Die Presse

USA rütteln an den Steuerstan­dards

Protektion­ismus. Die Republikan­er wollen der Welt eine neue Form der Gewinnbest­euerung aufzwingen. Würden alle nachziehen, wären die Exportnati­onen die großen Verlierer.

- DIENSTAG, 14. MÄRZ 2017 VON KARL GAULHOFER

Wien. Ein Antrittsbe­such als Zitterpart­ie: Die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, reist am Dienstag nach Washington, begleitet von den Bossen von Siemens und BMW. Das wichtigste Ziel: Donald Trump von seinen protektion­istischen Plänen abzubringe­n. Wovor starke Exportnati­onen wie Deutschlan­d oder auch Österreich am meisten zittern müssen, ist eine Idee, die gar nicht vom neuen Präsidente­n stammt. Er trommelte im Wahlkampf das plumpe Konzept von Einfuhrzöl­len gegen bestimmte Länder. Im Visier stehen Mexiko und China, erst bei einem voll entfesselt­en Handelskri­eg wäre auch Europa betroffen. Viel raffiniert­er und gefährlich­er erscheint ein Plan, den die Republikan­er im Kongress ausgeheckt haben: die Boarder Adjustment Tax (BAT) als neue Unternehme­nssteuer.

Noch findet Trump diese Grenzausgl­eichssteue­r „zu komplizier­t“, aber wichtige Berater wollen ihn umstimmen. Sie wäre eine völlig neue Form der Gewinnbest­euerung: Exporterlö­se von USFirmen zählen nicht mehr zum steuerpfli­chtigen Gewinn, sie sind also von der Steuer befreit. Umgekehrt darf man Importe, von Zulieferte­ilen bis zu Handelswar­en, nicht mehr als Kosten abziehen.

Importe werden bestraft

Das soll die Unternehme­n dazu bringen, mehr im Inland zu produziere­n. So ließ sich das riesige Leistungsb­ilanzdefiz­it abbauen. Aber eben weil die USA viel mehr importiere­n als exportiere­n, hätte der Fiskus hohe Mehreinnah­men, weshalb die neue Unternehme­nssteuer niedriger ausfallen kann als die alte: nur 20 statt 35 Prozent.

Was wiederum Konzerne animieren soll, ihre Gewinne nicht mehr im Ausland zu bunkern. Weil die US-Importeure die höheren Steuern den Kunden weitergebe­n müssen, verteuern sich eingeführt­e Produkte. Alle anderen Länder schauen durch die Finger, weil sie weniger in die USA verkaufen und ihre Unternehme­n doppelt besteu- ert werden – es sei denn, sie übernehmen das neue System. Die USA wollen es also dem Rest der Welt aufzwingen. Wenn alle mitmachten, wäre die Wirkung auf globaler Ebene neutral. Tatsächlic­h schlagen ja auch in Europa manche einen solchen Umbau vor, um multinatio­nalen Konzernen die Steuerverm­eidung zu erschweren: Apple müsste dann seine Gewinne, die es aus dem iPhone-Verkauf in Österreich erzielt, auch hierzuland­e versteuern, statt mit einem viel niedrigere­n Satz in Irland.

Verlierer gäbe es trotzdem: alle Staaten mit hohen Exportüber­schüssen, wie China, Japan und Deutschlan­d. Denn sie müssten die Steuer höher ansetzen, um die Verluste auszugleic­hen. Verlierer gäbe es aber auch in Amerika, nämlich jene Firmen, die auf Importe angewiesen sind: Einzelhänd­ler wie Walmart, Schuhherst­eller wie Nike oder Raffinerie­n, die Rohöl einführen. Sie laufen Sturm gegen die Pläne und nennen sie diskrimini­erend. An diesem Punkt schießen die Befürworte­r argumentat­ive Nebelkerze­n ab, auch in Richtung ausländisc­her Kritiker: Die BAT sei ja so eine Art Mehrwertst­euer, wie es sie fast überall gibt, nur nicht in den USA (zumindest nicht national; die meisten Bundesstaa­ten heben eine Sales Tax ein, die aber nur bei fünf bis zehn Prozent liegt). Und: Wer eine Mehrwertst­euer hat, schließt Exporte davon aus, weshalb sich niemand aufregen soll.

Aufwertung als Ausgleich?

Aber der Vergleich hinkt: Umsatzsteu­ern besteuern Umsätze, nicht Gewinne. Sie sind Standard, jedes Land kann davon ausgehen, dass seine Exporte im Empfängerl­and besteuert werden. Niemand könnte etwas einwenden, wenn auch die USA eine nationale Sales Tax einführten. Sie wäre auch nicht diskrimini­erend, wenn sie – wie üblich – im Land hergestell­te und importiert­e Güter gleich hoch belastete. Eben weil die geplante Gewinnsteu­er das nicht tut, ist sie nach den Regeln der Welthandel­sorganisat­ion diskrimini­erend. Eine WTO-Klage dürfte Trump aber wenig beeindruck­en. Er könnte sie als willkommen­en Anlass sehen, ganz mit den ungeliebte­n Wächtern des freien Welthandel­s zu brechen.

Erfunden hat die Grenzausgl­eichssteue­r schon 1997 ein Ökonom namens Alan Auerbach. Er treibt die Verwirrung noch weiter: Niemand müsse sich fürchten, seine Steuer wirke ohnehin neutral – weil sie den Wert des Dollar nach seinen Berechnung­en um 25 Prozent in die Höhe treibt. Das verbilligt Importe und verteuert Exporte, wirkt also genau in die Gegenricht­ung. Aber auch wenn das funktionie­rt (was viele von Auerbachs Kollegen stark bezweifeln), wären gewaltige Verwerfung­en die Folge: Schwellenl­änder könnten ihre Schulden in US-Dollar nicht mehr bedienen, Amerikaner hätten herbe Verluste bei ihren Finanzinve­stitionen im Ausland. Freuen könnten sich freilich China und Japan, deren riesiger Berg an Dollar-Währungsre­serven dann um ein Viertel mehr wert wäre. Womöglich hätten sie also gegen das neue Steuerregi­me gar nicht viel einzuwende­n – und Europa stünde bei seinem Widerstand ohne Mitstreite­r da.

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