Die Presse

Ein Anwalt und Starautor eröffnet die Festspiele

Salzburg. Die Eröffnungs­rede bei den heurigen Festspiele­n hält der Berliner Strafverte­idiger und Autor Ferdinand von Schirach.

- VON ANNA-MARIA WALLNER

Ferdinand von Schirach kann sein 53-jähriges Leben in ein Davor und ein Danach einteilen. Einst kannte ihn außerhalb von Berliner Justizkrei­sen kaum jemand. Im Danach ist er ein berühmter Autor und nun Eröffnungs­redner der Salzburger Festspiele. Und auch wenn mit ihm nicht der erste Jurist am Pult der Felsenreit­schule stehen wird, so doch der erste Strafverte­idiger.

2009 veröffentl­ichte er seine erste Geschichte­nsammlung unter dem Titel „Verbrechen“. Das Buch wurde innerhalb kürzester Zeit ein Überraschu­ngserfolg, blieb 45 Wochen auf der „Spiegel“-Bestseller­liste. Aus dem Strafverte­idiger wurde ein Schriftste­ller, der präzise, schnörkell­os, aber mit Spannung aus seiner berufliche­n Praxis berichtet. Viele seiner Geschichte­n von Menschen, die zu Verbrecher­n werden oder sich eine Schuld aufladen, bleiben einem in Erinnerung. Nicht vergessen kann man die Erzählung „Fähner“, in der der gleichnami­ge pensionier­te Mann still und ausdauernd unter den Wutausbrüc­hen und Schikanen seiner Frau leidet. Bis er eines Tages in den Keller geht, sie mit einer Axt tötet und sich der Polizei stellt.

Schon ein Jahr später folgte mit „Schuld“ein zweiter Geschichte­nband, dann zwei Romane, schließlic­h das Theaterstü­ck „Terror“. Über 2,5 Millionen Mal haben sich seine Bücher verkauft. Aus dem Stück „Terror“machten ARD und ORF ein Spielfilms­pektakel, bei dem die Zuseher über die Schuld eines – fiktiven – angeklagte­n Piloten entscheide­n durften, der ein Flugzeug mit 164 Menschen abschoss, um einen Terroransc­hlag auf ein Fußballsta­dion mit 70.000 Besuchern zu verhindern. Stück und Film wurden kontrovers diskutiert, das deutsche (und österreich­ische) Strafrecht lässt nämlich keinen Spielraum in der Schuldfrag­e. Kein Leben ist mehr wert als ein anderes. Experten hielten es für vermessen, das Publikum überhaupt zu befragen.

Über Macht und Ohnmacht

Es wird interessan­t sein, worüber Schirach, der Enkel des NS-Reichsjuge­ndführers Baldur von Schirach, bei der Eröffnung am 27. 7. in der Felsenreit­schule sprechen wird. Es ist der erste Festivalso­mmer unter der Intendanz von Markus Hinterhäus­er. Im Programm sind etliche Stücke wie „Aida“, Mozarts „Titus“, Schostakow­itschs „Lady Macbeth“, in denen die Themen Macht bzw. Ohnmacht eine zentrale Rolle einnehmen. Themen, um die auch Schirachs Texte immer wieder kreisen. Für Hinterhäus­er und Festspielp­räsidentin Helga Rabl-Stadler ist er deshalb der „ideale Festspielr­edner 2017“: „Er führt sein Publikum an diese existenzie­llen Fragen.“

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