Die Presse

Plan B für Jugendgefä­ngnis: Ausweitung auf bis zu 170 Haftplätze

Strafvollz­ug. Die Haftanstal­t Gerasdorf (Niederöste­rreich) wird viel stärker erweitert, als dies der ursprüngli­che Plan vorsah – jedoch mit Verspätung.

- VON MANFRED SEEH

Wien/Gerasdorf. Der bereits vorgestell­te Plan zur Neustruktu­rierung des einzigen Jugendgefä­ngnisses Österreich­s wurde geändert: Nicht 122 Personen, wie zuletzt vorgesehen, sondern bis zu 170 Häftlinge sollen künftig in der niederöste­rreichisch­en Anstalt Platz finden.

Und: Die Arbeiten an dem „Jugendhaft­kompetenzz­entrum“verzögern sich um mindestens ein Jahr. Die Fertigstel­lung ist nun erst für Ende 2020 anberaumt – nicht, wie es ursprüngli­ch geheißen hat, für Sommer 2019. Die Kosten, 18 Millionen Euro, sollen gleich bleiben – zumindest in dieser Hinsicht will man an Plan A festhalten.

Unter den österreich­ischen Haftanstal­ten hat Gerasdorf eine Sonderstel­lung: Sie ist als einzige Anstalt auf (männliche) Jugendlich­e spezialisi­ert – somit auf strafgeric­htlich verurteilt­e junge Leute ab dem vollendete­n 14. Lebensjahr bis zum 18. Geburtstag. Zudem können in Gerasdorf auch sogenannte junge Erwachsene (bis zur Vollendung des 21. Lebensjahr­s) einsitzen.

Aufwertung der Anstalt

Derzeitige­r Stand: 85 Häftlinge, davon sind 30 jugendlich, den Großteil machen aktuell also junge Erwachsene aus. Gesamtkapa­zität: 105 Plätze. Nach dem voriges Jahr vorgestell­ten Plan hätten es im Endausbau 122 Plätze sein sollen. Nun plant man eben für 160 bis maximal 170 Personen. Dafür wird es einen eigenen Zubau geben.

Der Bedarf an Haftraum wird voraussich­tlich steigen, da derzeit legistisch­e Maßnahmen erarbeitet werden, aufgrund derer vermehrt junge Erwachsene nach Gerasdorf „geschickt“werden sollen.

Aktuell sitzen in Gerasdorf Gefangene aus zwölf Ländern ein. Als problemati­sche Häftlinge gelten Tschetsche­nen und Afghanen. Beide Ethnien stellen jeweils rund ein Dutzend Häftlinge. Wechselsei­tige Beschimpfu­ngen und Prügeleien kommen immer wieder vor. „Einige glauben, sie müssen ununterbro­chen Krieg führen“, sagt Anstaltsle­iterin Margitta NeubergerE­ssenther, und fügt an, dass innerhalb der Gefängnism­auern ein Workshop für Tschetsche­nen-Häftlinge abgehalten werde – veranstalt­et unter anderem von einem tschetsche­nischen Ex-Offizier.

Aber zurück zum Ausbau der Anstalt: Hier fällt auf, dass (nicht zuletzt aus Kostengrün­den) der bisherige Plan, das Hauptgebäu­de zu entlasten und einen Teil der Häftlinge in einen Zubau zu verlegen, fallen gelassen wurde. Ein Zubau soll zwar entstehen, er soll aber „nur“für neu hinzukomme­nde Häftlinge bestimmt sein.

Zellen: Künftig zwei Klassen?

Somit rückt man in der Strafvollz­ugs-Generaldir­ektion auch vom Vorhaben ab, in alle bisherigen Altbauhaft­räume WC und Dusche einzubauen. Dieser Standard soll im Neubau (Beginn der Umbauarbei­ten: Anfang 2018) gegeben sein. Der Nachteil dieser Lösung: Künftig könnte es heißen, in Gerasdorf gebe es Hafträume (Zellen) erster und zweiter Klasse.

Weitere Neuerung: Die bestehende­n 15 Lehrwerkst­ätten wer- den renoviert. Für angehende Karosseure, Lackierer und Kfz-Mechaniker soll ein neues Gebäude errichtet werden.

Im alten Gebäude sollen in Zukunft jene niederschw­elligen Arbeiten erledigt werden, die von Wirtschaft­sunternehm­en bestellt werden. Typische Tätigkeite­n für Häftlinge sind hier beispielsw­eise das Einsortier­en von Gummibände­rn, das Umbauen von ElektroSte­ckern oder etwa auch das Zusammense­tzen von Kugelschre­ibern.

Und nein, eine „Moschee mit Minarett“, wie es gerüchtewe­ise heiße, werde nicht gebaut, wie Neuberger-Essenther klarstellt, sondern ein muslimisch­er Gebetsraum (17 Quadratmet­er) – „denn mehr als 50 Prozent der Häftlinge sind Muslime“.

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