USA rütteln an den Steuerstandards
Protektionismus. Die Republikaner wollen der Welt eine neue Form der Gewinnbesteuerung aufzwingen. Würden alle nachziehen, wären die Exportnationen die großen Verlierer.
Wien. Ein Antrittsbesuch als Zitterpartie: Die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, reist am Dienstag nach Washington, begleitet von den Bossen von Siemens und BMW. Das wichtigste Ziel: Donald Trump von seinen protektionistischen Plänen abzubringen. Wovor starke Exportnationen wie Deutschland oder auch Österreich am meisten zittern müssen, ist eine Idee, die gar nicht vom neuen Präsidenten stammt. Er trommelte im Wahlkampf das plumpe Konzept von Einfuhrzöllen gegen bestimmte Länder. Im Visier stehen Mexiko und China, erst bei einem voll entfesselten Handelskrieg wäre auch Europa betroffen. Viel raffinierter und gefährlicher erscheint ein Plan, den die Republikaner im Kongress ausgeheckt haben: die Boarder Adjustment Tax (BAT) als neue Unternehmenssteuer.
Noch findet Trump diese Grenzausgleichssteuer „zu kompliziert“, aber wichtige Berater wollen ihn umstimmen. Sie wäre eine völlig neue Form der Gewinnbesteuerung: Exporterlöse von USFirmen zählen nicht mehr zum steuerpflichtigen Gewinn, sie sind also von der Steuer befreit. Umgekehrt darf man Importe, von Zulieferteilen bis zu Handelswaren, nicht mehr als Kosten abziehen.
Importe werden bestraft
Das soll die Unternehmen dazu bringen, mehr im Inland zu produzieren. So ließ sich das riesige Leistungsbilanzdefizit abbauen. Aber eben weil die USA viel mehr importieren als exportieren, hätte der Fiskus hohe Mehreinnahmen, weshalb die neue Unternehmenssteuer niedriger ausfallen kann als die alte: nur 20 statt 35 Prozent.
Was wiederum Konzerne animieren soll, ihre Gewinne nicht mehr im Ausland zu bunkern. Weil die US-Importeure die höheren Steuern den Kunden weitergeben müssen, verteuern sich eingeführte Produkte. Alle anderen Länder schauen durch die Finger, weil sie weniger in die USA verkaufen und ihre Unternehmen doppelt besteu- ert werden – es sei denn, sie übernehmen das neue System. Die USA wollen es also dem Rest der Welt aufzwingen. Wenn alle mitmachten, wäre die Wirkung auf globaler Ebene neutral. Tatsächlich schlagen ja auch in Europa manche einen solchen Umbau vor, um multinationalen Konzernen die Steuervermeidung zu erschweren: Apple müsste dann seine Gewinne, die es aus dem iPhone-Verkauf in Österreich erzielt, auch hierzulande versteuern, statt mit einem viel niedrigeren Satz in Irland.
Verlierer gäbe es trotzdem: alle Staaten mit hohen Exportüberschüssen, wie China, Japan und Deutschland. Denn sie müssten die Steuer höher ansetzen, um die Verluste auszugleichen. Verlierer gäbe es aber auch in Amerika, nämlich jene Firmen, die auf Importe angewiesen sind: Einzelhändler wie Walmart, Schuhhersteller wie Nike oder Raffinerien, die Rohöl einführen. Sie laufen Sturm gegen die Pläne und nennen sie diskriminierend. An diesem Punkt schießen die Befürworter argumentative Nebelkerzen ab, auch in Richtung ausländischer Kritiker: Die BAT sei ja so eine Art Mehrwertsteuer, wie es sie fast überall gibt, nur nicht in den USA (zumindest nicht national; die meisten Bundesstaaten heben eine Sales Tax ein, die aber nur bei fünf bis zehn Prozent liegt). Und: Wer eine Mehrwertsteuer hat, schließt Exporte davon aus, weshalb sich niemand aufregen soll.
Aufwertung als Ausgleich?
Aber der Vergleich hinkt: Umsatzsteuern besteuern Umsätze, nicht Gewinne. Sie sind Standard, jedes Land kann davon ausgehen, dass seine Exporte im Empfängerland besteuert werden. Niemand könnte etwas einwenden, wenn auch die USA eine nationale Sales Tax einführten. Sie wäre auch nicht diskriminierend, wenn sie – wie üblich – im Land hergestellte und importierte Güter gleich hoch belastete. Eben weil die geplante Gewinnsteuer das nicht tut, ist sie nach den Regeln der Welthandelsorganisation diskriminierend. Eine WTO-Klage dürfte Trump aber wenig beeindrucken. Er könnte sie als willkommenen Anlass sehen, ganz mit den ungeliebten Wächtern des freien Welthandels zu brechen.
Erfunden hat die Grenzausgleichssteuer schon 1997 ein Ökonom namens Alan Auerbach. Er treibt die Verwirrung noch weiter: Niemand müsse sich fürchten, seine Steuer wirke ohnehin neutral – weil sie den Wert des Dollar nach seinen Berechnungen um 25 Prozent in die Höhe treibt. Das verbilligt Importe und verteuert Exporte, wirkt also genau in die Gegenrichtung. Aber auch wenn das funktioniert (was viele von Auerbachs Kollegen stark bezweifeln), wären gewaltige Verwerfungen die Folge: Schwellenländer könnten ihre Schulden in US-Dollar nicht mehr bedienen, Amerikaner hätten herbe Verluste bei ihren Finanzinvestitionen im Ausland. Freuen könnten sich freilich China und Japan, deren riesiger Berg an Dollar-Währungsreserven dann um ein Viertel mehr wert wäre. Womöglich hätten sie also gegen das neue Steuerregime gar nicht viel einzuwenden – und Europa stünde bei seinem Widerstand ohne Mitstreiter da.