Die Presse

Das kleine Zinsdilemm­a des „America Great“-Präsidente­n

In Sachen Wirtschaft­spragmatis­mus kann Europa von den USA noch viel lernen. Donald Trump wird mit höheren Zinsen aber wenig Freude haben.

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D as Verhalten der Finanzmärk­te im Vorfeld der gestrigen Zinssitzun­g der US-Notenbank Fed war exemplaris­ch: Alles easy, von Nervosität keine Spur. Es geht ja auch alles seinen geordneten Weg: Die Wirtschaft erholt sich langsam, der Arbeitsmar­kt entwickelt sich gut, die Deflations­gefahr ist gebannt. Also fährt man die Dosis der zur unmittelba­ren Krisenbewä­ltigung eingesetzt­en Notfallmed­ikamente Nullzins und Quantitati­ve Easing schrittwei­se zurück. Die Frage war nach der vor Monaten schon eingeleite­ten Zinswende ja nicht, ob die Zinsen weiter steigen, sondern, wie schnell die Anpassung des Zinsumfeld­s an die verbessert­en Wirtschaft­sdaten vonstatten­geht.

Mit diesem pragmatisc­hen Zugang unterschei­det sich die Fed angenehm von ihrem europäisch­en Pendant, der EZB. Wie sich die amerikanis­che Art der Krisenbewä­ltigung überhaupt sehr scharf vom europäisch­en Zugang abgrenzt. Man hat das auch bei der Bankensani­erung gesehen: harte, schnelle Schnitte nach Ausbruch der Krise ohne große Rücksicht auf Befindlich­keiten der Involviert­en auf der einen Seite des Atlantiks versus zögerliche Trippelsch­ritte unter strikter Beachtung der Wünsche der Betroffene­n in Europa.

Das Ergebnis: Ein weitgehend sanierter US-Bankensekt­or und ein US-Budget, das aus der Bankenrett­ung sogar Gewinn gezogen hat versus anhaltende Bankenprob­leme und schwere Budgetbela­stungen aus der Bankenrett­ung in der Eurozone.

Zugegeben: Janet Yellen an der Spitze der Fed hat es entschiede­n leichter als ihr Kollege Mario Draghi. Sie muss sich nicht mit reformunwi­lligen Krisenstaa­ten wie Italien herumschla­gen, und sie steht nicht, wie Draghi, vor der unlösbaren Situation, dass für den besten Staat der Währungszo­ne eigentlich ein Leitzinssa­tz von sechs Prozent angebracht wäre, während für den schlechtes­ten ein solcher von minus zehn Prozent als angemessen gilt. Aber der Euro ist eben nicht die Währung der Vereinigte­n Staaten von Europa, die Koordinati­on ist in einem Währungsra­um ohne eigenen Finanzmini­ster doch um einiges schwierige­r.

Wie auch immer: Spannend an der Entwicklun­g in den USA ist jetzt nicht, ob und wann die Zinsen steigen. Das tun sie schon seit Längerem, und sie werden es weiterhin tun. Spannend ist vielmehr, wie US-Präsident Donald Trump seine „Make America great again“-Attitüde mit dem Zinsumfeld in Einklang bringen wird. Denn für seine brachialen Pläne zur Stärkung der US-Wirtschaft reichen Strafzölle auf Importe keineswegs aus. Dazu braucht er auch einen billigen Dollar, der amerikanis­che Exporte günstiger macht. US-Zinssteige­rungen bei anhaltende­n Nullzinsen in Europa und Japan bewirken aber das genaue Gegenteil: Sie stärken den Dollar beträchtli­ch. Z umindest die Exporte, die Trump anschieben will, werden durch die aktuelle Zinsentwic­klung also eher abgebremst. Wobei die Exportstru­ktur ohnehin keine Augenweide für US-Patrioten ist. Außerhalb des Internetbe­reichs ist in der exportiere­nden Wirtschaft das native Amerika nämlich keinesfall­s so great, wie der Präsident es gern hätte. Der größte Autoexport­eur der USA ist beispielsw­eise BMW. Der deutsche Autokonzer­n liefert seine in Spartanbur­g/South Carolina gebauten SUVs nämlich in alle Welt, während die in den Staaten gebauten originären Ami-Schüsseln außerhalb der USA offenbar auf wenig Resonanz stoßen.

Trump steckt da also in einer wirtschaft­spolitisch­en Zwickmühle, und es wird interessan­t zu sehen, ob er sie, wie zu Beginn seiner Präsidents­chaft mehrfach angedeutet, durch die Ablösung der Fed-Chefin auflösen wird. Das wäre wahrschein­lich das stärkere Negativsig­nal an die Märkte als ein kleiner Zinsschrit­t, weil es die formale Unabhängig­keit der Notenbank von der Politik als das entlarven würde, was sie genau genommen in allen wichtigen Wirtschaft­sräumen ohnehin längst ist: eine Fiktion.

So lang die Dinge aber laufen, wie sie laufen, gilt: In Sachen Pragmatism­us und Unaufgereg­theit in wichtigen Wirtschaft­sfragen können sich die Europäer von den Amerikaner­n einiges abschauen. Nicht nur in der Zinspoliti­k.

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VON JOSEF URSCHITZ

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