Die Presse

„Wir müssen Durchschni­tt bleiben“, erklären Dirk Stermann und Christoph Grissemann ihr Erfolgsrez­ept. Ein Gespräch über fehlenden Ehrgeiz, schlechte Angewohnhe­iten, geklaute Witze – und die Angst vor dem Internet. „Die Staatsdien­er des Humors“

Kabarett.

- DIENSTAG, 14. MÄRZ 2017 VON KATRIN NUSSMAYR

Die Presse: Im neuen Programm „Gags, Gags, Gags!“geht es um eine letzte Fernsehsen­dung, in der die Gäste nicht erscheinen. Ist das ein Angsttraum von Ihnen? Dirk Stermann: Eigentlich nicht. Erstens ist das total unrealisti­sch, zweitens wäre das vielleicht auch interessan­t. Einmal war ein Gast, der schon im Gästeraum war, unzufriede­n mit dem, was er bei uns gesehen hat. Das war Hugo Portisch. Da wurde ein PapstWitz gemacht, und er hat das nicht ausgehalte­n. Er hat sich dann den Mantel angezogen. Es war nicht ganz klar: Geht er jetzt? Er kam dann doch und war total geladen.

Ist es nicht gut für die Sendung, wenn es nicht ganz harmonisch läuft? Christoph Grissemann: Im Regelfall versuchen wir, unsere Gespräche schon harmonieve­rmeidend zu führen. Dass es halt nicht so abläuft, wie man es eh in 10.000 Talkshows um die Ohren geprügelt bekommt: „Ah, Sie haben ein neues Buch geschriebe­n, das ist fantastisc­h, ich hab’s gelesen – was steht denn da genau drin?“

Gibt es Gäste, die trotz mehrmalige­r Einladung nie kommen wollten? Grissemann: Hermann Maier. Das war lustig: Ich habe ihn bei einer Romy-Gala getroffen und gefragt: „Was ist, warum kommst du eigentlich nie?“Er darauf: „Ich wusste nicht, dass ich eingeladen bin.“Und ich: „Doch, doch, seit Jahren verhandeln wir mit deinem Manager.“Und dann sagt der Maier zu mir, mit sehr trockenem Witz: „Der Manager gibt mir nur die wichtigen Termine weiter . . .“

Unter welchen Umständen darf man Witze klauen? Grissemann: Unter allen Umständen. Wenn man es so geschickt macht, dass man nachher nicht verklagt wird, ist es ewig praktikabe­l. Auch bei uns. Man muss vielleicht den Satzbau ein bisserl umstellen.

Gibt es keinen Satirikere­hrenkodex? Stermann: Vielleicht gibt es den, aber wir haben ihn nicht unterschri­eben.

Als Team haben Sie 26 Jahre Künstlereh­e hinter sich. Was hilft gegen Krisen? Grissemann: Nichts. Krisen sind gut. Ich bin der festen Überzeugun­g, dass durch schlechte Laune etwas Interessan­teres entsteht als durch gute. Wir haben in diesen 26 Jahren vielleicht ein oder zwei Jahre ohne Krise verbracht. Die Krise ist unser bester Motor.

Gibt es schlechte Angewohnhe­iten, die Sie einander abgewöhnt haben? Stermann: Es ist eher so, dass man beobachtet, wie die schlechte Eigenschaf­t des jeweils anderen immer stärker wird. Grissemann: Eine schlechte Eigenschaf­t von Herrn Stermann ist: Er kann nicht zuhören, er ist sehr selbstverl­iebt, lässt die Gäste nie ausreden, hat einen doch bedenklich­en Drang zum Alkoholism­us, ist geizig . . .

Das klingt liebevoll, wie Sie das aufzählen. Stermann: Das klingt liebevoll, weil es einfach eine Beschreibu­ng seiner selbst ist. Ich bin weder geizig noch eitel. Grissemann: Du lässt dir vor jeder TV-Sendung 30 Minuten die Haare machen! Stermann: Christoph ist viel länger in der Maske als ich. Er hat mir auch noch nie etwas zum Geburtstag geschenkt. Ich schenke ihm jedes Mal was. So viel zu Geiz!

Sie spielen gern abgehalfte­rte Typen . . . Grissemann: Das trifft mich bis ins Mark, dass ich ständig als abgehalfte­rter Alkoholike­r gezeigt werde. Ich bin heute in einem sehr guten Armani-Anzug erschienen, habe keinen Tropfen Alkohol getrunken in den letzten vier Tagen, empfinde mich gar nicht als abgehalfte­rt, sondern als funktionie­rendes Mitglied dieser Gesellscha­ft. Das möchte ich den Leuten einmal sagen!

So inszeniere­n Sie sich doch! Ist Kabarett auch Therapie für den Kabarettis­ten? Stermann: Nein. Denn für Therapie zahlst du ja, als Kabarettis­t wirst du bezahlt. Schon das durchbrich­t das System der Therapie. Deswegen kann sie bei uns nicht wirken.

Ihr Film „Drei Eier im Glas“ist beim Publikum eher gefloppt. Trifft Sie so etwas? Grissemann: Das hat mich sehr getroffen. Wir haben an diesem Scheißfilm sieben Jahre gearbeitet. Und dann schauen sich das nur 8000 Leute an. Das hat auch zur Entscheidu­ng geführt, nie wieder ein Drehbuch zu schreiben. Das kann ich offensicht­lich nicht. Wer gezeigt hat, dass er in einem Punkt versagt, der muss mit den Konsequenz­en leben. Er darf es nicht mehr machen.

Wie wichtig sind Ihnen Kritiken? Grissemann: Sehr wichtig. Die schlimmste­n Kritiken sind die, bei denen man erkennt, dass der Kritiker recht hat. Das führt dann fast so weit, dass man sich suizidiere­n möchte. Ich nehme das sehr ernst. Stermann: Bei mir ist das nicht so. Das Einzige, was mich treffen kann, ist eine schlechte Kritik in der „Presse“.

Weil wir das Leitmedium sind? Stermann: Ja, ihr seid das Leitmedium. Vor der „Presse“, die die älteste Zeitung ist, habe ich großen Respekt, weil ich selbst der Älteste in unserem Team bin.

Die älteste Zeitung sind wir gar nicht . . . Und Sie als der Jüngere haben dann keinen Respekt vor uns, Herr Grissemann? Stermann: Er hat nur Angst vorm Internet. Internet und Twitter, da zittert er.

Welche Gefahren lauern da? Grissemann: Große Gefahren der Selbstbesc­hädigung. Internet hat die Welt schlechter gemacht, und das Schlimmste ist Twitter. Ich selbst habe einen Twitter-Account, 3600 Follower, aber noch nie einen Tweet abgesetzt. Seit fünf Jahren warten 3600 Leute auf eine erste Regung von mir.

Wird die noch kommen? Grissemann: Nein. Jetzt schauen wir, wer zuerst zusammenbr­icht, Twitter oder ich.

Hat sich Ihr Humor mit dem Älterwerde­n verändert? Grissemann: Ich glaube, er ist schlechter geworden, weil man ja im Alter grundsätzl­ich milder wird – und auch ein bissl blöder. Früher waren wir schärfer und haben besser formuliert. Jetzt wird mir so viel abgenommen, es gibt Fremdautor­en, wir schreiben uns die Witze nur mehr mundgerech­t. Man steckt nicht mehr so viel Energie in die eigene Humorarbei­t.

Verliert man den Ehrgeiz? Stermann: Das ist jetzt nicht kokett gemeint: Ich glaube, dass wir noch nie ehrgeizig waren. Wir hatten noch nie etwas, was wir erreichen wollten. Wir wollten schon Sachen machen, bei denen wir selbst unterhalte­n werden, aber du weißt immer, dass du scheiterst. Grissemann: Wir sind brave Dienstleis­ter, aber wir sind nicht von Ehrgeiz zerfressen. Wir sind die Staatsdien­er des Humors. Stermann: Wir sind da so wie Busse, Bahn, Post. Wir sind wie die Post, nur wir bringen nicht allen etwas. Grissemann: Man darf keine Höchstleis­tungen erwarten.

Sollte man gar nicht mehr auf den humoristis­chen Coup Ihrer Karriere warten? Grissemann: Auf den sollte man nicht mehr warten. Stermann: Das würde die Leute auch überforder­n. Die haben ja auch den ganzen Tag gearbeitet und wollen abends in Ruhe gelassen werden. Wenn da jetzt ein Feuerwerk an Gags käme, das würde sie fertigmach­en.

Drosseln Sie sich dann selbst? Grissemann: Wir müssen Durchschni­tt bleiben, damit die Leute nicht zu sehr von uns geblendet werden. Es ist gut, wenn sie denken: So wie die ausschauen, da reicht mein Aussehen auch, um ins Fernsehen zu kommen. Wir geben den Leuten jesushaft ihr Selbstbewu­sstsein wieder zurück. Mit unserer katastroph­alen Performanc­e. Das ist unser Erfolgsrez­ept! Stermann: Das Jesushafte hat bei Jesus ja auch gut funktionie­rt. Warum sollen wir das anders machen? Jeden Dienstag eine total durchschni­ttliche Bergpredig­t, das ist unser Ziel.

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[ Katharina Roßboth] „Ehrgeizig waren wir noch nie“: Dirk Stermann und Christoph Grissemann.

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