Der Neubau des Lebens eilt mit großen Schritten voran
Synthetische Biologie. Über ein Drittel der Chromosomen der Bierhefe sind nachgebaut, für theoretische und praktische Zwecke.
Als Eckard Wimmer (New York) erstmals das Genom eines Lebewesens nachbaute, das des Poliovirus, urteilte Gen-Hexer Craig Venter: „Verantwortungslos!“Dann eilte er in sein Labor und kam 14 Tage später mit einem eigenem nachgebauten Genom heraus, dem des Bakteriophagen PhiX174. Nun kann man darüber streiten, ob Viren und Phagen Leben sind – sie können sich nicht aus eigener Kraft vermehren, lassen ihre Wirte das tun –, aber töten können sie, Wimmers Virus tat es bei Mäusen.
Das waren Fingerübungen, Venters Phage hatte ein winziges Genom, 4500 Basenpaare, im nächsten Schritt ging er an ein Bak- terium, Mycoplasma genitalium, es hat das kleinste Bakteriengenom – 582.970 Basenpaare –, 2008 war es synthetisiert. Nun lebt ein Genom noch nicht, es braucht eine Hülle, 2009 war auch das geschafft, das synthetische Genom kam in eine leere Bakterienhülle.
Das waren immer noch Fingerübungen: Die Gene von Bakterien – sie haben keinen Zellkern – sitzen auf einem Ring, einem Plasmid, die Gene höheren Lebens sind in einem Zellkern auf Chromosomen verteilt, bei der Bierhefe S. cerevisiae sind es etwa zwölf Millionen Basenpaare auf 16 Chromosomen. Das erste künstliche dieser Chromosomen gelang 2014 Jeff Boeke (New York), das Ziel war klar: Das ganze Hefegenom! Aber das überstieg die Kapazität eines ein- zelnen Labors; Boeke trommelte 200 Mitstreiter auf der halben Welt zum Synthetic Yeast Project 2.0 (Sc2.0) zusammen, er organisierte die Arbeitsteilung.
„Wir verkürzen die Evolution“
Nun ist über ein Drittel des Wegs gegangen: Fünf Chromosomen wurden in Science publiziert (10. 3.), macht mit dem von Boeke sechs, bis Ende dieses Jahres soll die ganze Hefe synthetisiert sein. Und zwar nicht nur nach dem Modell der Natur, man experimentiert herum, nach zwei Seiten: Zum einen will man das Genom von S. cerevisia verschlanken, um etwa acht Prozent, die – vor allem Sequenzen, die sich sehr oft wiederholen – hält man für entbehrlich, zumindest bei den Hefepilzen in Labors. Zum anderen baut man künstliche Evolution ein – „SCRaMbLE“heißt das (Synthetic Chromosome Recombination by LoxP-mediated Evolution) –, und was es soll, fasst Boekes Mitarbeiter Patrick Cai so zusammen: „Wir verkürzen die Evolution um Millionen Jahre.“
Wozu? Zum einen geht es um die alte theoretische Frage Stephen Goulds, ob Evolution, wenn sie noch einmal starten könnte, die gleichen Wege ginge. Zum anderen geht es um ganz Praktisches: Hefe dient heute schon der chemischen Industrie zum Erzeugen vieler Wirkstoffe, das soll optimiert werden. Und zum Dritten ist Hefe wieder nur eine Fingerübung, man will an größere Genome, das des Menschen eingeschlossen.