlungen zu beginnen“, betonte Davis.
Dank der Unterstützung der Führung der oppositionellen Labour Party konnte sich die konser- vative Regierung sicher sein, die Abstimmung am Montag zu gewinnen und die Änderungswünsche des Oberhauses abzuweisen. „Labour ist in völliger Auflösung und hat keine Strategie“, erklärte dies Simon Tilford vom Thinktank Centre for European Reform zur „Presse“. Noch in der Nacht auf Dienstag sollte das Gesetz dann zurück ins House of Lords gehen. Hier wurde schon im Vorfeld „kein weiterer Widerstand“signalisiert.
Notfallpläne für Scheitern
Damit wäre der Weg frei für die formelle „königliche Zustimmung“zum Inkrafttreten des Artikel-50-Gesetzes. Diese wird vom Vertreter der Königin erteilt, sobald klar ist, dass im parlamentarischen „Pingpong“zwischen Oberund Unterhaus der letzte Punkt gespielt worden ist. Wenn Premierministerin May Dienstagnachmittag das Unterhaus über den EU-Gipfel in der Vorwoche informieren wird, dürfte sie bereits in der Position sein, den Beginn des Austritts aus der Union zu verkünden.
Formell wird die Benachrichtigung durch ein Schreiben der Re- gierung an EU-Ratspräsident Donald Tusk erfolgen. Fraglich war nur mehr, ob es vor oder nach den Parlamentswahlen in den Niederlanden am Mittwoch eingebracht würde. Auf jeden Fall wird der Brexit noch diese Woche beginnen.
Sorge äußerte im Vorfeld der Parlamentsentscheidung der außenpolitische Ausschuss. Die Abgeordneten forderten die Regierung auf, Notfallpläne für den Fall zu erstellen, dass es bei den Austrittsverhandlungen zu keiner Einigung kommt. Angesichts der harten Positionen sei „die Möglichkeit, dass es zu keiner Einigung kommt, real genug, um dafür Vorkehrungen zu treffen“, verlangte der Ausschuss. Premierministerin May hatte wiederholt erklärt, sie wolle „lieber keinen Deal als einen schlechten Deal“. Allerdings gab auch Brexit-Minister Davis zu, dass es sehr wohl alternative Pläne für den Fall eines Scheiterns in der Schublade gebe.
Sondergipfel im April
Auch aufseiten der EU rechnete man mit dem unmittelbar bevorstehenden Beginn des Brexit. Nach Eintreffen des britischen Schrei- bens werden die verbleibenden 27 Mitgliedstaaten am 6. und 7. April zu einem Sondergipfel in Brüssel zusammenkommen, wo die Verhandlungsrichtlinien abgesegnet werden sollen. Artikel 50 des Gemeinschaftsvertrags sieht eine Verhandlungsdauer von zwei Jahren vor.
Die Austrittsgespräche mit London wird die EU-Kommission im Auftrag der Mitgliedstaaten führen. Ihr Verhandlungsleiter ist Ex-Binnenmarktkommissar Michel Barnier, während auf britischer Seite Brexit-Minister Davis zuständig sein wird. Die Vorwürfe mangelnder Planung wies er zurück. „Selbstverständlich haben wir Vorbereitungen getroffen“, erklärte er.
Außenminister Boris Johnson meinte hingegen, zwar sei er zuversichtlich, dass es zwischen Brüssel und London zu einer Vereinbarung kommen werde, aber: „Kein Deal ist auch okay.“Davis bestätigte, dass Großbritannien im März 2019 nicht mehr Mitglied der EU sein werde – mit oder ohne Einigung. Oder wie die bekannte Gameshow heißt: „Deal or No Deal“.