Hey, ihr Nazis, her mit eurem Geld
Muss sich die EU von der wirtschaftlich abhängigen Türkei alles bieten lassen?
D as Bruttoinlandsprodukt der Türkei ist rund doppelt so groß wie das österreichische, der gesamte Exportwert entspricht ungefähr dem österreichischen Ausfuhrvolumen. Das Land ist einwohnermäßig aber zehn Mal so groß. Diese Relationen muss man sich vor Augen führen, wenn man das derzeitige Halbstarkengehabe der Regierung in Ankara gegen einzelne EU-Länder betrachtet.
Was man noch wissen muss: Knapp 50 Prozent der türkischen Exporte gehen in die EU. Ein Großteil davon sind Zulieferungen an EUUnternehmen. Etwa Textilien, die EU-Labels in türkischen Nähstuben fertigen lassen. Da geht es in hohem Ausmaß um Bezugsquellen, die sehr schnell und sehr leicht substituierbar sind. Denn Nähmaschinen bedienen kann man in anderen Schwellenländern mit günstigen Arbeitskosten auch.
Die türkische Wirtschaft ist also in sehr hohem Ausmaß von EU-Ländern abhängig. Und sie bekommt von dort auch noch sehr hohe Geldleistungen. Im Vorjahr sind etwa 1,4 Mrd. Euro allein aus dem EUBudget in Richtung Bosporus geflossen, geht aus einer Anfragebeantwortung im Europaparlament hervor. Direkt über Mitgliedsländer abgerechnete Strukturprogramme sind da noch nicht enthalten.
Wenn man behauptet, dass das jetzt ohnehin abrupt abgebremste türkische Wirtschaftswunder des vorigen Jahrzehnts fast ausschließlich von EU-Kapital befeuert war, dann liegt man also nicht weit daneben. U nd jetzt die Zwölferfrage: Wieso lässt sich der Hauptsponsor vom Sponsoringnehmer so auf dem Kopf herumtanzen? Wo bleibt die entschlossene europäische Reaktion auf die Frechheiten, die derzeit vor allem den Niederlanden, Deutschland, aber auch Österreich hingeschleudert werden? Fällt der EU-Kommission außer weichen Appellen zur Mäßigung wirklich nichts ein?
Die Türkei ist ein wichtiger Partner, und man sollte alle politischen und wirtschaftlichen Kanäle weit offenhalten. Aber nicht um jeden Preis. Die Ansage „Hey, ihr Nazis, her mit eurem Geld“ist keine Basis, auf der man dauerhaft wirtschaftliche und politische Beziehungen aufbauen kann.