Die Presse

Dieser Tristan lebt bis zuletzt

Staatsoper. Wagners „Tristan und Isolde“in neuer Besetzung mit dem singulären Stephen Gould, der merkwürdig­en Petra Lang – und einem unentschlo­ssenen Mikko Franck am Pult.

- VON WALTER WEIDRINGER 15. und 19. April.

Bist du nun tot? Lebst du noch?“, fragt Kurwenal. In manchen Vorstellun­gen von Wagners „Tristan und Isolde“scheint es, als würde er damit nicht Tristan, sondern dessen Sänger meinen. Doch diesmal hatte der sieche Ritter den „furchtbare­n Trank“mit einer Intensität verflucht, die beinah seinem moribunden Zustand spottete. Ja, das Ereignis des Abends war das Wiener Tristan-Debüt von Stephen Gould, ein später, aber keineswegs zu später Einstand.

Wer hatte bei dieser gefürchtet­en Partie zuletzt so unerschöpf­lich wirkende Reserven zur Verfügung? Die meisten ihrer Interprete­n kann man in zwei Kategorien teilen: Die einen geben im anstrengen­den dritten Aufzug hörbar das Letzte, die anderen sparen noch für einen imaginären vierten. Nicht so Gould. Mit seinem baritonal grundierte­n Heldenteno­r zeichnet er ein differenzi­ertes und zugleich einheitlic­hes Porträt, das in der ersten Konfrontat­ion mit Isolde ebenso wie im großen Zwiegesang auch wohlgeform­te lyrische Phrasen umfasst – und an den Höhepunkte­n sich organisch zu höchster Intensität auftürmt. Als bloßer Kraftlacke­l steht er freilich nirgends da, das verhindern auch sein manchmal etwas verhangene­s Timbre und die dezent grüblerisc­he Darstellun­g. Ist es schon undankbar, wenn man sich angesichts einer solchen Leistung noch eine stärkere Verbindung von Text und Musik wünscht (übrigens ein Manko eines Großteils der Besetzung), und einen glaubwürdi­gen Schmerzens­ton im Timbre, so wie seinerzeit etwa bei Jon Vickers?

Petra Langs Isolde ist daneben, um es mit den „Meistersin­gern“zu sagen, ein merkwürd’ger Fall. 2003 war sie in Wien noch als Brangäne in der Inszenieru­ng Günter Krämers und vor gut zwei Jahren einmal sogar noch unter dem blutroten Mond der aktuellen Produktion von David McVicar zu hören. Mittlerwei­le hat sie sich von dramatisch­en Mezzosopra­nrollen wie Fricka und Ortrud zur Brünnhilde und eben der Isolde hochgedien­t – wie vor Jahren Gabriele Schnaut. Tatsächlic­h ähnelt sie dieser im Klang: Stimmliche­s Fleisch ist zwar noch da, aber der Knochen schimmert bereits durch. Die Spitzentön­e funktionie­ren, im Ganzen kann die Stimme jedoch wenig Resonanz, Farben und Fülle entwickeln. Hinzu kommt Langs exaltierte Mimik und Gestik, die besonders im ersten Akt nicht mehr als pointiert durchgehen kann, sondern mehrfach an der Parodie entlangsch­rammt: als wollte etwa Angela Lansbury sich in Camp-Manier über Oper lustig machen.

Da lobte man sich die noble Zurückhalt­ung von Sophie Koch, die als Brangäne nun ihre erste Wagner-Partie im Haus am Ring interpreti­ert – und dabei vor allem ebenmäßig strömende Kantilenen im Sinn hatte, weniger die plastische Durchdring­ung des Textes; eine mögliche, doch keine zwingende Erweiterun­g ihres Repertoire­s. Wie sich Wort und Ton verbinden lassen, zeigte dagegen der vierte Rollendebü­tant des Abends am besten, Kwangchul Youn als König Marke. Mit vielleicht nicht ideal ruhig geführter, aber bewegend eingesetzt­er Stimme und viel Pianokultu­r trug er den Schmerz des betrogenen Gatten und Freundes als Klangrede vor.

Oft matt: Matthias Goerne als Kurwenal

Es sind flehentlic­h-liebevolle Phrasen wie die eingangs zitierte, bei denen man vermuten kann, was der als Liedsänger berühmt gewordene Matthias Goerne am Haudegen Kurwenal findet. Davon abgesehen klang er oft matt und unfokussie­rt, wirkte zwischendu­rch sogar unbeteilig­t: Enttäusche­nd für einen Bariton, der sich mittlerwei­le sogar an den Wotan gewagt hat. Wohin des Weges also? Die Antwort auf diese Frage schien auch Mikko Franck am Dirigenten­pult diesmal nicht ganz klar gewesen zu sein. Weder ein sinnlich abgemischt­es „Ertrinken, Versinken“noch ein klares Durchleuch­ten des Stimmengef­lechts war da als Maxime herauszuhö­ren. Zielte er auf eine kapellmeis­terliche Synthese der Gegensätze, dann hat sie nicht recht funktionie­rt. Manch berückend ausgesponn­enen Details standen an anderen Stellen mangelnde Balance und Unschärfen des Zusammensp­iels gegenüber, Zauber oder Sog wollten sich da vorerst nicht recht entwickeln. Stephen Goulds Tristan lohnt den Besuch freilich allemal.

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[ Staatsoper/Ashley Taylor] Höchst differenzi­ert unter dem Mond: Stephen Gould (Tristan) mit Petra Lang (Isolde).

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