Dieser Tristan lebt bis zuletzt
Staatsoper. Wagners „Tristan und Isolde“in neuer Besetzung mit dem singulären Stephen Gould, der merkwürdigen Petra Lang – und einem unentschlossenen Mikko Franck am Pult.
Bist du nun tot? Lebst du noch?“, fragt Kurwenal. In manchen Vorstellungen von Wagners „Tristan und Isolde“scheint es, als würde er damit nicht Tristan, sondern dessen Sänger meinen. Doch diesmal hatte der sieche Ritter den „furchtbaren Trank“mit einer Intensität verflucht, die beinah seinem moribunden Zustand spottete. Ja, das Ereignis des Abends war das Wiener Tristan-Debüt von Stephen Gould, ein später, aber keineswegs zu später Einstand.
Wer hatte bei dieser gefürchteten Partie zuletzt so unerschöpflich wirkende Reserven zur Verfügung? Die meisten ihrer Interpreten kann man in zwei Kategorien teilen: Die einen geben im anstrengenden dritten Aufzug hörbar das Letzte, die anderen sparen noch für einen imaginären vierten. Nicht so Gould. Mit seinem baritonal grundierten Heldentenor zeichnet er ein differenziertes und zugleich einheitliches Porträt, das in der ersten Konfrontation mit Isolde ebenso wie im großen Zwiegesang auch wohlgeformte lyrische Phrasen umfasst – und an den Höhepunkten sich organisch zu höchster Intensität auftürmt. Als bloßer Kraftlackel steht er freilich nirgends da, das verhindern auch sein manchmal etwas verhangenes Timbre und die dezent grüblerische Darstellung. Ist es schon undankbar, wenn man sich angesichts einer solchen Leistung noch eine stärkere Verbindung von Text und Musik wünscht (übrigens ein Manko eines Großteils der Besetzung), und einen glaubwürdigen Schmerzenston im Timbre, so wie seinerzeit etwa bei Jon Vickers?
Petra Langs Isolde ist daneben, um es mit den „Meistersingern“zu sagen, ein merkwürd’ger Fall. 2003 war sie in Wien noch als Brangäne in der Inszenierung Günter Krämers und vor gut zwei Jahren einmal sogar noch unter dem blutroten Mond der aktuellen Produktion von David McVicar zu hören. Mittlerweile hat sie sich von dramatischen Mezzosopranrollen wie Fricka und Ortrud zur Brünnhilde und eben der Isolde hochgedient – wie vor Jahren Gabriele Schnaut. Tatsächlich ähnelt sie dieser im Klang: Stimmliches Fleisch ist zwar noch da, aber der Knochen schimmert bereits durch. Die Spitzentöne funktionieren, im Ganzen kann die Stimme jedoch wenig Resonanz, Farben und Fülle entwickeln. Hinzu kommt Langs exaltierte Mimik und Gestik, die besonders im ersten Akt nicht mehr als pointiert durchgehen kann, sondern mehrfach an der Parodie entlangschrammt: als wollte etwa Angela Lansbury sich in Camp-Manier über Oper lustig machen.
Da lobte man sich die noble Zurückhaltung von Sophie Koch, die als Brangäne nun ihre erste Wagner-Partie im Haus am Ring interpretiert – und dabei vor allem ebenmäßig strömende Kantilenen im Sinn hatte, weniger die plastische Durchdringung des Textes; eine mögliche, doch keine zwingende Erweiterung ihres Repertoires. Wie sich Wort und Ton verbinden lassen, zeigte dagegen der vierte Rollendebütant des Abends am besten, Kwangchul Youn als König Marke. Mit vielleicht nicht ideal ruhig geführter, aber bewegend eingesetzter Stimme und viel Pianokultur trug er den Schmerz des betrogenen Gatten und Freundes als Klangrede vor.
Oft matt: Matthias Goerne als Kurwenal
Es sind flehentlich-liebevolle Phrasen wie die eingangs zitierte, bei denen man vermuten kann, was der als Liedsänger berühmt gewordene Matthias Goerne am Haudegen Kurwenal findet. Davon abgesehen klang er oft matt und unfokussiert, wirkte zwischendurch sogar unbeteiligt: Enttäuschend für einen Bariton, der sich mittlerweile sogar an den Wotan gewagt hat. Wohin des Weges also? Die Antwort auf diese Frage schien auch Mikko Franck am Dirigentenpult diesmal nicht ganz klar gewesen zu sein. Weder ein sinnlich abgemischtes „Ertrinken, Versinken“noch ein klares Durchleuchten des Stimmengeflechts war da als Maxime herauszuhören. Zielte er auf eine kapellmeisterliche Synthese der Gegensätze, dann hat sie nicht recht funktioniert. Manch berückend ausgesponnenen Details standen an anderen Stellen mangelnde Balance und Unschärfen des Zusammenspiels gegenüber, Zauber oder Sog wollten sich da vorerst nicht recht entwickeln. Stephen Goulds Tristan lohnt den Besuch freilich allemal.