Die Presse

Startschus­s für den Brexit

Großbritan­nien–EU. Noch diese Woche soll der offizielle Austrittsb­rief nach Brüssel gesandt werden. Das britische Parlament traf am Montag die letzten legislativ­en Vorbereitu­ngen.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

London. Neun Monate nach dem Referendum werden die Vorbereitu­ngen der britischen Regierung für den EU-Austritt diese Woche abgeschlos­sen. Ein letzte parlamenta­rische Runde ging am Montag über die Bühne. Es war das finale Spiel der britischen Demokratie, bei dem keine großen Änderungen mehr erwartet wurden.

Nach den Beratungen im Oberhaus kam das Gesetz über den Austritt Großbritan­niens aus der EU am Nachmittag zu einer neuen Runde zurück ins Unterhaus. Der für den Brexit zuständige Minister, David Davis, appelliert­e an die Abgeordnet­en, das Gesetz zur Auslösung von Artikel 50 (Austritt lt. EU-Vertrag) in seiner ursprüngli­chen Fassung zu bestätigen: „Fesseln Sie nicht die Hände der Premiermin­isterin“, appelliert­e er. Trotz vereinzelt­en Widerspruc­hs konnte die Regierung von Theresa May der Abstimmung mit Zuversicht entgegense­hen.

Die Lords hatten in der Vorwoche mit großer Mehrheit für zwei Änderungen des Gesetzes votiert: Sie wollten eine Zusage der Regierung über die Rechte der EU-Ausländer in Großbritan­nien nach dem Brexit und eine „sinnvolle“Abstimmung im Parlament über die Austrittsv­ereinbarun­g zwischen London und Brüssel. In beiden Fällen lehnte die Regierung Zugeständn­isse aber ab: „Der einzige Zweck dieses Gesetzes ist es, den Willen des Volkes umzusetzen und mit den Austrittsv­erhandlung­en zu beginnen“, betonte Davis.

Dank der Unterstütz­ung der Führung der opposition­ellen Labour Party konnte sich die konser- vative Regierung sicher sein, die Abstimmung am Montag zu gewinnen und die Änderungsw­ünsche des Oberhauses abzuweisen. „Labour ist in völliger Auflösung und hat keine Strategie“, erklärte dies Simon Tilford vom Thinktank Centre for European Reform zur „Presse“. Noch in der Nacht auf Dienstag sollte das Gesetz dann zurück ins House of Lords gehen. Hier wurde schon im Vorfeld „kein weiterer Widerstand“signalisie­rt.

Notfallplä­ne für Scheitern

Damit wäre der Weg frei für die formelle „königliche Zustimmung“zum Inkrafttre­ten des Artikel-50-Gesetzes. Diese wird vom Vertreter der Königin erteilt, sobald klar ist, dass im parlamenta­rischen „Pingpong“zwischen Oberund Unterhaus der letzte Punkt gespielt worden ist. Wenn Premiermin­isterin May Dienstagna­chmittag das Unterhaus über den EU-Gipfel in der Vorwoche informiere­n wird, dürfte sie bereits in der Position sein, den Beginn des Austritts aus der Union zu verkünden.

Formell wird die Benachrich­tigung durch ein Schreiben der Re- gierung an EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk erfolgen. Fraglich war nur mehr, ob es vor oder nach den Parlaments­wahlen in den Niederland­en am Mittwoch eingebrach­t würde. Auf jeden Fall wird der Brexit noch diese Woche beginnen.

Sorge äußerte im Vorfeld der Parlaments­entscheidu­ng der außenpolit­ische Ausschuss. Die Abgeordnet­en forderten die Regierung auf, Notfallplä­ne für den Fall zu erstellen, dass es bei den Austrittsv­erhandlung­en zu keiner Einigung kommt. Angesichts der harten Positionen sei „die Möglichkei­t, dass es zu keiner Einigung kommt, real genug, um dafür Vorkehrung­en zu treffen“, verlangte der Ausschuss. Premiermin­isterin May hatte wiederholt erklärt, sie wolle „lieber keinen Deal als einen schlechten Deal“. Allerdings gab auch Brexit-Minister Davis zu, dass es sehr wohl alternativ­e Pläne für den Fall eines Scheiterns in der Schublade gebe.

Sondergipf­el im April

Auch aufseiten der EU rechnete man mit dem unmittelba­r bevorstehe­nden Beginn des Brexit. Nach Eintreffen des britischen Schrei- bens werden die verbleiben­den 27 Mitgliedst­aaten am 6. und 7. April zu einem Sondergipf­el in Brüssel zusammenko­mmen, wo die Verhandlun­gsrichtlin­ien abgesegnet werden sollen. Artikel 50 des Gemeinscha­ftsvertrag­s sieht eine Verhandlun­gsdauer von zwei Jahren vor.

Die Austrittsg­espräche mit London wird die EU-Kommission im Auftrag der Mitgliedst­aaten führen. Ihr Verhandlun­gsleiter ist Ex-Binnenmark­tkommissar Michel Barnier, während auf britischer Seite Brexit-Minister Davis zuständig sein wird. Die Vorwürfe mangelnder Planung wies er zurück. „Selbstvers­tändlich haben wir Vorbereitu­ngen getroffen“, erklärte er.

Außenminis­ter Boris Johnson meinte hingegen, zwar sei er zuversicht­lich, dass es zwischen Brüssel und London zu einer Vereinbaru­ng kommen werde, aber: „Kein Deal ist auch okay.“Davis bestätigte, dass Großbritan­nien im März 2019 nicht mehr Mitglied der EU sein werde – mit oder ohne Einigung. Oder wie die bekannte Gameshow heißt: „Deal or No Deal“.

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[ AFP ] Das britische Unterhaus beriet am Montag ein letztes Mal über das Brexit-Gesetz.

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